25 jahre später: LAGWAGON

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Let’s Talk About Feelings (CD/10“, Fat Wreck, 1998)

Irgendwo im Internet steht, „Let’s Talk About Feelings“ von 1998 sei das Lieblingsalbum von LAGWAGON-Sänger Joey Cape. Keine Ahnung, ob das stimmt, ist mir auch egal. Ich bevorzuge „Trashed“ (1994), oder das unterschätzte „Blaze“ (2003), und ja, „Hang“ (2014) ist meiner Meinung besser als einige der Frühwerke der Band aus Goleta (ein Vorort von Santa Barbara). Machen wir den Abriss der Diskografie kurz komplett: „Duh“ (1992), das Debüt, macht Spaß und lässt die Metal-Einflüsse der Band offensichtlicher als später noch durchscheinen. „Hoss“ (1995) – nun, der Ausverkauf eines Genres ruft auch immer Kenner auf den Plan, die vom Gegenteil überzeugen. Stellvertretend hierfür bringt der Titel des ersten Stücks „Kids don’t like to share“ die Zeit Mitte der Neunziger clever auf den Punkt. „Double Plaidinum“ (1997) – erstaunlich wie sorglos häufig unter den Tisch fällt, dass das Album inhaltlich eher düster ist. Der Wortwitz des Titels wird nicht geholfen haben. Bei „Resolve“ (2005) gibt es diesbezüglich keine Missverständnisse, in den Texten wird der Selbstmord von Derrick Plourde verarbeitet, Gründungsmitglied und erster Schlagzeuger von LAGWAGON. Die Ambition ist verständlich, aber vielleicht trotzdem etwas zu viel. Mit „Heartbreaking music“ und „Automatic“ sind aber zwei der besten Songs der Band überhaupt enthalten. „I Think My Older Brother Used To Listen To Lagwagon“ (2008) ist wohl mehr eine EP und kann nicht nur deswegen vernachlässigt werden. Ähnlich geht es mir mit „Railer“ (2019), technisch versiert und selbstreferenziell, besser als ein Großteil der Konkurrenz, reicht aber in Anbetracht der eigenen Vergangenheit nur bedingt.
Hier soll es um „Let’s Talk About Feelings“ gehen. In knapp fünfundzwanzigeinhalb Minuten bringen zwölf Stücke die Formel von LAGWAGON komprimiert und ohne ein Gramm Fett auf den Punkt. Wie Mitte/Ende der Neunziger bei Fat Wreck üblich, ist Ryan Greene für die Aufnahmen verantwortlich. Für viele mag der Sound zu dieser Zeit schon längst langweilig geworden sein, alle anderen werden sich ein Leben lang darauf einigen können, dass eingängiger Punkrock mit massenhaft Melodie und Harmonien, clever arrangiert und druckvoll aus den Boxen kommend, eine gute Sache ist. Textlich smarter, als die Verpackung vermuten lassen würde, aber das ist das Problem von Understatement und einer Band, von der es mal hieß, sie würden mehr Shirts verkaufen als Alben (als noch Alben verkauft wurden). Dass sich das AGENT ORANGE-Cover „Everything turns grey“ ohne groß aufzufallen in die eigenen Stücke einreiht, zeigt da schon eher, in welcher Tradition sie stehen. Oh, und LAGWAGON wissen selbst am besten, dass „May 16“ deshalb ein Hit ist, weil es Teil des Gitarrenspiel-Games Rocksmith ist.