Wahrscheinlich war ich fürchterlich genervt, als ich RANCID zum ersten Mal gehört habe. Ich bezweifle, dass ich überhaupt bewusst wahrgenommen hab, wer das war, der da gerade aus dem Zimmer meines Bruders polterte. Ich war sieben Jahre alt, als „... And Out Come The Wolves“ 1995 erschien, mein eigener Musikgeschmack spielte sich irgendwo zwischen „Over The Hump“ von der KELLY FAMILY, einer Kassette mit den Songs aus den Disney-Filmen und „Küssen verboten“ von DIE PRINZEN ab.
Ein paar Jahre später, ich war zwölf, nahm mein Bruder sich ein Herz und spielte mir ganz in Ruhe einen Schwung Punkrock-Platten vor. Ohne die zwei Kinderzimmertüren zwischen mir und dem Bass kam mir das alles gar nicht mehr so poltrig und furchtbar vor. In dem Stapel war auch „... And Out Come The Wolves“ und das blieb hängen, bis heute. Mein Lieblingssong damals war „Old friend“, auch wenn ich kaum verstand, was Tim Armstrong da sang, und von Identifikation kann wohl auch keine Rede sein. Trotzdem: Ich fand’s super. RANCID machen es einem aber auch leicht, es gibt einfach keinen schlechten Song auf „... And Out Come The Wolves“: „Time Bomb“, „Ruby Soho“ und „You don’t care nothin’“ – so unfassbare Hits, Hits, Hits! Ein bisschen Ska, aber nicht so, dass es nervt und nicht so verkifft Reggae-lastig wie später stellenweise auf „Life Won’t Wait“ (das auch seine super Momente hat, keine Frage). Streetpunk, ja, aber wahnsinnig eingängig und nicht so schrammelig wie zuvor – und später wieder auf „Rancid“. Auch dieser ganze breitbeinige „Honor is all we know“-Quatsch hält sich hier noch in Grenzen. Dafür: Punkrock für die Tanzfläche. Sogar die Majors wollten RANCID haben damals. Sie aber blieben bei Epitaph. Wie wahnsinnig gut Matt Freeman Bass spielt, wurde mir erst viel später klar. Dass RANCID ihren Stil mit dem Album gefunden und damit auch den vieler anderer Bands geprägt haben, auch. Für mich war es der Einstieg in den Punk und ich liebe die Platte bis heute sehr.
Vor fünf Jahren haben RANCID „... And Out Come The Wolves“ beim Groezrock in voller Länge gespielt. Mein Bruder und ich waren da, ein bisschen betrunken vom belgischen Bier und sehr glücklich. Scheiß drauf, dass es Ende April viel zu kalt für ein Festival war. Ich hatte damals auch ein Interview angefragt. Das hat nicht geklappt und so stehen sie leider immer noch auf meiner großen Wunschliste. Entschuldigt, falls ihr euch von dem Text mehr Faktenwissen erhofft hattet. Von mir gibt’s aber vielleicht, wenn ich das Mixtape wiederfinde, mal eine Playlist mit der kruden Mischung aus der KELLY FAMILY, ECHT und RANCID, die ich in der sechsten Klasse auf Kassette aufgenommen habe.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #152 Oktober/November 2020 und Julia Brummert