Henry Rollins trägt „Search and destroy“, den Titel des Openers des wegweisenden STOOGES Albums „Raw Power“ seit 1985 als Tattoo auf seinen Schultern: ein klares Statement, abgeleitet von einer Schlagzeile der Times zum Vietnamkrieg. Der Albumtitel ist Programm, denn die Songs tragen eine enorm rohe Kraft und nihilistische Wut in sich. Iggy Pop zelebriert hemmungslos seine damals ausufernde Neigung zur Selbstzerstörung und singt: „I’m a street walking cheetah with a heart full of napalm / A runaway son of a nuclear A-bomb.“
Das erste Remastering von „Raw Power“, mit dem neuen Gitarristen James Williamson eingespielt, übernahm David Bowie, der den STOOGES bei Columbia den Vertrag verschaffte (Bowies Manager konnte dem Label ca. 100.000 Dollar Vorschuss für die Band entlocken), nachdem Elektra sie hatte fallen lassen. Iggy Pop war mit diesem Mix nie wirklich zufrieden. Er bemängelte, dass David Bowie die Wildheit der Aufnahmen zu sehr abgemildert habe. Daher fertigte Iggy Pop 1997 – gemeinsam mit Bruce Dickinson (IRON MAIDEN) – einen neuen Remix des Albums an. Bis heute gibt es endlose Diskussionen darüber, ob die Version von David Bowie oder Iggy Pop die „bessere“ ist. Für Williamson ist die Version von Bowie die bessere.
Schlagzeilen zum Vietnamkrieg, Zitate von William S. Burroughs oder die finale Abrechnung mit Ex-Geliebten – Iggy Pop nimmt in den Songs kein Blatt vor den Mund. Ursprünglich war „Raw Power“ als Soloalbum von Iggy Pop gedacht, aber als nach einigen Sessions die Brüder Ron und Scott Ashton wieder mit dabei waren, wurde es ein vollwertiges Album und das letzte der STOOGES in ihrer ersten prägenden Ära. Aufgenommen in den CBS-Studios in London und nicht mehr in den USA wie die beiden Vorgänger, gilt „Raw Power“ bis heute als der Prototyp von Punk. Der Zenit der rohen und triebgesteuerten Brachialität der STOOGES war erreicht.
Zwar verlangte das Label Columbia von der Band, mindestens zwei „lighter and softer ballads“ auf das Album zu nehmen, was dann „Gimme danger“ und „I need sombody“ wurden, die dem Begriff „Ballade“ aus der Sicht der STOOGES ohne Zweifel eine ganz neue Bedeutung verliehen. Aber auch Columbia ließ die Band nach diesem Album fallen. Ungeachtet dessen hinterließen die STOOGES mit „Raw Power“ den fruchtbaren Boden, der Punk den Weg als Ventil von Wut, Nihilismus und Bruch mit sämtlichen Konventionen ebnete. Für NIRVANA-Frontmann Kurt Cobain war „Raw Power“ das für ihn wichtigste Album aller Zeiten. Von SEX PISTOLS-Gitarrist Steve Jones heißt es, dass er Gitarre spielen lernte, in dem er unter Einfluss von Speed versuchte, die Songs von „Raw Power“ nachzuspielen.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #137 April/Mai 2018 und Markus Kolodziej