Langsam, aber sicher wird es übersichtlich in der Rock’n’Roll-Parallelwelt. Zwar ist Garagerock beliebter denn je, mittlerweile fest in der Indie-Szene integriert und feiert sogar in den Charts kleine Erfolge. Doch von den alten Helden, die diesen Sound wieder salonfähig gemacht haben, hört man nicht mehr viel. So sind die HELLACOPTERS Geschichte, genauso wie GLUECIFER oder ROCKET FROM THE CRYPT. Nun lösen auch die vier Herren von ADAM WEST ihre Band auf. Diese verabschieden sich mit Stil, in Form eines grandiosen Albums namens „ESP: Extra Sexual Perception“.
Gegründet wurde die Band 1991 von Sänger Jake Starr in Washington D.C.. Seitdem hat man unzählige Aufnahmen veröffentlicht und fast ebenso viele Bandmitglieder verschlissen. Jake Starr benannte die Band nach dem amerikanischen Batman-Darsteller aus den 60er Jahren, was als augenzwinkernde Hommage zu verstehen ist. Denn der Frontmann hat sein Idol mit acht Jahren auf einer Automobil-Show sehen und treffen dürfen und er und sein Batmobil haben einen immensen Eindruck bei dem kleinen Jungen hinterlassen. Rockexperte Bolle Selke vom Hochschulradio Köln Campus und Arndt Aldenhoven trafen die Band Ende Oktober im Kölner Sonic Ballroom kurz vor ihrem Gig der Abschlusstour, in Gestalt von Starr und seinen drei Kumpanen, Bassist Steve, Schlagzeuger Jim Sciubba und Gitarrist Mario Trubiano.
Was sind die Gründe, dass ADAM WEST sich nach siebzehn Jahren auflösen?
Jake: Das ist hauptsächlich meine Entscheidung, ich mache das ja schon seit etlichen Jahren. Doch Musikmachen ist nicht alles für mich, ich habe noch ein Leben neben der Band. Außerdem bin ich kein junger Mann mehr. Es ist die beste Entscheidung für mich, nun aufzuhören, nachdem wir ein großartiges Album aufgenommen haben.
Was machst du denn neben der Band?
Jake: Ich arbeite in Washington für die Kongressbibliothek, habe also einen ganz normalen Job, der nichts mit Rock’n’Roll zu tun hat. Deswegen wird es von Jahr zu Jahr schwieriger, nach Europa zu kommen. Denn jedes Mal muss ich das mit meinem Job arrangieren und meine Frau mag es nicht, wenn ich unterwegs bin.
Steve: Dein Körper genauso wenig.
Jake: Richtig, hehe. Touren ist schwerer, als man meint. Jeder denkt, es wäre eine einzige Rock’n’Roll-Party, aber man ist nur ungefähr eine Stunde auf der Bühne. Die anderen 23 Stunden sind einfach nur Kopfschmerz, Not, Pein und so weiter. Es ist sooo hart! Haha!
Jim: Und du musst drei andere Arschlöcher ertragen!
Steve: Genau!
Wie geht es nach ADAM WEST mit den anderen Mitgliedern weiter? Soweit ich weiß, habt ihr noch andere Projekte.
Jim: Richtig, ich spiele Schlagzeug und bin Leadsänger bei CHANNEL 43. Die Band habe ich vor fast zehn Jahren gegründet. Ich spiele noch Schlagzeug bei TWELVE STEP REVENGE und Mario und ich haben eine neue Band namens BORRACHO am Start. Die geht mehr in die Stoner-Richtung.
Steve: Ich spiele noch bei den ASSROCKERS Gitarre, da bin ich jetzt seit sieben Jahren dabei.
Was war überhaupt 2008 los? Erst trennen sich die HELLACOPTERS, dann kurz darauf ihr ...
Jake: Ich glaube, Nicke hat sich vor uns dazu entschlossen. Meine Entscheidung hat damit nichts zu tun. Ich finde es schade, dass die HELLACOPTERS nicht mehr weitermachen, da sie eine meiner Lieblingsbands waren. Die NEW BOMB TURKS sind auch Geschichte.
Steve: ROCKET FROM THE CRYPT und CANDY SNATCHERS ebenfalls.
Was ist denn dann noch der „Hot Shit“, der übrig bleibt, außer den FLAMING SIDEBURNS?
Jake: Die SEWERGROOVES, die sind vor ein paar Jahren nach Amerika gekommen, konnten dort aber nicht Fuß fassen, weil niemand ihre Platten gekauft hat. Die BELLRAYS sind immer noch da, genauso wie ELECTRIC FRANKENSTEIN.
Steve: Und natürlich die SUPERSUCKERS! Ein anderer Grund, weswegen wir uns auflösen, ist, dass keiner irgendwelche fetten alten Männer auf der Bühne sehen will. Wir gehen zur richtigen Zeit.
Die HELLACOPTERS haben nach ihrer Auflösung allerdings noch eine Dokumentation über ihre Band gedreht. Habt ihr so etwas auch in Planung?
Steve: Ich weiß gar nicht, ob irgendjemand so etwas überhaupt sehen will.
Jake: Zumindest weiß ich, dass ich nicht dafür verantwortlich sein will, so etwas zusammenzustellen. Das ist verdammt viel Arbeit. Die HELLACOPTERS haben Leute, die das für sie machen und das ist eine großartige Sache, aber wir haben leider niemanden dafür. Unsere allerletzte Show in Washington wird aber gefilmt und jeder von uns und ein paar andere Leute werden dazu interviewt. Wenn People Like You so etwas herausbringen würden, das wäre es super.
Und was wären eure Tips für eine gut funktionierende Band?
Jake: Wir schreiben die Songs, die wir schreiben wollen, sonst wären wir auch gar nicht so lange dabei geblieben. Wir fragen uns nicht: „Was machen die HELLACOPTERS oder DANKO JONES gerade? Wir sollten auch so einen Song schreiben.“
Steve: Hauptsache, es beleidigt jemanden!
Mehrere Songs auf eurem Album tragen sexuell aufgeladene Titel wie „I already fucked you ... in the future“ oder „When girls collide“. In dieselbe Kerbe schlägt der Albumtitel „ESP: Extra Sexual Perception“, also „Außersexuelle Wahrnehmung“. Für mich klingt das wie „alt und notgeil“ ...
Jake: Haha, ja genau das sind wir, Mann, da hast du absolut Recht. Die dämlichen Texte und Songtitel stammen von mir, und ich tendiere dazu, fast alle dummen Ideen in Songtexte umzuwandeln. Ich habe mich auch nie so gefühlt, als wäre ich ein zweiter Bono, der politische Songs schreibt. Das ist einfach nicht mein Ding. Bei ADAM WEST geht es um Spaß und Rock’n’Roll, um Unterhaltung mit einem sehr ironischen Unterton. Wir nehmen zwar unsere Musik ernst, aber Rock’n’Roll ist andererseits auch recht dümmlich. Ich weiß nicht, ob du uns live schon einmal gesehen hast, aber auf der Bühne ziehe ich die ganze Rockstar-Ego-Masche durch. Und das ist lustig. Aber wenn man es nicht versteht, dann natürlich nicht.
Jim: Es scheint so, als hätte Rock’n’Roll generell ziemlich viel von dem Spaß- und Party-Beigeschmack verloren in den letzten paar Jahren. Mit dem Zeug, was wir machen, revitalisieren wir quasi diesen Ursprungsgedanken. Damals in den 70ern und 80ern ging es ums Feiern, dann kamen die 90er und jeder wurde auf einmal ziemlich depressiv.
Steve: Es geht aber mehr um die Aussage, die bei uns dahinter steckt. In den 80ern ging es inhaltlich nur ums Feiern und darum, sich zu amüsieren. Aber wenn du dir die Bands mal anschaust: die haben sich so dermaßen ernst genommen, dabei aber verdammte Eyeliner, bescheuerte Frisuren und Spandexhosen getragen! Wie kann man das ernst nehmen? Wir nehmen also unsere Musik ernst, aber nicht diesen „Rock’n’Roll Lifestyle“.
Wie ernst aber nehmen euch nun die Leute?
Jake: Dazu musst du dir darüber im Klaren sein, wo ich herkomme. Ich lebe in Washington D.C., der Heimat von Dischord, Emo und der schlimmsten, langweiligsten, politisch korrekten Bullshit-Leute, die du je in deinem Leben getroffen hast. Das sind Leute, die es nicht zugeben würden, eine BLACK SABBATH-Scheibe zu besitzen. Denn das könnte „uncool“ sein. Aus so einer Umgebung komme ich und sie ist ein Grund dafür, warum ich ADAM WEST gegründet habe. Und um diese Leute anzupissen mit der Band. Außerdem gibt es sonst keine einzige Gute-Laune-Rock’n’Roll-Band in Washington.
Steve: Und wir machen einen verdammt guten Job.
Jake: Deshalb schreibe ich Songs wie „ I already fucked you ... in the future“, in der Hoffnung, dass irgendein Emo-Girl in Washington diesen Titel liest und anfängt zu heulen, hähähä. Und das wärmt mir das Herz!
Steve: Wir mussten sogar unser Tourposter umändern.
Mario: Ja, denn es war zu „obszön“.
Jake: Das war allerdings nicht in Washington, sondern vor ein paar Tagen in Basel, in so einem Hippie-Club, in dem wir gespielt haben. Die mussten unbedingt ein eigenes Poster für das Konzert machen, da auf unserem ein nacktes Spacegirl zu sehen war. Die ultrapolitischen Girls in Basel haben uns gesagt, dass wir auf gar keinen Fall das Poster aufhängen dürfen. Mit so einem Blödsinn müssen wir uns rumschlagen. Und das ist es, was sie stattdessen gemacht haben. (Er zeigt einen kleinen schwarz-weißen Flyer mit verdammt vielen gemalten nackten, durchtrainierten Männern darauf.) Fünfzehn superschwule Superhelden, das ist also okay?
Was soll das Cover eigentlich aussagen? Dieses Pin-up-Girl aus den 60ern vor einem großen grünen Auge ...
Steve: Es gibt eigentlich zwei verschiedene Cover. Einmal das der CD, wovon du gerade sprichst. Das stammt aus einem Buch, welches ich besitze. Ich habe eine große Sammlung älterer Bildbände, wo ich dieses Bild gefunden habe, bei dem ich mir direkt dachte: Das passt, das ist die „Extra Sexual Perception“! Das Problem war nur: das Original war sehr, sehr klein. Deswegen konnte man es nur für die CD verwenden. Also haben wir für die LP ein anderes Artwork verwendet. Paul Bernate, ein Freund aus D.C., hat es gemacht, und zu sehen ist ein Raumfahrer, der eine seltsame Knarre in der Hand hat, und über ihm ist dieses Spacegirl. Drumherum sind Planeten, Nebel und Spiralen. Es sieht aus wie das Cover eines alten Science-Fiction-Romans aus den 50er Jahren. Und das war das Cover, das die Girls aus Basel nicht mochten. Es war wohl zu sexy oder so ...
Ihr seid oft durch Europa getourt. Warum gerade hier? Gibt es eine bestimmte Faszination für Europa?
Jake: Erstens, weil hier der Rock’n’Roll niemals gestorben ist, und auch Metal ist immer noch sehr populär. In Amerika werden all diese Arten der Rockmusik in den Underground verdrängt. In den 80ern und 90ern brachten MTV und die Plattenfirmen HipHop an die Spitze, Boy-Bands und Britney Spears und die ganze Scheiße – in Europa ist das anders. Der zweite Grund ist, dass Amerika sehr, sehr groß ist, was es schwieriger macht, dort zu touren. Grund drei: Wenn du keine Plattenfirma hast, die dir Geld und Toursupport bietet, dann kannst du in Amerika erst recht nicht touren. Außer, du bist reich und kannst dein ganzes Geld ausgeben. Außerdem sind wir ja hier gesignt, bei People Like You, einem deutschen Label. Also: unser Label ist hier, ein Großteil der Fanbasis ist hier, die Booking-Agentur ist hier. In Amerika machen wir nur vereinzelt Touren, ansonsten verliert man Geld.
Steve: Geld machen wir allerdings auch nicht wirklich, wenn wir in Europa sind. Aber es ist viel spaßiger, hier zu touren.
Jim: Und ihr habt hier viel besseres Bier!
Arndt Aldenhoven, Bolle Selke
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