AMBROSE

Wenn heimische Bands wirklich gute Musik machen, freut man sich als Schreiberling natürlich immer ganz besonders. So auch im Fall von AMBROSE, die mit ihrem emotionalen Debütalbum „The Grace Of Breaking Moments“ bereits auf sich aufmerksam machen konnten.

Sänger, Gitarrist und Songwriter Oliver ist kurz vor der Abreise nach Amerika, als ich mit ihm telefoniere. Das Studium gibt er als Beweggrund für den Ortswechsel an, „und außerdem wohnt meine Freundin dort“, erzählt er. Dennoch hat seine Combo vor seiner Abreise mit „Transatlantic Blues“ (welch passender Titel!) noch ein famoses Album abgeliefert, das den qualitativen Level des Debüts mühelos halten kann. Mein erster Höreindruck des Silberlings ist, dass das neue Material insgesamt eine Ecke flotter, schneller und härter als früher ausgefallen ist. „Das stimmt“, erklärt der AMBROSE-Vordenker, „das hat sich einfach so ergeben, weil es irgendwie mehr Spaß gemacht hat.“ Ursprünglich war ja nur ein Minialbum geplant, aber dann legte das Karlsruher Quartett noch eine Schippe drauf in Form von vier weiteren Songs, damit unter dem Strich eine vollwertige Langrille dabei herauskam. „Das haben wir mit unserem Label Defiance Records so abgesprochen“, erklärt Oliver. „Wenn wir eh schon sechs Lieder haben, dann fanden wir es besser, gleich ein ganzes Album zu machen. Vier weitere Lieder stellten kein Problem für uns dar, weil wir in dieser Hinsicht schon immer recht flott waren.“

Und wie soll es jetzt mit AMBROSE weitergehen, wenn er Deutschland verlässt? „Die Band wird leider erst mal auf Eis liegen. Unser Label wollte vorher noch unbedingt eine Platte von uns herausbringen, weil die erste Scheibe recht gut ging.“ Was heißt denn, dass sie „recht gut ging“? „Sagen wir mal so: Dafür, dass wir nur so wenige Konzerte gespielt haben, ging sie erstaunlich gut“, präzisiert mein Gesprächspartner. „Wir haben insgesamt ja nur zehn, zwölf Livekonzerte gespielt, wobei ich da besonders an die eine größere Show mit BOY SETS FIRE in Köln denke. Und dann gab es auch noch ein paar Auftritte mit POP UNKNOWN und SOMETREE.“ Die Reaktionen auf „The Grace Of Breaking Moments“ waren zwar größtenteils sehr positiv, aber Oliver ist rückblickend dennoch nicht recht glücklich mit dem Debüt, wie er zugibt: „Klar, die Reaktionen der Fanzines waren eigentlich ganz gut, obwohl ich jetzt selber sagen muss, dass ich das erste Album nicht mehr ganz so berauschend finde. Ich stehe zwar schon noch dahinter, aber irgendwie war es halt unser Anfang – wir haben ja gerade mal ein halbes Jahr zusammengespielt, als es aufgenommen wurde.“ Dafür klingt die Scheibe aber ausgesprochen gut, reif und professionell, wie ich finde. Vor den ganzen erfolgreichen Emo-Bands aus Amerika brauchen sich AMBROSE jedenfalls nicht zu verstecken. Was gefällt ihm denn nicht mehr am Debüt? „Ich war echt überrascht vom Erfolg der Platte – man selbst hat ja immer einen anderen Bezug zu seiner Musik. Die neuen Sachen sind schneller und in gewisser Weise auch etwas einfacher ausgefallen. Sie folgen mehr dem simplen Strophe-Refrain-Schema, was sich dann auch als besser herausgestellt hat.“

Dabei dachte Oliver eine gewisse Zeit daran, das Musizieren in einer Band ganz an den Nagel zu hängen, wie er verrät: „Bei der ersten Platte hatte ich zwei Jahre davor überhaupt keine Musik mehr gemacht, weil ich Probleme mit den Ohren hatte.“ Lass mich raten: Tinnitus? „Genau, aber bei mir ist das Pfeifen mittlerweile wieder weg. Ich habe mir dann spezielle Ohrenstöpsel anfertigen lassen, mit denen man überraschend gut Musik machen kann.“ Jeder, der (wie Oliver und ich) das lästige Ohrenpfeifen schon mal über einen längeren Zeitraum hatte, weiß, wie höllisch das sein kann. Die Sache mit den Ohren hatte allerdings auch einen positiven Effekt, da sich Oliver in dieser Zeit ausführlich mit seiner Akustikgitarre beschäftigte: „Es hat sich damals so einiges auf der Akustikgitarre angesammelt, das ich auch aufgenommen habe. Viele Ideen auf der ersten Platte waren Sachen, die ich vorher schon hatte.“

Stört es ihn eigentlich, wenn die Musik von AMBROSE als „Emocore“ bezeichnet wird? „Ich habe damit kein Problem – solche Schubladen gab es ja schon immer. Früher hieß es Collegerock, und heute halt Emo. Schubladen sind zwar immer etwas blöde, aber wie sonst will man den Leuten klar machen, was man für Musik macht.“ Interessant ist in diesem Zusammenhang natürlich auch die Frage nach den musikalischen Haupteinflüssen und Vorlieben, die im Fall der vier Karlsruher ganz unterschiedlich ausfallen. „Unser Schlagzeuger hört zum Beispiel gerne solche Sachen wie DEINE LAKAIEN, aber auch die FOO FIGHTERS“, holt Oliver aus, „während unser Bassist hingegen mehr aus der Hardcore- und Emo-Ecke kommt.“ Und welche Combos bewegen Oliver persönlich am stärksten? „Die verschiedensten Sachen. Melodische Musik wie BOB MOULD, SUGAR oder NOTWIST hat mich immer am meisten fasziniert. Natürlich mag ich auch die ganzen angesagten Klassiker von JIMMY EAT WORLD oder SUNNY DAY REAL ESTATE – das letzte SUNNY DAY REAL ESTATE-Album finde ich verdammt gut.“ Oliver wird sich übrigens auch in Amerika musikalisch betätigen, wie er mir am Schluss unseres Gespräches verrät: „Meine Freundin ist die Schwester von Kathie, die bei Equal Vision Records mit dabei ist. Da das Label recht groß ist, werden sich da wahrscheinlich auch Kontakte zu einigen amerikanischen Bands und Musikern ergeben...“