Das Hope Kollektiv aus Dublin, Irland hat zwischen 1987 und 1999 jede Menge guter Konzerte mit Bands wie z. B. FUGAZI, NOMEANSNO, GORILLA BISCUITS veranstaltet – mit dem Grundsatz „to provide good music for the greatest number of people at the lowest price possible and to always remain outside of corporate structures“. Niall McGuirk, einer der Hauptakteure von Hope, hat auch das Buch „Document: A Story Of Hope - A collection of vegan recipes and stories from the independent Dublin music scene“ herausgebracht. Grund genug, mich mal mit Niall zu unterhalten.
Niall, kannst du zuerst etwas zu Hope erzählen? Welche Idee steckte dahinter? Wie viele Leute waren dabei? Dein Background?
„Hope tauchte das erste Mal 1987 als Name auf einem Poster auf. Ich begann damit, Konzerte zu veranstalten, als ich eine Band hatte, die Auftrittsmöglichkeiten suchte. Das war 1984. Es ergab sich dann, dass ich auch anderen Leuten geholfen habe, Gigs zu organisieren. Im Laufe der Zeit hat es sich herumgesprochen, dass ich Ansprechpartner für Bands bin, die auftreten wollen. Ich war derjenige, der am meisten involviert war, aber es gab immer vier oder fünf Leute, die mir beim Organisieren geholfen haben. Schließlich waren wir 10 bis 15 Leute für die unterschiedlichsten Konzerte, und 1996 gründeten wir dann das Hope-Kollektiv. Die Idee war zu versuchen, mehr Leute an Entscheidungen teilhaben zu lassen und sie auch organisatorischen Kram erledigen zu lassen, und nicht nur auszuhelfen, wenn gerade jemand gebraucht wurde. Meine Wurzeln sind definitiv in der Punkrockmusik zu finden. Bands wie CRASS und FLUX OF PINK INDIANS haben mich sehr beeinflusst. Ich fühlte mich als Teil einer Gemeinschaft, die sie zu schaffen versuchten. Bands wie diese wollten die Welt durch ihre Musik verändern, und ich wollte daran teilhaben. Für mich war ein Konzert zu organisieren nicht nur eine Form von Unterhaltung, ich wollte damit Informationen verbreiten. Ich wollte, dass unsere Gigs ein Platz sein sollten, wo die Leute, die zum Konzert kamen, genauso wichtig waren wie die Bands, die spielten. Im Laufe der Zeit hörte ich dann immer mehr amerikanischen Hardcore und wollte natürlich, dass diese Bands auch in Irland spielen. So kam es, dass ich Bands wie z. B. FUGAZI half, hier Auftrittsmöglichkeiten zu bekommen.“
Warum gibt es 2003 Hope in dieser Form nicht mehr?
„Ich habe 1999 aufgehört, Konzerte zu veranstalten. Als unser erstes Kind geboren wurde, habe ich mich vom aktiven Part im Hope-Kollektiv zurückgezogen. Ich wollte endlich mein Buch zusammenstellen und veröffentlichen. Ich hatte das Gefühl, dass sich die Dinge veränderten, und das gefiel mir nicht. Bands kamen im Rahmen ihrer Tour nach Irland, und ich hatte das Gefühl, dass sie nicht wirklich Wert darauf legten, in Dublin spielen zu können. Es war eine beliebige Stadt, in der sie ihre T-Shirts verkaufen konnten. Aus diesen und anderen Gründen hörte das Hope-Kollektiv kurz darauf auf, Konzerte zu veranstalten. Einige von den Leuten sind nach wie vor in der irischen Punkszene aktiv. Ich für meinen Teil habe endlich mein Buch in unserem eigenen Verlag Hope Publications veröffentlicht und arbeite an der Website mit. Hope existiert durchaus noch, allerdings in etwas veränderter Form.“
Was machst du jetzt?
„Ich habe einen Computerjob, bin verheiratet und habe zwei Kinder. Ich bin im Komitee der Vegetarischen Gesellschaft von Irland und gehe immer noch zu Konzerten. Ich habe außerdem das Buch ‚‘Document: A Story of Hope‘ herausgebracht. Du siehst, es wird mir nicht langweilig!“
Kannst du etwas zur Musik-/Punkszene in Irland erzählen?
„In Irland existiert eine wirklich gute Independent-Musikszene. Es gibt eine Menge Bands, einige Plattenläden, ein paar Fanzines und jede Menge zu tun. Unter www.thumped.com findet ihr jede Menge Infos über Bands. Wenn ihr Dublin besucht, könnt ihr beim lokalen Punkplattenladen in der 15A Wicklow Street, Dublin 2 vorbeischauen. Außerdem gibt es jede Menge Konzerte und Leute, die einfach irgendetwas machen wie Toxic, Rejected, ClubGZ. Fanzines wie Nosebleed, Unfit For Consumption, Riot 77 gibt es mittlerweile schon relativ lange, und sie erscheinen ziemlich regelmäßig. Wenn ihr mehr wissen wollt, schreibt mir einfach unter niall@thumped.com.“
Was hat es mit dem Veganismus-Gedanken bei euch auf sich? Ihr ernährt ja sogar euer Baby vegan ...
„1986 habe ich aufgehört, Fleisch zu essen. Ich habe mir die ganze Sache ein paar Jahre angesehen und an dem Tag, als ich 18 wurde, sagte ich mir: ‚Kein Fleisch mehr für mich.‘ Ich glaube, es ist eine natürliche Entwicklung, ein paar Jahre später auch den Konsum von Milchprodukten aufzugeben. ‚I don‘t like the thoughts of putting a dead animal in my mouth‘, also mache ich es auch nicht. Kühe werden Jahr für Jahr einzig und allein deshalb befruchtet, um Milch zu geben. Wenn Kälber geboren werden, werden sie ihrer Mutter weggenommen, damit man sie als Milchmaschine benutzen kann. Wenn diese Kuh ‚ausgedient‘ hat, wird sie geschlachtet. Die Milchindustrie ist pervers, und ich möchte sie nicht unterstützen. Meine Frau und ich sind beide vegan, und so ist es für uns ganz natürlich, dass es unsere Kinder auch sind. Wir haben lange darüber nachgedacht, ob wir unsere Kinder vegan großziehen sollen. Wir sind davon überzeugt, dass es eine gesunde Möglichkeit ist, und wir tun das, von dem wir denken, dass es das Beste für unsere Kinder ist.“
Welche Bedeutung hat Essen für dich? Ihr habt ja ein Buch mit Musik und mit Essen in einem gemacht ...
„Essen ist sehr wichtig für mich. Vegan zu sein ist ein Lebensstil, eine Lebenseinstellung und es ist etwas, das in meinem Leben eine große Bedeutung hat. Ich koche gerne und benutze sehr unterschiedliche Lebensmittel. Meine Frau liebt kochen auch, und so ist es eigentlich selbstverständlich, dass auch Essen bei uns einen gewissen Stellenwert hat. Mit dem Buch wollte ich dokumentieren, was wir in Irland alles veranstaltet haben, aber ich wollte gleichzeitig auch vegane Rezepte veröffentlichen. Ich dachte mir, dass es eine gute Idee ist, Bands, mit denen wir Konzerte veranstaltet haben, nach ihren Lieblings-Rezepten zu fragen und diese zu veröffentlichen. Ich wollte dann eine kleine Geschichte zu jeder Show, die wir gemacht haben. Es sind 160 Rezepte im Buch und jedes Rezept ist von jemand, der in einer Band spielt. Zu jedem Konzert gibt es also ein Rezept und eine Geschichte.“
Was ist der Zusammenhang von Punk und Vegetarismus/Veganismus deiner Meinung nach?
„FLUX OF PINK INDIANS und THE SMITHS inspirierten mich, Vegetarierer zu werden. Ich glaube, die Hälfte der Veggies, die ich kenne, sind es durch Punk. Es gibt hier eine riesige Verbindung. Für mich geht es bei Punk um Gemeinschaft und Respekt. Wir können unsere Welt verändern, indem wir glücklich und zufrieden mit uns selbst sind, andere respektieren und dann andere ermutigen, es uns gleich zu tun. Punkbands und die vielen Diskussionen über deren Songtexte und Lifestyle waren für mich der Katalysator für mein Denken.“
Wie entstand die Idee zu deinem/eurem Buch? Wie lange hat es, von der Idee bis zur Umsetzung bzw. bis du das Buch in den Händen hattest, gedauert?
„Ich wollte dokumentieren, was wir, also Hope, die ganze Zeit in Irland so alles gemacht haben. Ich hatte Bücher über Communities in den Vereinigten Staaten gelesen, aber niemals von Europa. Und da dachte ich mir, dass es doch ganz nett wäre, unsere Geschichte zu erzählen. Dublin unterscheidet sich nicht viel von Berlin, Manchester, Amsterdam oder Boston. Ich hatte die Idee 1996, und bis das Buch fertig war, hat es ganze sechs Jahre gedauert.“
Wie viele Exemplare hast du verkauft und wohin?
„Ich habe in einem Jahr 1500 Exemplare verkauft. Beinahe 1000 davon sind in Irland auf Konzerten und in Plattenläden verkauft worden. Active in Großbritannien nahmen 75 Stück, AK Press, Dischord und Last Gap haben zwischen 50 und 100 Exemplaren in den USA verkauft. Ich selbst verkaufe das Buch online und verschicke es von zu Hause aus. Ich lasse immer 500 Stück drucken, und die verkauften Exemplare bezahlen dann die nächsten 500.“
Ich habe über dich/euch gelesen: „Hope hat einen großen Teil zum Aufbau eines unabhängiges Musik-Netzwerkes in Irland beigetragen. Es hat für die DIY-Idee geworben und Ideen wie Veganismus unterstützt.“ Davon kann man sicher nicht reich werden, oder?
„Wo hast du das denn gelesen? Ich habe immer nur Geld in Hope-Gigs reingesteckt und nie einen Penny damit verdient. Wenn einmal Geld über geblieben ist, haben wir es auf die Seite gelegt, falls der nächste Gig nicht so gut laufen würde. Ich hatte nie einen wirklichen Plan für Hope, es hat sich einfach irgendwie entwickelt. Ich machte das Ganze, weil ich es wollte, und ich hatte Spaß daran. Damals habe ich zu Hause bei meinen Eltern gewohnt und hatte ganz normale Jobs. Ich habe mich also nicht die ganze Zeit um den Hope-Kram gekümmert.
“
Kannst du etwas zu REACT erzählen?
„REACT war ein kostenloser Newsletter, den ich gemacht habe. Ich habe damit angefangen, weil ich etwas Kurzes, Knappes zusammen stellen wollte, um damit Leute auf den Geschmack dieser wundervollen Musik zu bringen. Natürlich wollte ich damit auch so viele Leute wie möglich über die kommenden Gigs informieren, und ich konnte darin über Dinge schreiben, die wichtig für mich waren. Ich habe REACT drei Jahre gemacht, und in Spitzenzeiten hatte ich eine Auflage von 5000 Stück im Monat. Ich habe damit aufgehört, als es eine Pflicht wurde und Leute begannen, mich für ihre Zwecke zu benutzen bzw. das versuchten.“
Du hast in deinem Buch die Frage gestellt, warum nicht mehr Frauen in der Musikszene aktiv sind. Hast du mittlerweile eine Antwort darauf?
„Nein, darauf habe ich noch keine Antwort gefunden. Ich kann aber sagen, dass noch nie so viele Frauen in der irischen Punkszene involviert waren wie heute. Bei Hope waren immer Frauen mit dabei und das stand bei uns auch nie zur Debatte, es stimmt aber, dass sehr wenig Frauen in Bands aktiv sind. Ich glaube nicht, dass Frauen in Sachen Musik diskriminiert werden. Ich glaube aber, dass Aktivitäten von Frauen viel stärker unter die Lupe genommen werden – vielleicht zu viel. Sobald eine Frau erfolgreich ist, richten die Leute ihre Aufmerksamkeit auf ihr Geschlecht.“
Niall, vielen Dank für das Interview.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #54 März/April/Mai 2004 und Uschi Herzer