Was kann man tun, wenn man umgeben ist von langweiligen Menschen und sich auf den ewig gleichen Partys einfach ein bisschen fehl am Platz fühlt? Es braucht Freunde und es braucht Ideen, und das wissen ADOLAR wohl nur zu gut. Vier enge Freunde aus Leipzig und Halle, die es geschafft haben, sich eine Sonderposition zu erspielen und denen solche Dinge dabei anscheinend völlig egal sind. Es hat wenig Sinn, bei dieser Band nach Vergleichen zu suchen, denn es gibt sie schlichtweg nicht. Ob es einem nun gefällt oder nicht – ADOLAR sind was Besonderes und dasselbe gilt auch für ihre zweite Veröffentlichung „Zu den Takten des Programms“. Diese liefert Grund genug, mal zu versuchen herauszufinden, wie das alles funktioniert.
Beim Rocken am Brocken-Festival ist das Publikum bei euch ziemlich ausgerastet, was ja ein Zeichen dafür sein könnte, dass ihr nun bekannter werdet. Generell ging bei euch ja alles sehr schnell. Ihr habt euch 2008 gegründet und bringt jetzt schon das zweite Album heraus. Macht euch das vielleicht auch Angst oder empfindet ihr das selbst gar nicht so?
Tom: Wir haben diesen Sommer das erste Mal eine Festival-Zeit, da ist man vorher ohne Booker gar nicht rangekommen. Rocken am Brocken war das erste mehr oder weniger große Festival. Die Leute waren sehr gut drauf, das war aber nicht erschreckend, sondern einfach schön. Ob wir jetzt bekannter werden, weiß ich nicht.
Auf der neuen Platte gibt es den Song „Schreib etwas auf“ und der ist ja schon ein Dissen in Richtung Musikjournalismus. Habt ihr selbst schlechte Erfahrungen damit gemacht oder ist da eher was Allgemeines, das euch nervt?
Frank: Wir haben gute Erfahrungen gemacht, aber eben auch so grenzwertige, weil die Leute unsere Musik etwas komisch ausgelegt haben. Da werden immer so Sachen in einen Topf geworfen. Zum Beispiel MUFF POTTER, ganz egal, wie gut diese Band jetzt ist, aber ich finde, wir klingen überhaupt nicht wie die. Nur weil wir eine deutsche Band sind, kann man ja nicht sagen, dass wir klingen wie MUFF POTTER. Bei deutschsprachigen Bands wird immer sehr auf den Text geachtet und weniger auf die Musik eingegangen. Das stört mich ein bisschen. Manchmal ist es einfach unpassend.
Tom: Was die Entstehung dieses Songs betrifft, so saß ich alleine im Proberaum und habe pro Basston, den ich spiele, ein Viereck auf mein DIN-A4-Blatt gemalt und irgendwann jedes Viereck mit einer Wortsilbe gefüllt. Das Endergebnis klingt jetzt eventuell nach Musikjournalismuskritik, und einige Rezensionen oder Artikel, die von irgendwem über irgendwas geschrieben werden, können ja nun mal auch abgrundtief toll oder unbeschreiblich widerlich sein. Den Großteil der ekelhaftesten Leute findest du aber gewiss beim Radio. Diejenigen, die flache, einfallslose Scheiße, an die sie eigentlich selbst nicht glauben, durch die Kanäle pusten.
In einem Artikel über euch wird Frank mit der Aussage zitiert, dass ihr eine Gruppe von Träumern seid. Heißt das, ihr seid verträumte Typen, oder gibt es vielleicht bestimmte Ziele, die ihr mit ADOLAR erreichen wollt?
Frank: Das meinte ich eher allgemein. Wir leben ein bisschen in einer Blase. Wir sind vier Menschen, die ständig sehr dicht zusammen sind. Da entwickelt man eigene Sprachen und so was. Wir schweben so durch die Welt und denken, niemand kann uns was anhaben. Etwas hippiemäßig. Wir sind halt manchmal fernab von jeder Realität.
Tom: Wir sind eine Gruppe von Freunden und das schon lange. Als ich Frank kennen gelernt habe, waren wir zwölf. Jan und Micha kennen sich auch schon seit zehn Jahren.
„Zu den Takten des Programms“ ist ja eine ganze Ecke düsterer geraten. Was ist für euch die wichtigste Veränderung im Vergleich zu „Schwörende Seen, ihr Schicksalsjahre“, abgesehen vom Live-Recording?
Frank: Musikalisch ist es schlüssiger, man steigt leichter ein, aber in sich ist es doch komplexer. Es ist cool, dass wir das hinbekommen haben. Man kann die Platte gut durchhören, aber es passiert doch sehr viel. Wir haben uns beim Songwriting auch darauf konzentriert, die Struktur schlüssig zu halten und dann einfach alles in die Details reingelegt. So funktioniert die Platte für mich.
Micha: Die meisten Leute empfinden die neue Platte auch als kurzweiliger. Wir trauen uns auch, die Ideen ein bisschen mehr auszureizen. Wir bleiben halt an bestimmten Parts mehr dran.
Man liest ja häufiger, dass ihr verkopfte und komplizierte Musik macht. Wie viel denkt ihr tatsächlich darüber nach?
Tom: Wir denken eigentlich gar nicht darüber nach. Bei uns kommt niemand mit so einem Lagerfeuer-Prototypen-Song an. Seit wir die Band gegründet haben, ist das einfach in unserem Songwriting drin.
Frank: Es funktioniert auch intuitiver, als man vielleicht glaubt. Wir sitzen nicht mit dem Rechner da. Alles, was wir machen, ist einfach unsere musikalische Sprache. Klar haben wir etwas dran gedreht und geschraubt, aber die Ideen entstehen eigentlich impulsiv zwischen uns im Proberaum. Es mag verkopft wirken, ist aber schon Bauchsache.
Micha: Wir sind ja auch Hörer unserer eigenen Musik, und wenn man dann denkt: „Ach nee, das ist so ausgelutscht“, versucht man es so zu machen, wie man es sich selbst gern anhören würde. Also nicht immer Strophe und Refrain, sondern auch mal anders und da ist man schon mal selbst erstaunt, wie viel interessanter es das macht und dadurch auch gar nicht mehr so dem Klischee entspricht. Das macht uns auch beim Spielen mehr Spaß.
Die Texte sind ja schon zugänglicher und verständlicher geworden. War das auch so beabsichtigt?
Tom: Eigentlich dachte ich schon beim ersten Album, dass alles klar wäre. Anscheinend ist das nicht so. Ich habe bei der ersten Platte einfach aufgeschrieben, was mich beschäftigt hat, und die haben wir ja auch in nur drei Wochen geschrieben. Dann ging’s ins Studio, wir haben die Musik aufgenommen und ich hatte noch keine Texte. Eine Stunde vor der Gesangsaufnahme habe ich dann draußen die Texte geschrieben und dabei alles zusammengefasst, was mich beschäftigt hat. Das war sehr intim. Du meinst, das wäre auf dem neuen Album leichter zu verstehen ... Vielleicht weil es nicht mehr so intim ist und ich eher ein Leben geführt habe, dass andere auch leben, wo man sich über DJs, Kommilitonen oder Nebenjobs aufregt. Beim ersten Album hatte ich einfach ein ganzes Jahr in meinem kleinen Zimmer im Wohnheim gehockt und darüber geschrieben. Vielleicht erleben das einfach nicht so viele und deswegen ist es weniger nachvollziehbar.
Das war also nicht so, dass du dachtest: „Da muss was anders werden“?
Tom: Das klingt vielleicht aufgesetzt, aber bei uns denkt nie jemand darüber nach, wie irgendwas wirken soll.
Frank: Wer auf Wirkung setzt, verfehlt sie garantiert.
Hattet ihr vor Beginn der Aufnahmen zur neuen Platte denn konkrete Vorstellungen, wie sie werden soll, gab es einen Plan?
Tom: Ich habe zu Micha gesagt, dass ich es gut finden würde, wenn das neue Album ein bisschen schneller und lauter wird, und Jan wollte, wenn wir schöne Parts haben, dass wir sie auch länger halten. Alle anderen fanden es scheiße, vorher zu sagen, wie irgendwas werden soll. Am Ende ist es dann aber wirklich so geworden, wie wir uns das gewünscht hatten.
Hattet ihr das Gefühl, dass euch von Seiten der Fans oder auch der Presse jemand Druck macht, was das zweite Album angeht?
Micha: Nee, eigentlich gar nicht. Wir hatten richtig Bock. Nach der langen Tour gab es erst mal so ein Vakuum, weil man keine Ideen mehr hatte. Es war dann aber interessant zu sehen, wie wir wieder in den Tritt kommen und neue Ideen entwickeln. Von dem, was daraus entstanden ist, waren wir selber überrascht.
Das ging ja dann doch auch sehr schnell.
Micha: Ja, die ersten Schritte waren aber schon zäh. Man schraubt ein bisschen an den Songs und irgendwann ist man wieder drin. Von da an ging’s wie von selbst.
Tom: Ich weiß nicht, ob es Erwartungen von außen gab, und das war uns eigentlich auch völlig egal. Wir schreiben irgendwie immer Songs. Wir haben uns keinen Druck gemacht und leben eh in unserer eigenen Welt. Der krasse Unterschied ist einfach, dass wir das erste Album in drei Wochen geschrieben haben und das zweite innerhalb von zehn Monaten.
Hat sich etwas an eurer Arbeitsweise im Studio verändert?
Frank: Es hat sich auf jeden Fall einiges verändert. Der Witz war, dass uns häufiger gesagt wurde, dass wir live geil sind, das Ganze auf Platte aber irgendwie klinisch und konstruiert klingt. Da haben wir uns gesagt: Gut, wir können auch anders. Wir spielen das einfach live ein, alle zusammen. Wie im Proberaum, und das war halt der Unterschied. Wenn man das zusammen live einspielt, entsteht ein ganz anderes Gefühl und das war ziemlich cool. Vorher hatten wir Angst, weil es schwieriger wird und man mehr proben muss. Sobald sich jemand verspielt, ist es halt vorbei. Es hat dann aber gut funktioniert und wir waren besser vorbereitet, als wir dachten. Wir haben zehn Tage gebucht und waren nach sechs Tagen Studio im Großen und Ganzen fertig. Danach haben wir noch einen Extra-Song aufgenommen und ein bisschen Quatsch gemacht.
Ihr seid in den letzten zwei Jahren sehr viel getourt und es gibt, wie ihr auch schon sagtet, Leute, die euch live einfach geiler finden. Ist euch das Touren wichtiger als das Studio?
Micha: Das ist gleichberechtigt. Im Studio entstehen ja noch mal ganz neue Ideen und man kann so ein bisschen rumspielen, aber die Umsetzbarkeit dessen live ist auch reizvoll. Dass man halt überlegt, wie es sich live übertragen lässt und was man vielleicht weglässt. Es ist beides interessant und uns eigentlich gleich wichtig.
Jan: Dadurch, dass wir die neue Platte live eingespielt haben, ist das auch eine Annäherung an das Live-Spielen auf der Bühne.
Tom: Einige Leute haben halt immer gesagt: Ihr seid live geil, die Platte ist auch cool, aber es kommt live einfach noch besser. Obwohl das ein Kompliment sein soll, haben wir es als Kritik genommen und dachten, dass wir irgendwas anders machen müssen, und da haben wir uns auf Live-Recording geeinigt. Wenn ich jetzt die beiden Platten höre, klingt das aber gar nicht so sehr anders. Ich glaube, wir sind einfach gute Musiker.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #109 August/September 2013 und Bianca Hartmann
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