Ein Abend mit ADOLAR ist immer eine Bereicherung. Woran das liegt, ist schwer in Worte zu fassen. ADOLAR sind Energie, Euphorie, Melancholie ... und das genaue Gegenteil von Einheitsblala. Die neue Platte „Die Kälte der neuen Biederkeit“ mit der Single „Halleluja“ ist ein Wettern über die Verklemmtheit der Menschen in diesem Lande. Die Band nennt das „Neue Biederkeit“, und der gilt es zu entfliehen, sie soll bekämpft werden.
Was ist diese „Neue Biederkeit“, worin äußert die sich?
Tom: Die sehen wir nicht unbedingt nur bei unserer Generation, sondern einfach bei allen. Die Menschen passen mit der aktuellen deutschen Regierung gut zusammen. Man spielt vor, dass alles super ist, ist dabei total rausgeputzt und gestriegelt, aber eigentlich nicht wirklich menschlich. Nur wenn die Leute dann mal nicht nüchtern sind, brechen sie zusammen. Ansonsten sind sie kälter und verkrampfter denn je, tun aber so, als ob dem nicht so wäre. Dazwischen kann ich mich nicht wohlfühlen, und darum geht’s bei dem Album. Das wird aber gar nicht unbedingt angegriffen. Ich ärgere mich fast, dass ich nicht in irgendeiner Textzeile singe, dass die Leute eigentlich mal wieder mehr Flaschendrehen spielen sollten. Manchmal ertappt man sich auch bei der Erfüllung irgendwelcher Verhaltens- und Denkmuster, so wie es gerade vom System vorgegeben wird. Es geht ständig um das Erreichen irgendwelcher Ziele, dieser Druck ist immer da.
Eure neues Album scheint eine Art Drei-Akter-Struktur zu haben. Es fängt mit „Rauchen“ sehr düster an, wird zur Mitte hin mit „Halleluja“ eher satirisch und zum Ende hin geht es stimmungsmäßig wieder bergab.
Tom: Wenn man das Album in drei Akten sieht, dann ist da zuerst ein Leiden ob der Umgebung. Aus dem Leiden wird früher oder später Zorn und man schießt um sich. Das Gefühl war auf unseren ersten beiden Alben eigentlich genauso. Am Ende gibt man entweder für immer oder aber nur kurzzeitig auf und bricht einfach zusammen.
Ich war etwas irritiert von dem, wie ich finde, für euch recht untypischen Song „Nach Schweden ziehen“. In dem Text wird eigentlich nur ein Mensch besungen, der besonders schön ist. Geht es tatsächlich nur darum oder steckt da noch was anderes hinter?
Tom: Ich weiß es selbst nicht so richtig. Manchmal ist das wirklich ein Liebeslied. Manchmal denke ich da an einen Stalker, der jemanden mit einer Axt erschlagen will, weil er nicht toll gefunden wird. Und manchmal habe ich das Gefühl, dass ich mich über Leute lustig mache, die das Verliebtsein in dem Moment als so etwas Gewaltiges empfinden. Beim Schreiben des Songs wollte ich mich manchmal über so typische Liebeslieder lustig machen und später dann meinte ich es doch ernst.
Ich habe das Gefühl, dass ihr euch musikalisch von Platte zu Platte immer mehr in Richtung Pop öffnet.
Frank: Das liegt einfach daran, worauf wir gerade Bock haben. Ich wollte gerne eine Platte machen, die nicht so durchgehend ist. Live hab ich oft das Gefühl, dass an sich alles geil ist, ich aber gerne mal einen Song hätte, der vom Tempo her durchgehend und nicht so voller Breaks ist. Ich hatte auch den Eindruck, dass bei den vorherigen Platten von der Melodie und vom Arrangement viel untergeht, weil da so viel Energie war. Die Leute denken dann, dass der Song einfach nur laut und energiegeladen ist, aber da passiert ja schon immer eine Menge. Für mich war es wichtig, dass eben diese Details mehr durchkommen und die Musik mehr atmen kann. Poppig waren wir eigentlich schon immer, aber diese rhythmische Stetigkeit sorgt vielleicht dafür, dass die Musik zugänglicher wird. Aber vielleicht wird die nächste Platte wieder total frickelig, man weiß es nicht.
Tom: Am Anfang hat uns das ein bisschen verwundert, aber nach kurzer Zeit gefiel das immer mehr. Der Song „Diesig“ war zum Beispiel relativ schnell fertig und die Stimmung hat mir so gut gefallen, dass ich die anderen bekniet habe, nur solche Songs auf die Platte zu packen. Selbst „Halleluja“ war anfangs langsam und mit Klavier gespielt. Es hat sich eben so entwickelt.
Ich hab mich bei intensiven, persönlichen Songs wie „Wein ist meine Jacke“ von der letzten oder „Kanüle“ von der neuen Platte gefragt, ob es nicht sehr schwer ist, so was vor vielen Leuten zu spielen.
Tom: Nee, das ist überhaupt nicht schwer. Ganz ehrlich – es ist viel einfacher als bei jedem anderen Song. Ich weiß aber auch nicht wirklich warum.
Frank: Egal, wie beschissen das Konzert war und wie schlecht wir reingekommen sind, löst sich die Spannung in dem Moment, in dem wir den Song spielen. Der Song bietet Raum für uns zum Ausbrechen und den Kopf auszuschalten. Erst am Ende merkt man, dass die Leute das doch gern zu mögen scheinen. Der Prozess beim Schreiben von so einem Song ist auch anders, man ist viel freier und weniger verkopft.
Wenn das Heft erschienen ist, habt ihr beim Bundesvision Songcontest von Stefan Raab gespielt. Wie kam es dazu?
Frank: Es ist ein Experiment, wir wollen uns das einfach mal angucken. Wir haben uns da angemeldet, um zu sehen, was passiert. Wir haben nicht damit gerechnet, dass daraus was wird, aber die haben uns tatsächlich genommen und jetzt machen wir das auch. Wir wollten mal bei Stefan Raab sitzen und wissen, wie das ist. Außerdem bedienen wir nicht das Klischee, das viele andere Bands erfüllen. Also erzählen, wie geil unser Bundesland ist, irgendwelche abgefahrenen Posen machen und sich krass darauf vorbereiten. Wir gehen da so hin, wie wir sind, und ich denke, das ist dann schon anders genug.
Hinterher habt ihr sicher was zu erzählen. Welche Erlebnisse in eurer gemeinsamen Zeit als Band findet ihr bemerkenswert?
Frank: Es sind die Momente, wenn du merkst, dass die Leute sich für dich interessieren. Darum macht man das im Endeffekt und das nutzt sich auch nicht ab. Es kommt dabei auch nicht auf die Menge an. Wenn nur ein Mensch nach dem Konzert zu uns kommt und erzählt, wie gut es ihm gefallen hat, ist das toll. Oder wenn dir ein frisch verheiratetes Ehepaar erzählt, dass sie mit einem Song von uns total viel verbinden. Da merkst du, dass es irgendwo ankommt.
Tom: Für mich ist der allerschönste Moment, wenn wir im Proberaum sind und am Anfang merken, dass alle eigentlich nicht so gut drauf sind und man gar nicht so große Lust auf den anderen hat. Wenn man dann anfängt zu spielen und spürt, dass sich nicht durch Unterhaltungen, sondern durch die Musik die Stimmung total aufhellt, ist das wunderbar.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #109 August/September 2013 und Bianca Hartmann
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #89 April/Mai 2010 und Christoph Schulz
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #98 Oktober/November 2011 und Bianca Hartmann