AHEAD TO THE SEA

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Start right now!

So ihr Lieben, die nachfolgenden Zeilen sollen euch ein wenig mit der Welt und den Machern des „Folkpunk-Radio“ vertraut machen. Um es kurz zu fassen, meine Damen und Herren, bitte sehr: AHEAD TO THE SEA. Mitreißende Folk- und Rocksounds treffen hier auf Worldbeats und da auf energiegeladenen Punk. Engagierte Texte und vor allem eine überzeugende Live-Performance charakterisieren die Band, die in dieser Formation seit Anfang 2004 aktiv ist. Von Interesse ist zudem, dass die bunte Truppe sich aus Teilen der sicher allseits bekannten und mittlerweile zum Glück wieder reanimierten ACROSS THE BORDER zusammensetzt. Die sympathische siebenköpfige Band um Mastermind Jochen aus dem sonnigen Freiburg im Breisgau veröffentlichte ihr Debütalbum „Urban Pirate Soundsystem“ im Jahre 2005 via Wolverine Records und steht nun mit dem aktuellen Longplayer „Treffer, versenkt!“, ebenfalls auf Wolverine erschienen, in den Startlöchern, die Bühnen dieser Welt endlich in Grund und Boden zu rocken. Das sollte der Band, die von Anfang an mit klaren Aussagen zu gesellschaftlichen und politischen Tendenzen nicht hinterm Berg hält, in einer normalen, gesunden Welt schon lange gegönnt sein. Wie wir jedoch alle wissen, gibt es seit jeher einen Unterschied zwischen Anspruch und Wirklichkeit und vor allem eine Menge Hindernisse, die es zu überwinden gilt, um seine selbst gesetzten Ziele zu erreichen und seinen Idealen langfristig treu zu bleiben. Aber keine Angst, die folgenden Zeilen sind keineswegs melancholischer und verbitterter Natur, sondern einfach ein Statement und Abbild ehrlicher, intensiver und vor allem gelebter Leidenschaft für Musik und alternative Lebenskultur.



Jochen, wie seid ihr denn mit eurem bisherigen Werk zufrieden, insbesondere mit eurem aktuellen Longplayer „Treffer, versenkt!“? Wie haben sich die zwei Jahre zwischen den beiden Veröffentlichungen ausgewirkt auf euch als Band und euren Sound?

Mit unserem Erstling „Urban Pirate Soundsystem“ und dem neuen Album „Treffer, versenkt!“ sind wir sehr zufrieden, obwohl wir mittlerweile schon wieder im Fieber der nächsten Produktion sind. Aber wir sind doch sehr stolz auf die zwei Veröffentlichungen. Wir wurden nach dem Feedback auf unser Debüt mutiger und haben mehr Sachen ausprobiert, die schon lange in uns schlummerten. Da die meisten von uns auch mit MANO NEGRA, KORTATU oder den LES NEGRESSES VERTES musikalisch aufgewachsen sind, kam das immer mehr zur Geltung, wie man sicher ein wenig hören kann. Auch wollten wir die „dubbige“ Seite, die wir durch SCUM OF TOYTOWN, RDF und AOS3 zu lieben gelernt hatten, mal nach außen kehren, mit neuen „alten“ Sachen experimentieren, was uns auch hoffentlich gelungen ist. Das war auch ein wenig schwierig. Wie weit kann man gehen, ohne von unserem Sound zu weit abzuweichen und so. Wir haben an der Neuen einige Monate gesessen und gefeilt und wollten noch möglichst alle Stücke, die wir angefangen hatten, auf die CD bringen. Das hat uns doch so einiges an Zeit und Nerven gekostet, uns aber als Band auch noch mehr zusammenwachsen lassen. Bei sieben Leuten ist es dann auch schwierig zu entscheiden, welches Lied draufkommt und welches weggelassen wird, und so sind dann schließlich alle 17 auf dem Neuling gelandet. Witzig ist aber auch, dass gerade die Songs, mit denen wir gehadert hatten, positiv in den Kritiken erwähnt werden. Aber so ist das halt. Zum Glück ist die perfekte Platte immer die Nächste. Die Suche geht also weiter.

Mit dem neuen Album im Rücken, dazu ein durchweg positives Feedback der Kritiker, fühlt es sich sicher gut an. Was erwartet ihr selber von der kommenden Zeit, wohin soll euch euer musikalischer Weg führen? Und vor allem: wie sehen eure ganz persönlichen Ziele als Band für die Zukunft aus?

Es fühlt sich schon gut an, wenn man im Plastic Bomb, Wahrschauer oder bei euch im Ox ein gutes Feedback bekommt. Das sind eben auch Fanzines, die man schon seit Jahren auf der Toilette verschlingt. Aber es gab auch einiges an Kritik: Mein Gesang oder die politischeren Texte wurden häufiger bemängelt. Klar, mein Gesang ist nicht jedermanns Sache, was mich aber immer wieder überrascht ist, dass in diesem so genannten „Folk-Punk-Genre“, Bands oft besser wegkommen, die übers Saufen, „Mein Großvater ist Ire“ und solche peinlichen IRA-Sachen singen. Die klingen dann auch so, als ob sie die erste POGUES-Platte angehört haben und dann gleich eine Band aus dem Boden gestampft wurde. Deren Sänger hören sich auch gerne wie „Möchtegern-Shane McGowans“ an. Na ja, ich höre lieber auf mit dem Lästern. Ich meine, ich bin ja jetzt auch kein Intellektueller, dessen Texte nur so vor objektiven politischen Inhalten strotzen, aber man muss doch über solche Themen singen wie das mit dem Nix-Gut-Versand und dem Hakenkreuz-Prozess und dem Erstarken der rechten Szene oder überhaupt Rassismus. Man läuft doch schließlich nicht taub und blind durch die Gegend. Oh, sorry, eigentlich hast du ja gefragt, was wir erwarten und wohin unser Weg uns führt. Toll wäre natürlich, wenn wir auf größeren Festivals spielen und mal eine Tour zusammen mit den LEVELLERS oder der OYSTERBAND machen könnten. Der musikalische Weg führt uns auf der nächsten Veröffentlichung eher wieder in die straightere Folk-Punk-Ecke. Es soll eine EP mit ungefähr sechs Liedern werden, alle nicht länger als zwei Minuten, dafür aber Vollgas. Bei dem nächsten Longplayer darf man aber wieder auf einen bunten Mix gespannt sein. So, das zu den musikalischen Visionen. Als Band hoffen wir auf viele weitere gemeinsame Jahre, und dass wir gesund bleiben. Andreas, unser Bassist, wurde gerade das zweite Mal Vater und ich wohne seit Sommer wieder in Karlsruhe. Auch sind unsere drei Mädels dem Studentenstatus entrissen und müssen oder dürfen sich jetzt beruflich engagieren. Daher hoffe ich, dass wir es weiterhin auf die Reihe bekommen, konstant ein- bis zweimal die Woche zu proben, ohne dass der Spaß verloren geht.



„Treffer, versenkt!“ sprüht ja förmlich vor stilistischer Vielfalt. Da gibt es die bekannten punklastigen Folknummern, Songs, die einen starken Worldbeat-Bezug aufweisen, als auch Lieder die sogar vom Flamenco und Chanson beeinflusst sind. Wie sieht denn so der „typische“ Entstehungsprozess eurer Lieder aus? Gerade bei der angesprochenen Vielzahl musikalischer Einflüsse ist es oftmals sicher schwierig, alle Ideen „treffsicher“ umzusetzen.

Die meisten meiner Lieder entstehen erst mal im Kopf. Da schwirren immer sehr viele Melodien umher. Die setze ich dann mit meiner Gitarre in Akkorde um und gleich auf ein Stück Papier, damit das Ganze nicht verloren geht. Eine Melodie entspringt meistens, wenn mich ein Thema beschäftigt, ich dafür eine Überschrift - die dann oft den Refrain dieses Liedes ergibt - finde und diese dann unzählige Male im Kopf vor mich hin singe. Das hat als Nebenwirkung leider ein Übermaß an schlaflosen Nächten. Oft weiß ich dann anhand der Melodie, ob es in Richtung Punk, Reggae, Folk oder eher Mestizo geht. Für die treffsichere Umsetzung ist dann die ganze Band verantwortlich, die dankenswerter Weise aus sehr begnadeten MusikerInnen besteht. Claudia, unsere Gitarristin, hört selbst auch viel Mestizo, Dub oder die englische Anarcho-Reggae-Schiene und das ist schon sehr hilfreich. Der Gesang von Steffi tut natürlich sein Übriges. Da klingt alles noch zehn Mal so gut, wenn wir im Duett oder sie alleine singt. Das ist schon grandios. Marc, unser Akkordeonspieler, sorgt dafür, dass die Lieder nicht zu glatt und zu arg nach "Dur" klingen und Markus, unser Drummer, findet mit Andreas den passenden Rhythmus, der sich dann auch von den anderen unterscheidet. Daher klingen, finde ich, die Lieder auch so abwechslungsreich. Zusammen mit dem Geigenspiel unserer anderen Steffi ergibt das schon ein einzigartiges Spektrum. Aber nicht immer geschieht das so harmonisch, wie gerade dargestellt. Jeder hat da seine Vorstellungen und das trägt dann auch dazu bei, dass die Lieder sich schon sehr unterscheiden.

Über die nackte Musik hinaus, nehmt ihr in euren Texten stets klar definierte Positionen ein. Wo ergeben sich da inhaltliche Grenzen und auf welchen gemeinsamen Nenner könnt ihr euch in jedem Falle einigen?

Die inhaltlichen Grenzen und der gemeinsame Nenner kann ich in dem einen Wort „Verantwortung“ zusammenfassen. Wir sind im Schnitt, glaub ich, so etwa 33 Jahre alt und das bewahrt einen schon vor so manchem peinlichen oder unüberlegten Schritt. Meistens zumindest. Daher kommen Gewaltverherrlichung oder andere Sachen in diese Richtung erstmal nicht vor. Wenn Gewalt das Thema eines Textes ist, wie zum Beispiel in „An eye for an eye“ auf „Urban Pirate Soundsystem“, dann werfe ich das als Frage auf, die jeder sich selbst stellen und beantworten kann. Es gibt kein kollektives Bewusstsein. Also ich schreibe nicht einen Text, der für alle steht. Das geht ja auch gar nicht. Falls jemand in der Band anderer Meinung ist, dann kann es schon vorkommen, dass er das Stück darum auch nicht mitsingt. Wir haben alle eine unterschiedliche Sozialisation. Für manche ist es ganz normal, in besetzten Häusern, autonomen Zentren oder Bauwagenplätzen ein und aus zu gehen, für den anderen ist das eine ganz neue Welt. Als wir vor einiger Zeit mal angefragt wurden, auf einer alternativen Veranstaltung aufzuspielen, deren Organisatoren auf ihren Plakaten einen Hang zu Gewaltaufrufen in Richtung Polizei hatten, wurde das von uns abgesagt, da sich ein Bandmitglied damit gar nicht anfreunden konnte. Es war schon klar, dass der Aufruf eher Attitüde als ein Aufruf zur Gewalt war und so. Da ich schon eher lange in dieser „Szene“ bin und solchen Auswüchsen eher müde lächelnd gegenüber stehe, war das für andere was „Neues“ und zu weit weg. Wir haben den Gig abgesagt. Da nehmen wir schon Rücksicht aufeinander. Trotzdem sehen wir uns als eine so genannte „linke“ Band. Die Toleranzgrenze der anfangs „szenefremden“ Bandmitglieder ist in diesem Bezug im Laufe der Zeit schon etwas größer geworden. Die Sache mit der Anfeindung? Also, angefeindet wurden wir noch nicht. Aber das kann ja noch kommen. Gewisse Gästebucheinträge aus Richtung der anderen Feldpostnummer werden eher gelöscht als ernst genommen. Das Internet bietet eben Anonymität für so manche Entgleisung.



Wie gelingt es euch im „normalen Leben“ eurem eigenen textlichen Anspruch gerecht zu werden?

Da einige von uns im sozialen Bereich arbeiten, ist das mit dem Umsetzen des textlichen Anspruchs schon berufsbedingt. Nee, im Ernst: Die Einflussnahme beschränkt sich meistens erst mal auf das Künstlerische. Wir spielen und organisieren recht oft Benefizveranstaltungen, wie jetzt eben am 12. Oktober in der Wodanhalle in Freiburg. Die Erlöse gingen zugunsten des Rasthauses, „Ärzte ohne Grenzen“ und „Südwind e.V. Freiburg“. Da wir in den Hochburgen an die 400 Leute ziehen, bedeutet das oft Summen im vierstelligen Bereich. Am 29. September werden wir auf einer Tibet-Soli-Veranstaltung gespielt haben und Ende November noch eine Soli-Geschichte in Pforzheim. In meiner anderen Band ACROSS THE BORDER sieht es genauso aus. Im Substage in Karlsruhe spielten wir letzten Jahres ein Soli-Konzert für das Rasthaus in Freiburg und die Karlsruher AntiFa. Dazu wurde mit Tobi von Twisted Chords eine Live-CD zugunsten eben dieser Organisationen veröffentlicht. Auch das Substage gab noch was dazu. Da kam ein gigantischer Betrag zusammen. Außerdem geht man auf Demos, falls sie in der Gegend sind. Weitere Strecken fallen aufgrund begrenzter Freizeit eher aus. Da ich aufgrund meines „hohen“ Alters keine Zuschüsse bekomme, finanziere ich mein Studium mit zwei bis drei Jobs nebenher. Dazu die Musik und eine Fernbeziehung, die gepflegt sein will, und schon ist man bei einem 34-Stunden-Tag. Natürlich geht man nicht zu Fastfoodketten und unterstützt eher kleinere Läden, kauft Fair-Trade und versucht, so autonom wie möglich zu leben und so weiter. Man organisiert Konzerte für andere Bands, oder legt mal als DJ auf einer Soli-Veranstaltung Musik auf. Das Übliche halt.

Wie haltet ihr euren „Bandorganismus“ zusammen? Wie darf sich der/die Interessierte denn das Universum von AHEAD TO THE SEA vorstellen?

Wir sind ja sieben Menschen bei AHEAD TO THE SEA, aber trotzdem gelingt es uns meistens, alles unter einen Hut zu bekommen. Ich glaube es liegt daran, dass uns unsere Musik unglaublich viel Spaß macht und wir eben auch schon ein gewisses Alter haben, das zwar vor Torheit, zum Glück, nicht schützt, aber eben unsere egozentrische Veranlagung erstmal hinter die Band stellt. Mit dem „Sex und Drogen und Rock’n’Roll“ hat man es auch nicht mehr so. Da ein Kater in unserem Alter mittlerweile drei Tage anhält, beschränkt man sich auf ein paar Bierchen. Ausnahmen bestätigen hier nur die Regel. Dass es auch Reibungen gibt, habe ich ja schon vorhin erwähnt. Das ist auch gut so, da ja jeder seine eigenen Bedürfnisse hat und die sind eben unterschiedlich und die muss er/sie auch vertreten. Sonst wären wir als Menschen unglaubwürdig. Bei uns habe ich auch eher das Gefühl, dass wir voneinander lernen, wenn es zu einem Streit kommt. Jeder von uns ist auch in seinem „richtigen“ Leben mehr als eingebunden. Da muss man natürlich ein organisatorisches Talent haben, um sich und seinen Ansprüchen gerecht zu werden. Unsere Partner werden deshalb als Merchandiser, Roadies und Fahrer verpflichtet und Proben werden gestaffelt organisiert: Wird ein neues Lied gemacht, reicht es zunächst, wenn Gitarre, Schlagzeug und Gesang da ist. Da können die anderen auch eine Stunde später kommen oder erst in der nächsten Probe anwesend sein. Da ist es auch von Vorteil, dass wir sieben Leute sind. Konzerttechnisch haben wir eine Abmachung, dass wir unseren Radius nicht zu sehr ausweiten. Also alles zwischen Frankfurt, Stuttgart, Konstanz und Zürich. Dann einmal im Jahr eine kleinere Tournee. Das hat bis jetzt gut hingehauen. So sind alle in der Nacht oder spätestens am nächsten Tag wieder bei Partner, Kind und Job. Und eben auch glücklich und zufrieden. Und das ist doch die beste Grundvoraussetzung.

Zu guter Letzt euer Statement zum guten alten Punk. Ist Punk noch Punk? Was definiert und was sollte Punk im Jahr 2007 definieren?

Punk ist für mich, wenn man in den Spiegel schauen kann und jemanden sieht, der sich nicht verkauft hat, der nicht der Werbung inklusive gängiger Meinung hinterhergelaufen, sondern seinen eigenen Weg gegangen ist. Punk ist: Arsch hoch. Und nicht: saufen, Nase pudern und Pillen schlucken. Die Szene erhalten durch eigene kreative Ideen, jenseits von Mode und Geldbeutel ... Punk bedeutet Solidarität mit Schwächeren, die sich durch Taten definiert, nicht nur durch Worthülsen und Parolen. Der Versuch die Welt ein klein wenig zum Besseren hin zu verändern. Punk ist aber auch lachen, tanzen und feiern. Peinlich sein und Selbstironie. That’s it!