A.M.THAWN

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Schon „Victorian Leaves“, das letzte Album der Band aus Rheine, wusste zu überzeugen, aber der aktuelle Longplayer „Coalition: Now“ ist wirklich ein kleiner Geniestreich geworden, der dem Trio nun einen Vertrag mit dem tschechischen Ausnahmelabel Day After einbrachte. Zu Recht, denn nirgendwo wäre der moderne, Dischord-artige Sound der Gruppe besser aufgehoben. Aufgenommen wurde die Platte in Spanien, und eine Tour mit den Japanern NINE DAYS WONDER ließ nicht lange auf sich warten. Folglich ruhen sich Sänger und Gitarrist Thomas Arentz, Bassist Michael Schulte und Schlagzeuger Holger Denninger keinesfalls auf ihren Lorbeeren aus, sondern gehen in die Vollen. Gemeinsam stellte sich das Trio nun auch meinen Fragen, schließlich galt es die Zusammenhänge der vielen Neuigkeiten zu beleuchten.

Euer Quartett ist inzwischen zum Trio geschrumpft. Wie kam es denn dazu, und fürchtet ihr nicht, dass sich das negativ auf den Sound auswirken könnte?

Michael:
„Kurz nachdem ‚Victorian Leaves‘ rauskam, haben wir noch ein paar Konzerte mit einem neuen Gitarristen gespielt, der dann aus zeitlichen Gründen ausstieg, nachdem er ein Jahr bei uns gespielt hatte. Wir haben lange überlegt, ob wir zu dritt weitermachen, aber sind uns dann recht schnell einig geworden, dass wir es bei einer Gitarre belassen. Ich denke nicht, dass sich das negativ auf den Sound auswirkt, eher im Gegenteil. Wir machen einfach andere Musik zu dritt. Mit weniger Leuten muss man sich immer etwas mehr einfallen lassen, außerdem hat sich unsere Einstellung zur Musik geändert. Uns ist klar geworden, dass die Musik, die wir machen in erster Linie etwas ist, was aus uns herausfließt, ganz egal, ob es gut, schlecht oder langweilig ist, oder nach dem und dem klingt.“
Thomas: „Zudem konnten wir feststellen, dass unser Gesamtsound dadurch an Klarheit gewonnen hat. Dieses differenzierte, gezielte Wahrnehmen der einzelnen Instrumente haben wir auf unserer letzten Platte schon sehr vermisst. Es geht bei uns nicht mehr darum, zu denken, dass eine Band nur einen guten Sound erzielt, wenn sie zwei Gitarristen besitzt. Es ist, meiner Meinung nach, oft eher das Gegenteil der Fall, schöne Bassläufe werden häufig durch Gitarrenwände zerstört und erhalten keine Chance zu wirken, wobei dies doch für einen gut funktionierenden Song sehr wichtig ist.“

Lehnt ihr inzwischen einen vierten Mann kategorisch ab?

Thomas:
„Es ist nicht so, dass wir eine vierte Person ablehnen. Das würde ja heißen, dass wir unbedingt nur als Trio weitermachen wollen. Dies muss aber nicht der Fall sein. Was wir momentan nicht wollen, ist eine zusätzliche Gitarre. Jeder von uns kann sich aber durchaus damit anfreunden, dass ein anderes Instrument, welches auch immer, dazukommt. Wir alle mögen elektronischer Musik sehr gerne. Ich kann mir sehr gut vorstellen, noch mehr an Instrumentierung im ‚klassischen‘ Sinn zu reduzieren, um dieser Art von Musik innerhalb unserer einen dominanteren Platz zu geben. Auf der neuen Platte hat der Einfluss an elektronischer Musik zugenommen, allerdings nur soweit, dass wir das auch live umsetzen können. Wir hatten für diese Platte Songs fertig, bei denen fast komplett auf Gitarre und Drums verzichtet wurde. Allerdings haben wir im Studio festgestellt, dass diese Songs auf der neuen Platte noch keinen Platz haben. Na ja, aber vielleicht auf der nächsten ...“

Interessant ist, dass ihr bei Day After gelandet seid. Wie kam denn der Kontakt zu Stande?

Michael:
„Komischerweise sind die Konzerte, die wir mit ROBOCOP KRAUS gespielt haben, die gewesen, die uns ein Stück weiter gebracht haben. Nach deren Tour für die ‚Living With Other People‘-Platte haben wir die letzten beiden Konzerte mit ihnen gespielt, u.a. das letzte in Nürnberg. Mira von Day After war auch da. Das Konzert war eines der schönsten, das wir je gespielt haben. Und das war es schon.“
Holger: „Dass wir mit Day After zusammenarbeiten, ist für uns wirklich großartig. Ich denke, es gibt nicht viele Labels, bei denen wir uns musikalisch sowie auch auf der persönlichen Ebene so gut aufgehoben fühlen können, zumal ich persönlich auch schon im Vorfeld mit Day After sympathisiert habe. Dass es aber so gut und reibungslos geklappt hat, wundert mich selbst ein wenig.“

Ihr habt in Barcelona mit Santi Garcia aufgenommen ...

Michael:
„Wir haben lange überlegt, wo wir aufnehmen können. Letztes Jahr im Juni spielten wir in Köln, dort waren auch Leute von ONE MAN AND HIS DROID. Die haben Holger ihre neuen Aufnahmen vorgespielt, die auch dort produziert wurden. Nachdem wir dann mehr über Santi Garcia und seine Aufnahmen in Erfahrung gebracht hatten, wussten wir, dass er der richtige Mann für die Aufnahmen ist. Preislich gesehen liegen wir auf jeden Fall weit unter den Angeboten, die wir aus Deutschland angefragt hatten, Flüge und Unterkunft sind nicht so teuer im Februar. Und Spanien ist ein cooles Land, um aufzunehmen, gerade wenn der Ort direkt am Meer liegt.“
Holger: „Im ersten Moment hörte es sich für mich schon ein wenig abstrus an, dort eine Platte aufzunehmen. Anfangs habe ich nur mal aus Interesse angefragt. Ich bin dann mit Santi näher ins Gespräch gekommen, ausschlaggebend für die Zusammenarbeit war einfach die Tatsache, dass wir musikalisch auf jeden Fall denselben Nerv treffen. Als ich schließlich noch die NO MORE LIES-Platte gehört hatte, das ist Santis großartige Band, wusste ich, dass es die richtige Entscheidung ist, dort die Platte aufzunehmen.“
Michael: „Ursprünglich waren 13 Songs geplant, wir reduzierten das dann aber auf 11 Songs, da diese optimal miteinander harmonierten, obwohl alle auf ihre Art wieder sehr verschieden sind. Es sind auch Stücke dabei, die schon auf dem 8-Spur-Demo für Day After vorhanden waren. Allerdings ist es bei uns häufig so, dass wir im Studio noch sehr viel an einzelnen Elementen wie Songstrukturen oder Texten arbeiten und verändern. Das war auch diesmal der Fall. Diese Möglichkeit halten wir uns bewusst offen. Ich denke, die Platte ist ein großer Schritt weg von ‚Victorian Leaves‘, was allein schon durch den Verzicht auf die zweite Gitarre absehbar war. Diesmal haben wir sehr viel Wert auf Simplizität gelegt, und typische Dinge wie Overdubs bewusst vermieden, was wir zum Teil aber auch Santi Garcia zu verdanken haben, da er dahingehend die gleiche Einstellung hat wie wir. Worüber wir uns sehr gefreut haben, war, dass wir mit Artur Estrada, ehemals Sänger bei AINA und jetzt bei NUEVO VULCANO, zusammenarbeiten konnten und er einen Gesangsteil zu einem der Songs beigesteuert hat. Worüber ich persönlich sehr froh bin, ist, dass wir alle darauf bedacht sind, nicht zweimal die gleiche Platte zu machen – und auch die nächste wird wahrscheinlich komplett anders ausfallen. Diese Herangehensweise gibt uns die Chance, uns nicht selbst einzuschränken und nicht langweilig zu werden.“

Ihr werdet nur in den höchsten Tönen gelobt, und mit THE TRANS MEGETTI, Q AND NOT U und anderen verglichen. Was erwartet ihr persönlich vom neuen Album?

Michael:
„Ehrlich gesagt weiß ich es im Moment gar nicht, wir haben seit den Aufnahmen nicht mehr geprobt, Holger musste seine Diplomarbeit schreiben, Thomas war damit beschäftigt, sich einen neuen Job zu suchen, und ich musste wieder arbeiten und zur Schule. Seitdem haben wir die Aufnahmen nicht mehr gehört. Ich glaube, keiner ist mehr gespannt auf das, was wir da fabriziert haben, als wir. Auf jeden Fall sind unsere Einflüsse wieder mal hörbar. Wir versprechen uns hauptsächlich davon, dass wir jede Menge Spaß auf den kommenden Konzerten haben werden. Und dass wir bzw. Day After nicht auf den Dingern sitzen bleiben.“
Holger: „Ich habe keine bestimmten Erwartungen, was das Album angeht. Ich denke, das werden wir auf uns zukommen lassen müssen. Was mit so einer Platte passiert, wie sie ankommen wird, und wie dann im Endeffekt die Resonanz sein wird, bleibt abzuwarten. Was die Bandvergleiche angeht, muss ich sagen, dass jeder Mensch anders Platten wahrnimmt. Solange sich dann die Vergleiche wie im oben genannten Rahmen abspielen, bin ich aber sehr zufrieden.“

Ich weiß, ihr wollt die Texte offen für Interpretationen halten, aber was für Themen sind euch als Band wichtig, oder geht es euch „nur“ um die Musik?

Michael: „Bei ‚Victorian Leaves‘ habe ich noch alle Texte geschrieben. Ich habe mir eigentlich nie irgendein bestimmtes Thema herausgesucht, um darüber einen Text zu schreiben. Meine Texte sind eher wie abstrakte Malerei, das Ganze ist gegenstandslos, was nicht heißen soll, dass sie hohl oder bedeutungslos sind, sie sind eben abstrakt wie Gefühle oder Träume. Das Interessante ist, dass Holger und Thomas eine völlig andere Herangehensweise beim Texte schreiben haben, und wir trotzdem zusammen Texte gemacht haben. Jeder Song handelt meist von einem oder mehreren Abschnitten in meinen Leben, dabei kann es durchaus Überschneidungen geben. Dazu kommt, dass wir mittlerweile alle drei Texte schreiben, jeder einen anderen Stil hat und wir keine Probleme damit haben, die Texte von jemand anderem zu singen, oder einfach verschiedene Gedanken, die wir zur selben Zeit hatten, in einen Song zu packen. Wir haben es einfach gemacht, so wie wir einfach Musik machen.“