8 KALACAS

Foto

Skacore-Veteranen

Bis zum neuen Album „Fronteras“, das gerade auf Atomic Fire erschienen ist, dem neuen Label von Nuclear Blast-Gründer Markus Staiger, hatten hierzulande wohl eher nur sehr auf Ska-Punk versessene Menschen die „Ocho Kalacas“ ausgesprochene Band aus Orange County auf dem Schirm, die allerdings schon seit fast zwanzig Jahren aktiv ist und locker mit VOODOO GLOW SKULLS und MIGHTY MIGHTY BOSSTONES mithalten kann. Meine Fragen beantwortet Edgar alias Choriz, der Mann an der Trompete.

Edgar, erzähl mir doch eben eure bisherige Geschichte in ein paar Sätzen.

Wir sind eine siebenköpfige Skacore-Band aus Orange County. Angefangen haben wir 2003 als eine Gruppe von Freunden, die zusammenkamen, um Musik zu machen und Spaß zu haben, aber im Laufe der Jahre wurde es uns immer wichtiger, wirklich gute Musik zu machen und als Band zu wachsen. Unsere ersten beiden Alben haben wir in Eigenregie veröffentlicht und haben sie genutzt, um unseren eigenen Sound zu finden. Wir freuen uns, dass wir dieses dritte Album, „Fronteras“ mit der Unterstützung von Atomic Fire Records und Oracle Management der Welt präsentieren können.

Jemand hat euch „Los padres del Skacore“ genannt – wie fühlt ihr euch mit dieser Bezeichnung?
Es fühlt sich ehrlich gesagt ein bisschen komisch an, aber wir sind schon lange genug in der Szene, um zu wissen, wie sich diese Musik entwickelt hat und wo sie herkommt. Wir sind nicht die Gründer oder Erfinder von irgendetwas und unsere Einflüsse sind zahlreich, aber es ist schön, als Veteranen in einem Genre anerkannt zu werden, an dessen Gedeihen wir hart gearbeitet haben.

Um ehrlich zu sein, wenn ich an Skacore denke, sind die ersten Bands, die mir in den Sinn kommen, THE MIGHTY MIGHTY BOSSTONES und VOODOO GLOW SKULLS. Wie sieht eure Beziehung zu diesen Bands aus?
Wir hatten im Laufe unserer Karriere viele Gelegenheiten, mit den VOODOO GLOW SKULLS zu spielen und backstage abzuhängen, und wir haben selbst gesehen, wie hingebungsvoll sich die Jungs ihren Fans widmen und an ihrer Performance feilen. Es ist eine große Ehre, mit Bands wie den MIGHTY MIGHTY BOSSTONES und VGS verglichen zu werden, und wir hoffen, dass wir unseren eigenen Weg finden, wenn wir ihren Pfaden folgen.

Ihr seid bei Atomic Fire, einem Metal-Label. Aus irgendeinem Grund scheinen sich Metal und Ska – im Gegensatz zu Punk und Hardcore – nicht gut zu vertragen. Oder hast du Beispiele, die mich eines Besseren belehren?
Ich denke, die Metal-Gemeinde besteht in der Mehrzahl aus aufgeschlossenen Musikliebhabern. Unser Sound ist nicht so weit weg von dem, was Metalheads normalerweise hören, so dass sie uns nicht sofort ablehnen, nur weil wir Blechblasinstrumente dabei haben, sondern uns zumindest eine Chance geben. Das ist letztendlich alles, worum wir bitten. Wenn wir zu jemandem durchdringen können, egal ob Ska-Fan, Punk oder Metalhead, wird er sehen, was für eine Energie wir rüberbringen, welche Einflüsse wir haben und was unsere Vorstellungen als Musiker sind. Das ist es, was uns überhaupt erst zu einem Metal-Label gebracht hat. Jemand hat uns gehört und genug an unsere Musik geglaubt, um uns die Chance zu geben, mit ihr neue Horizonte und neue Fankreise zu erobern, und dafür sind wir sehr dankbar.

Bläser und Metal scheinen sich gegenseitig auszuschließen. Ich habe noch nicht viele Posaunen, Trompeten und Saxophone in Metal-Bands gesehen und gehört. Hast du eine Theorie, warum das so ist?
Abseits von traditionellem Jazz oder klassischer Musik gelten Blasinstrumente vor allem als Instrumente, die für fröhliche oder beschwingte Klänge in der Musik sorgen. Als Trompeter von 8 KALACAS versuche ich, das etwas auszugleichen. Es existiert definitiv ein wütendes Element in unserer Musik, und dieses Gefühl mit der Trompete oder Posaune auszudrücken, will gut durchdacht sein. Wenn es aber klappt und du einen Song hinbekommst, der das alles integriert, gibt es dir ein Gefühl der Zufriedenheit und Ehrfurcht, das man nur damit beschreiben kann, dass du etwas geschafft hast, was nicht viele erreichen.

Und wie sind deine Erfahrungen mit dem Metal-Publikum? Aus welchen Szenen stammt euer Publikum denn in der Regel?
Wir lieben die Metal-Community, schließlich sind wir selbst Metalheads! Ich glaube, das beste Beispiel für unsere Erfahrungen mit dem Metal-Publikum ist die Einladung zum Knotfest in Mexico City. Als wir dort ankamen, waren wir uns nicht sicher, was für Reaktionen vom Publikum oder den Festivalmitarbeitern uns erwarten würden, aber das änderte sich schnell, als wir merkten, dass so viele unserer Fans den gleichen Geschmack wie die Bands hatten, die dort waren, und sie kamen zahlreich, um uns zu unterstützen. Wir hatten drei verschiedene Moshpits, die gleichzeitig tobten, und sogar das Personal sagte uns, dass sie es erfrischend fanden, mal etwas anderes zu sehen, das trotzdem so energiegeladen ist. Wir haben das Glück, dass wir in der Vergangenheit mit vielen verschiedenen Genres die Bühne teilen konnten. Von Punk über Metal, Psychobilly und Ska bis hin zu regionaler mexikanischer Volksmusik und lateinamerikanischem Cumbia. Das alles hat uns auch beeinflusst und oft unterstützen uns auch Leute aus diesen Bereichen, weil wir unseren Vorlieben treu bleiben, selbst während wir mit einem anderen Sound experimentieren.

Abgesehen von Ska, der auf eine jamaikanische Tradition zurückgeht, hören manche Leute in eurer Musik auch Elemente von Mariachi und Cumbia. Kannst du diese Einflüsse näher beschreiben – und vielleicht noch andere, die ich übersehen habe?
Die Mariachi-Einflüsse lassen sich am einfachsten an unseren Texten erkennen. Oft drehen sie sich um Themen, die man genauso aus der mexikanischen Musik kennt. Es geht um neue Liebe, verlorene Liebe, den Kampf ums Überleben oder wie jemand versucht, seinen Kummer zu verbergen. Was die Cumbia betrifft, so ist das unsere Tanzmusik! Die meisten unserer eingängigen Tunes sind so entstanden, dass wir im Studio Cumbia-Rhythmen gejammt und dem Ganzen so viel Distortion verpasst haben, dass daraus 8 KALACAS-Sound wird. Aber ich würde sagen, es sind nicht allein Mariachi oder Cumbia, wir alle sind auch mit Mambo, Reggae, Heavy Metal, Ska, Jazz, Funk aufgewachsen. Du triffst Mitglieder der Band mit ebenso großer Wahrscheinlichkeit auf Shows von SYSTEM OF A DOWN, STEEL PULSE oder TOWER OF POWER wie in der ersten Reihe beim LOS FABULOSOS CADILLACS-Konzert.

Orange County hat seit über vierzig Jahren einen großen Namen im Punk und Hardcore. Warum ist diese Szene so besonders und so fruchtbar? Kannst du einige Bands nennen, mit denen du in Verbindung stehst?
Orange County ist definitiv ein Entertainment-Hotspot hier in Kalifornien. Es liegt genau mittig zwischen Los Angeles und San Diego und hat im Laufe der Jahre viele großartige musikalische Acts hervorgebracht. Wir sind stolz darauf, aus dieser Gegend zu stammen, denn in diesem Umfeld konnten wir den Sound entwickeln, den wir lieben, und uns von hier aus langsam ausbreiten. Wir hatten bereits das Glück, die Bühne mit einigen der besten Acts von OC zu teilen wie REEL BIG FISH oder MANIC HISPANIC, aber viel besser ist es, Konzerte mit der lokalen Szene zu spielen, die uns von Anfang an begleitet hat. Bands wie MAFIA RUSA, LA POBRESKA, MATAMOSKA, RED STORE BUMS, CHENCHA BERRINCHES oder RIVER RATTS werden immer einen besonderen Platz in unseren Herzen haben, weil sich alle hier gegenseitig wie in einer großen Familie unterstützen.

Ihr habt das Album im Winter 2019 aufgenommen, kurz bevor die Pandemie ausbrach. Ihr habt also über zwei Jahre auf dem Album gesessen, bis ihr es veröffentlichen konntet ...?
Ja! Es war extrem schwierig, bei etwas so Aufregendem und Wichtigem geduldig zu bleiben. Als wir im Dezember 2019 mit den Aufnahmen fertig waren, dachten wir, dass wir es wahrscheinlich im März 2020 veröffentlichen würden, aber als die globale Krise im Januar zuschlug, riet uns unser Management, damit noch zu warten, bis wir sehen konnten, wie sich die Sache entwickelt. Das erwies sich als kluger Rat, denn alle Konzerte auf der Welt mussten offenbar gleichzeitig abgesagt und auf unbestimmte Zeit „verschoben“ zu werden. Irgendwann Ende 2021 kamen wir mit Markus Wosgien in Kontakt, der unsere Musik so sehr mochte, dass er uns eine Chance bei Atomic Fire gab, und dadurch wurde unsere Geduld wirklich belohnt. Wir fingen an, Musikvideos aufzunehmen und genaue Pläne zu machen, wie wir alles veröffentlichen wollten, und das Team von Atomic Fire hat uns bei jedem Schritt geholfen, das auch zu realisieren.

Wie habt ihr die Pandemie überstanden?
Ich habe mich sehr bemüht, informiert zu bleiben und sicherzustellen, dass die Sicherheit und Einsicht immer oberste Priorität bei uns haben. Jeder in der Band wusste, was auf dem Spiel stand, und als die Welt zum ersten Mal stillstand, war es einfach, die Realität zu akzeptieren, dass etwas Ernstes im Gange war. Doch mit der Zeit nahm die Geduld ab und wir wussten, dass wir uns nicht einfach zurücklehnen und nichts tun konnten. In vielerlei Hinsicht sorgt die Band für unseren Lebensunterhalt, und wir konnten es uns nicht leisten, ein weiteres Jahr Pause zu machen. Wir beschlossen, uns wieder an die Arbeit zu machen. Auch wenn es nicht möglich sein würde, Konzerte zu spielen, so konnten wir doch zumindest neuen Content für unsere Fans produzieren und sie bei Laune halten. Die Band hat sich wöchentlich getestet, so dass wir ins Studio gehen und Videos für YouTube aufnehmen konnten. Wir haben Musikvideos für das neue Album aufgenommen, wir haben Konzerte live gestreamt und sogar ein komplettes Akustik-Set geschrieben, das wir live spielen wollten, um es allen zu zeigen. Wir haben uns an die Arbeit gemacht, und jetzt, wo die Hoffnung auf ein baldiges Ende dieser Sache wächst, sind wir froh, dass wir uns nicht einfach zurückgelehnt und alles passiv hingenommen haben.

Ihr habt das Album „Fronteras“ genannt, Grenzen. Aufgrund der Pandemie hatten viele Länder ihre Grenzen geschlossen, sie hat die Menschen voneinander getrennt, auch in Europa, wo viele Länder nah beieinander liegen und die Menschen es gewöhnt sind, Grenzen zu überqueren, ohne es überhaupt zu bemerken. Was war die Idee, als ihr das Album geschrieben habt?
Der Titel „Fronteras“ verweist auf etwas, das uns schon die ganze jüngere Geschichte hindurch plagt. Wir in der Band sind großteils entweder selbst Migranten oder Nachkommen von Menschen, die einst in die Vereinigten Staaten eingewandert sind, und wir alle hatten deshalb Schwierigkeiten, uns anzupassen. In diesem Land aufzuwachsen bedeutete, als Illegale beschimpft und womöglich in unser „Heimatland“ zurückgeschickt zu werden oder gezwungen zu sein, extrem prekäre Jobs anzunehmen, mit denen sich kaum etwas verdienen lässt. In „Fronteras“ geht es darum, durch die Hölle zu gehen, um aus einem Umfeld zu fliehen, das von Bandenkriminalität, Armut und Hunger geprägt ist, nur um dann von einer imaginären Linie im Dreck aufgehalten zu werden, die besagt: Du bist nicht von hier. Die Reise wird von einem völligen Zusammenbruch der psychischen Gesundheit und des Selbstbewusstseins begleitet, und das ist auch eine Grenze, die wir allen vermitteln wollten, die sich durchs Leben kämpfen, egal woher sie kommen. Lass niemanden entscheiden, was du wert bist, lass nicht zu, dass negative Gedanken deine Handlungen steuern, und lass dich durch nichts davon abhalten oder daran hindern, das Beste aus dir zu machen.

Die Grenze zu Mexiko und die Mauer entlang dieser war eine besonders ekelhafte Obsession von Trump, und bis heute sterben Menschen, wenn sie versuchen, sie Richtung USA zu überqueren, oder werden erwischt und ins Gefängnis gesteckt. Dasselbe gilt hier in Europa etwa an der Grenze zwischen der Türkei und Griechenland oder Polen und Weißrussland. Deine Gefühle?
Trump war laut und stolz auf die Dinge, die er sagte, und das irritierte jeden Einwanderer, den er mit seiner dramatischen Arroganz verdammte. Jetzt, da er weg ist, laufen die Grenzkontrolle wieder im Stillen. Nichts hat sich geändert, nichts ist besser geworden, es wird nur nicht mehr als Agenda benutzt, um einen Präsidenten zu stürzen, den niemand wollte. Männer, Frauen und Kinder werden immer noch in Käfige gesperrt, von ihren Familien getrennt und jeden Tag an der Grenze psychisch und physisch missbraucht, doch nun hat man keinen „bösen Schurken“ namens Trump mehr, dem man die Schuld geben kann, also verschwindet das Thema aus den Mainstream-Medien und man tut so, als wäre jetzt alles besser. Diese Dinge sollten der Öffentlichkeit nicht verborgen bleiben, und wenn das wieder mehr Rampenlicht gerückt wird, genießen vielleicht auch unsere Brüder und Schwestern eine menschlichere Behandlung.

Ihr habt hauptsächlich spanische Texte. Warum?
Spanisch ist definitiv die Sprache, mit der wir uns am wohlsten fühlen und in der wir uns am besten ausdrücken können. Wir sprechen alle Englisch und Spanisch, und wir könnten sicher auch ein ganzes Album auf Englisch machen, aber warum sollten wir etwas ändern, das für uns so gut funktioniert hat? Wir nutzen es auch, um damit etwas zu bewahren. Es soll unsere lateinamerikanischen Wurzeln repräsentieren, der wir unsere Kultur, unsere Erziehung und unseren Lebensstil verdanken. Es gibt keinen besseren Weg, das zu tun, als unsere eigene Sprache zu verwenden. Dadurch können sich unsere Fans entweder besser mit uns identifizieren oder sie begegnen einer Sprache, die sie sonst vielleicht nicht so oft hören.

Kannst du vielleicht beschreiben, worum es in den Texten der folgenden drei Lieder geht? Als Erstes „1941“ ...
In der Ära von Donald Trump waren viele Parallelen zu einer Zeit zu entdecken, in der es, wenn man auf den Falschen setzte, zu einer Lawine von Hass, Ressentiments und Gewalt führen konnte. Mit „1941“ wollen wir daran erinnern, dass, wenn die Macht unkontrolliert bleibt, die Leidtragenden fast immer die sind, die es am wenigsten verdienen.

Dann „Gato“ ...
„Gato“ ist so was wie ein Rückblick auf unsere Jugend. Wie wir als „schwarze Katzen“ Spaß hatten, die als Unglücksbringer galten und von der Gesellschaft gefürchtet wurden, nur weil wir anders aussahen. Wir gingen abends in die Stadt, suchten uns ein Mädchen, trafen uns mit unseren Freunden, den „Hunden“, betranken uns, nahmen Drogen und legten großen Wert darauf, dabei immer gut auszusehen.

Und schließlich „Esquizofrenia“ ...
In diesem Lied geht es um die psychischen Probleme, unter denen zu viele Menschen leiden, ohne dass versucht wird, ihnen ausreichend Verständnis entgegenzubringen. Was geht in den Köpfen der Menschen vor, die vor aller Augen Gräueltaten begehen? Ihr Verstand ist gespalten, sie können nicht unterscheiden, was Realität und was ein Traum ist, und wenn sie an ihre Grenzen kommen, passiert etwas Schlimmes. Es existiert keine rationale Erklärung für Mord, Vergewaltigung oder Tod, und doch gibt es sie und hat es immer gegeben. Dieser Song ist ein Versuch, die kranke und verdrehte Psyche von jemandem zu erfassen, der zu den schlimmsten Dingen fähig ist, die man sich vorstellen kann.