A MESS

Foto© by Christoph Lampert

Feministischer Powerpop

A MESS ist das Soloprojekt der dänischen Musikerin Dorte Hartmann, die von der Presse auch gern als „One Woman Army“ bezeichnet wird. Soeben ist das Debütalbum „Woman, No Man“ erschienen und A MESS ist kreuz und quer durch die Punkrock-Clubs Europas auf Tour. Das Gespräch führe ich mit Dorte vor ihrem Gig im VEB Hildesheim.

Dorte, wann hast du angefangen, dich für Musik zu interessieren?

Ich war eigentlich eine musikalische Spätentwicklerin, denn in meinem Elternhaus spielte Musik nie eine große Rolle. Ich komme aus einem kleinen Dorf im Norden Dänemarks und so etwas wie eine Szene gab es bei uns nicht. Im ländlichen Dänemark kamen musikalische Trends damals immer etwas später an und in unserer Gegend war nicht viel los. Wir hatten zum Glück Kabelfernsehen, so dass ich mit MTV aufgewachsen bin. Dadurch habe ich NIRVANA und später die ganze Riot Grrrl-Bewegung für mich entdeckt.

Wann bist du auf die Idee gekommen, selbst Musik zu machen?
Da war ich schon 16 oder 17 Jahre alt und gerade in meinem ersten Jahr auf der Highschool. Ich war besessen von der Musik und mein erster Freund spielte sehr gut Gitarre. Eigentlich spielte er immer Gitarre, wenn wir zusammen waren, und ich war richtig eifersüchtig auf das blöde Ding. Also habe ich ihn vor die Wahl gestellt. Entweder sollte er die Gitarre in die Ecke stellen oder er musste mir Gitarrespielen beibringen. Er hat sich dann entschieden, mir die ersten Akkorde auf der Gitarre beizubringen, und so hat es bei mir mit der Musik angefangen. Eigentlich bin ich Linkshänderin, aber da mein Freund nun einmal Rechtshänder war, musste ich lernen, die Gitarre als Rechtshänderin zu spielen. Dadurch habe ich über die Jahre diesen super eigenwilligen Sound entwickelt, weil ich ja die Seiten ganz anders anschlage, als ein Rechtshänder das tun würde.

Bist du nach der Schule gleich nach Kopenhagen gezogen?
Nein, ich habe erst einmal einem Umweg über die Schweiz genommen, der zwei Jahre gedauert hat. Nach der Schule hatte ich die Nase voll von Dänemark und wollte unbedingt raus. Ich wollte andere Sprachen lernen, Leute kennen lernen und Geld verdienen. In der Schweiz konnte ich als Kellnerin viel mehr verdienen als mit irgendeinem Job bei uns in Dänemark. Nach meiner Rückkehr nach Kopenhagen habe mir von meinem gesparten Geld eine Gitarre, einen Verstärker und eine kleine PA gekauft.

Hattest du in der Schweiz angefangen, eigene Songs zu schreiben?
Ja, ich hatte da einige Demos auf der akustischen Gitarre aufgenommen und Texte geschrieben, und als ich wieder in Kopenhagen war, wusste ich schon genau, wohin es musikalisch gehen sollte. Ich habe zunächst in einer Post-Punk-Band gespielt, die ein bisschen klang wie SIOUXSIE AND THE BANSHEES und THE CURE. Wir haben sehr düstere Musik gemacht, aber außer uns gab es keine anderen Post-Punk-Bands in Dänemark, und als diese Welle das Land schließlich erreichte und populär wurde, hatten wir uns schon wieder aufgelöst.

Hast du damals schon gesungen und Gitarre gespielt?
Nein, tatsächlich nicht. Ich habe zwar alle Songs geschrieben, aber ich war nicht der Meinung, dass ich gut genug singen könnte. Also hatten wir eine Sängerin in der Band, für die ich aber die Texte geschrieben habe. Das war für mich schon damals wirklich schwierig, weil unsere Sängerin meine Texte nicht wirklich so interpretieren konnte, wie ich es gern gehabt hätte. Wenn man selbst Texte schreibt, hat man ja immer eine bestimmte Idee im Kopf, wie man sich den jeweiligen Song vorstellt, und bei der Umsetzung durch eine andere Person geht manchmal viel von dem Gefühl des Songs verloren. Nach einem Jahr habe ich erkannt, dass es so nicht weitergehen kann. Ich wollte unbedingt selbst meine eigenen Songs singen, egal, ob ich nun gut singen kann oder nicht. Zusammen mit ein paar Freundinnen und einem Schlagzeuger habe ich also TWO TRICK PONY gegründet und dann ging zunächst alles sehr schnell. Innerhalb von nur einem Jahr hatte uns Ray Cokes von MTV entdeckt und wir waren in Deutschland auf Tour. Aber irgendwie ist die Band doch nicht richtig durchgestartet.

Hast du da bereits politische Texte geschrieben und dich mit feministischen Ideen auseinandergesetzt?
Nein, eigentlich nicht. Bei TWO TRICK PONY habe ich mich in den Texten mit meinen eigenen, inneren Dämonen beschäftigt. Da ging es mehr um mich selbst und die Texte waren so etwas wie mein ganz persönliches Tagebuch. Die Musik war damals für mich wie ein psychologischer Heilungsprozess und als die Band sich wieder auflöste, war das für mich wirklich hart. Es hatte sich leider herausgestellt, dass wir doch unterschiedliche Ansprüche an die Band hatten. Während ich meine komplette Zeit und Energie in die Band stecken wollte, um die Welt zu erobern, waren die anderen doch eher daran interessiert, Partys zu feiern und Spaß zu haben. Unsere zweite Sängerin wurde schließlich schwanger, die Interessen verschoben sich und das war’s dann. Wir hatten jahrelang unsere Energie in etwas gesteckt, woran wir glaubten, und als es zu Ende war, hatte ich große Zweifel, ob ich jemals wieder in einer Band spielen würde. Dann kam die #MeToo-Bewegung ins Rollen und davon angeregt habe ich angefangen, politische Texte zu schreiben. Plötzlich ergab alles wieder Sinn und nachdem ich drei Jahre lang keine Musik gemacht hatte, wusste ich jetzt, in welche Richtung ich gehen wollte.

Worum geht es dir bei A MESS?
Durch die Erfahrungen, die ich mit TWO TRICK PONY gemacht habe, war mir klar geworden, worum es bei Musik wirklich geht. Es geht nicht um Erfolg, sondern um die Inhalte und den Zweck, den die Musik erfüllt. Es geht um den Sinn, den die Musik sowohl für mich als auch für die Zuhörer:innen hat. Meine Musik soll immer etwas bewirken und darum ist mir der politische Aspekt besonders wichtig. Es bedeutet mir etwas, wenn ich in meinen Texten meine Sicht auf die Welt und insbesondere feministische Ideen vermitteln kann. Mit A MESS habe ich dafür jetzt das richtige Format gefunden.

War A MESS von Anfang an als Soloprojekt geplant?
Ich habe A MESS aus dem Grund als Soloprojekt gestartet, weil ich nie wieder enttäuscht werden wollte. Ich habe jetzt den notwendigen Freiraum, um alles tun und lassen zu können, was mir vorschwebt. Ich brauche keine Rücksicht auf irgendwelche Befindlichkeiten zu nehmen, und wenn ich mit einem Musiker nicht länger zusammenarbeiten möchte, kann ich ihn einfach austauschen. Ich muss allerdings sagen, dass Per Gerhard jetzt schon so lange mein Live-Schlagzeuger ist, dass es sich mit ihm mehr nach Band anfühlt als jemals zuvor. Aber Per spielt auch noch in sechs weiteren Bands und wenn er mal andere Prioritäten hat, kann ich für Auftritte auch mal Ersatz finden. Das hat also mitunter ganz einfach praktische Gründe, ein Soloprojekt zu sein. Aber es ist schon so, dass Per und ich live definitiv eine Band sind, weil wir einfach diese positive Energie zusammen haben, die eine Band ausmacht.

Wie lange hast du an deinem neuen Album „Woman, No Man“ gearbeitet?
Ich habe 2020 mit den Aufnahmen begonnen und jetzt ist es endlich erschienen. Auf dem Album sind fünf verschiedene Schlagzeuger zu hören und ich habe mit fünf verschiedenen Produzenten gearbeitet. Dabei war die Zusammenarbeit mit den unterschiedlichen Schlagzeugern eigentlich einfach, aber mit den Produzenten war es mitunter wirklich schwierig. Manche haben einfach meine Vision von den Songs nicht verstanden und dann war der Sound entweder zu poppig oder viel zu noisy. Aber am Ende ist es toll geworden. Das Album beschreibt die Entwicklung, die ich in den letzten Jahren genommen habe, und auf das Ergebnis bin ich wirklich stolz. Ich mag den poppigen, kraftvollen Sound.

Wie bist du auf die Idee gekommen, dein eigenes Label Puffin Artlab zu gründen?
Das war schon 2014, als wir mit TWO TRICK PONY auf der Suche nach einem Plattenvertrag waren. Universal Deutschland war zunächst interessiert, aber letztlich hat sich alles in Luft aufgelöst und ich habe beschlossen, selbst ein Label zu gründen. Ich habe einen Abschluss in Betriebswirtschaftslehre und von daher hatte ich mit den geschäftlichen Aspekten keine Probleme. Mir macht dieser Business-Kram sogar Spaß und heute betreibe ich das Label als Teilzeitjob.

Du hast ja das Etikett „feministischer Powerpop“ aufgedrückt bekommen. Bist du damit glücklich?
Ja, sehr sogar, denn das trifft genau den Kern der Sache. Zumindest wenn die Leute wissen, was Powerpop ist. Für mich sind das THE BREEDERS oder WEEZER, aber mit Indie- oder Pop-Punk als Begriff kann ich auch leben. In Dänemark ist es schwierig, weil wir keine Schublade passen, deshalb laufen wir da einfach unter Indierock.