A GLOBAL MESS

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Eine Subkultour durch Südostasien

Einfach mal den Stecker ziehen, Job kündigen, den Wohnungsschlüssel wegwerfen und abhauen – diesen Wunsch dürfte zumindest als kurzen Gedanken jeder von uns mal gehabt haben. Diana und Felix haben genau das getan – zumindest für drei Monate. Als Musikmanager, der unter anderem für Aggropunk arbeitet, und als freie Journalistin konnten sie das mit ihren Jobs relativ gut vereinbaren. Sie hatten aber auch eine Mission: In Deutschland waren sie privat als auch beruflich mit „dem Punk“ bestens vertraut – nun wollten sie diese Art der Subkultur auch in der Ferne kennen lernen. Unter dem Titel „A Global Mess“ haben sie ihre Reise auf ihren Social-Media-Kanälen „live“ dokumentiert. Unter dem gleichen Namen wird es aber auch ein Buch, eine Doku und einen Sampler geben.

Wie kommt man auf die Idee, für drei Monate nach Südostasien zu gehen?

Diana:
Bei mir war es eine Krankheit. Nach einer Lungenembolie lag ich im Krankenhaus und dachte mir: Das kann’s doch gerade nicht sein! Was, wenn diese Krankheit anders ausgegangen wäre? Da bin ich mir meiner Situation mal so richtig bewusst geworden und wusste: Ich muss hier mal raus und kann und will nicht jeden Tag von neun bis fünf nur im Büro sitzen.

Felix: Vor allem nicht in einem Büro, das nicht das eigene ist, den Gedanken gab’s bei mir auch. Und dann kam die Idee auf, mal eine andere Subkultur kennen zu lernen und hier davon zu erzählen.

Warum Südostasien?

Felix:
Das wusste ich für mich irgendwie von Anfang an. Die Länder standen noch nicht konkret fest, nur dass die Auszeit für mich etwas mit Punk zu tun haben sollte.

Wie habt ihr euch auf die Reise vorbereitet und wie finanziert man eine dreimonatige Auszeit?

Felix:
Wir haben ganz klassisch gespart.

Diana: Und vorbereitet haben wir uns durch Recherche. Aber die war, wie sich vor Ort herausstellte, eher für Hintergrundinfos wichtig. Vor Ort haben wir viele Reisepläne über den Haufen geschmissen, weil sie sich durch Begegnungen und Hinweise geändert haben.

Wieso? Wen habt ihr getroffen, wo seid ihr unter-, wie herumgekommen?

Diana:
Wir haben da quasi echt von der Hand in den Mund gelebt. So intensiv wir auch vorher recherchiert hatten, was es wo für Clubs gibt, welche Bands wann und wo spielen – vieles davon war überflüssig. Klar, am Anfang mussten wir ein bisschen eintauchen, aber dann haben wir zum Beispiel auf einem Konzert jemanden kennen gelernt, der gefragt hat, wo wir als Nächstes hin wollen. Dann haben wir ihm gesagt, da und da soll’s hingehen. Darauf sagt er aber: Nein, fahrt in diese und jene Stadt! Meine Cousine holt euch da um 14 Uhr am Busbahnhof ab. Dann ruft er sie an, wir verlassen uns darauf und tatsächlich steht sie am nächsten Tag wie abgemacht da, holt uns ab, zeigt uns die Stadt und besorgt uns einen Schlafplatz. Dazu gab’s dann von ihr weitere Konzerthinweise oder Tipps, wo wir mit Menschen sprechen können, die uns einen weiteren Teil der Subkultur Südostasiens zeigen können. So trafen wir eine feministische Hardcore-Band in Singapur, Graffiti-Künstler auf den Philippinen und verschiedene Aktivist*innen, die mit uns über Polizeiwillkür und die Zustände in malaysischen Gefängnissen gesprochen haben.

Felix: Herumgekommen sind wir mit Bus, Bahn, Boot, Speedboot, wir sind geflogen, mit dem Roller und dem Tuk Tuk gefahren, das ist so ein motorisiertes Dreirad, quasi ein Roller als Rickscha.

Und von euren Erlebnissen erzählt ihr in dem Buch und Film „A Global Mess“, dazu wird’s einen Sampler geben.

Felix:
Diana hatte Kontakte zum Ventil Verlag, ich hatte ja auch schon für und mit Concrete Jungle gearbeitet. Und als beide von der Reise und der groben Idee gehört haben, die Tour festzuhalten, kam dann direkt begeisterter Input: Macht ein Buch, dreht einen Film. Und hey, macht doch noch ’nen Sampler! Dabei hatte ich vorher eigentlich nur mal an einen Fotoband gedacht. Ha, und da haben die jetzt den Salat und wir die Arbeit damit, haha!

Was erwartet uns in dem Buch und dem Film?

Felix:
Der Film ist keine BBC-Doku, sondern eine authentische Dokumentation unserer Reise. Da gibt’s Interviews, Konzertmitschnitte, aber auch, ja, Mitschnitte von uns, von unseren Eindrücken, Ängsten, Gedanken und Gefühlen, also auch was Persönliches.

Diana: Das Buch ist quasi eine Fortsetzung des Filmes. Wir haben insgesamt mehr als 150 Stunden Filmmaterial mitgebracht! Davon fallen verdammt viele Sequenzen dem Schnitt zum Opfer, im Buch haben dann mehr Anekdoten, aber auch Fotos, Mails und SMS-Verläufe Platz.

Das Ganze finanziert ihr via Crowdfunding. Und weil ihr Punkrock-technisch gut vernetzt seid, gab’s da coole Gimmicks. Was ist den Leuten entgangen?

Diana:
Da sind viele Bands, denen wir für ihre Unterstützung danken müssen. Von ZSK gab es ein handsigniertes Skateboard, die SEWER RATS haben ein Privatkonzert gesponsert und bei den ROGERS hätte man einen Partyabend im Tourbus inklusive Backstage-Zugang und Sauferei mit der Band erstehen können. Ganz süß waren auch DRITTE WAHL, die in ihrem Archiv gekramt haben, damit wir einen Bildband aus uralten Bandfotos erstellen konnten. Der war übrigens innerhalb kürzester Zeit weg und derjenige, der ihn erstanden hat fragte uns auch schon: „Wenn das Crowdfunding-Ziel jetzt nicht erreicht wird, wie komme ich trotzdem an das Buch?“ Das war schon ganz süß. Für 12 Euro konnte man auch mit unserem Bürohund Chewbacca kuscheln, haha.

Aber jetzt endlich mal zu eurer Reise: Wie ist denn nun „der Punk“ in Südostasien?

Felix:
Grundsätzlich ähnlich wie in Deutschland: schwer zu beschreiben und je nach Ausprägung verschieden. Natürlich gibt’s auch da diejenigen, die Punk eher so als Modeerscheinung sehen, sich einen Nietengürtel um die Hose klemmen und BLINK-182 hören. Dann gibt’s da aber auch die Hardliner, die richtigen Anarchisten, die in besetzten Häusern wohnen und politisch äußerst aktiv sind.

Das stelle ich mir gerade in einem Land wie zum Beispiel Kambodscha, in dem fast alle Medien im Besitz der Regierungspartei sind, schwierig vor.

Diana:
Ja, die ziehen das Ding echt konsequent durch. Da kommt es nicht selten vor, dass sie durch die Politik aber auch durch die eigene Familie drangsaliert werden. Es ist ja auch kein Geheimnis, dass die Drogenpolitik da nicht gerade liberal ist. In Malaysia saßen wir nach einem Konzert mit einem der Punks zusammen, das Haus war leer und wir wollten ein Interview mit ihm machen. Dabei erzählt er uns zum Beispiel, dass dort horrende Gefängnisstrafen auf den Besitz von Marihuana stehen, es kann aber auch Peitschenhiebe oder sogar die Todesstrafe geben. Und während er das erzählt, zündet er sich einen Joint an, da ist mir schon mulmig geworden. Und davon nicht genug: Er meinte auch, dass in dem Haus wohl regelmäßig Razzien stattfinden würden. Danke ey, haha!

Was habt ihr sonst noch erlebt?

Felix:
Es ging ja nicht nur um Punkrock, wir haben auch HipHopper und Sprayer, eben sämtliche Subkulturen unter die Lupe genommen. Und irgendwann war ich mit zwei Sprayern unterwegs, die mir ihre Tags und Kunstwerke in der Stadt gezeigt haben. Irgendwann fingen sie auch an, an einem alten Güterbahnhof zu sprühen. Am hellichten Tag! Ich stand mit meiner Kamera daneben und habe das Ganze mitgefilmt, bis ich irgendwann so 15 Meter neben mir einen Polizisten auf seinem Roller entdeckt habe. Er guckt mir in die Augen, ich starre ihn an, ich bin total erschrocken und konnte die Jungs irgendwie warnen. In den Augen des Polizisten habe ich echt nur den Ausdruck gesehen: „Du Idiot, was machst du da? Und wie kommen wir beide jetzt aus dieser Situation raus?!“