Scovilla - Saucen aus der Hölle

Scharfe Chilisaucen erfreuen sich bereits seit einiger Zeit in den USA großer Beliebtheit, jetzt schwappt der Trend auch nach Deutschland. Oli Schneider betreibt einen Mailorder für das Zeug, das eigentlich zu den für den Einsatz gegen die Zivilbevölkerung gebannten Waffen gezählt werden sollte. Wir baten ihn, uns mal die Geschichte des Höllenzeugs zu erzählen.

Was unterscheidet eine dieser ultrascharfen Mördersaucen von handelsüblichem Tabasco oder Sambal Olek?

Ganz einfach, der Unterschied liegt in der Schärfe. Es gibt eine offizielle Maßeinheit für Schärfe, nämlich die so genannten Scoville-Einheiten (Scoville Heat Units). Im Jahr 1912 wurde diese Skala von dem Pharmakologen Wilbur Lincoln Scoville festgelegt. Sie dient zur Messung der Schärfe von Chilischoten. Einfach wiedergegeben heißt das: Wie viele Tropfen Wasser werden benötigt um einen Tropen "Schärfe" Capsaicin zu neutralisieren? Das sind dann bei Tabasco 3.000 SHU = Tropfen, bei der Soße 357 Mad Dog 357.000 SHU und bei Blair's 16 Mio., eben 16.000.000 SHU. Letzteres ist somit das schärfste Extrakt der Welt und nicht mehr für den Konsum geeignet. Wem bereits Tabasco zu scharf ist, der sollte lieber nix über 3.000 Scoville in den Mund nehmen. Die Warnungen und Skalen auf den einzelnen Saucen sind immer ein guter Anhaltspunkt und durchaus ernst zu nehmen.


Und was hat es mit dieser Scovilla-Skala auf sich?

Die haben wir selber erfunden. Wir haben uns wirklich mal hingesetzt und jede Sauce nach und nach probiert. Das war heftig. Wir haben zwar ordentlich neutralisiert, aber irgendwann war dann wirklich Schluss mit Lustig. Daraus ist die Scovilla-Skala entstanden.


Wie kamst du mit dem Zeug überhaupt in Verbindung?

Eher zufällig. Scharf gegessen habe ich in den letzten Jahren immer regelmäßiger. Und irgendwann kam ein Bürokollege, der ebenfalls gerne scharf isst, mit der "Hot Sauces"-Idee an und hat gleich die ersten Kontakte geknüpft. Das Ganze entwickelte sich recht zügig. Aus anfangs ein paar Stunden die Woche sind mittlerweile mehrere Tage rattenscharfer Arbeit geworden. Der eigentliche Geschäftsführer Andreas hat sich urplötzlich beruflich verändert, der Ernst des Lebens rief und somit wurde ich gefragt, ob ich das Ganze fortführen möchte. Andreas ist nach wie vor Geschäftsführer, aber aktiv und operativ kümmere ich mich nun um Scovilla.


Was macht für dich den Reiz aus, warum tut man sich das an?

Du meinst hier sehr wahrscheinlich ausschließlich den Konsum beziehungsweise Genuss, nicht die Arbeit. Gleich vorweg: Nicht alle unsere Produkte sind "extrem scharf", auch sehr scharfe Saucen haben durchaus noch Geschmack und Aroma. Ebenfalls führen wir ein breites, stetig wachsendes Sortiment an BBQ- und Salsa-Artikeln. Es gibt einfach jede Menge Menschen, die einfach sehr gerne extrem scharf essen und das mit Verstand und aus Leidenschaft. Hier geht es nicht um Wettbewerbe nach dem Motto "Wer hat den Größten". Klar, du hast da schon mal ein paar Helden, die sich einfach etwas beweisen müssen. Das merkst du immer dann, wenn das Weichspül-TV einen Beitrag bringt über "Was sich Jugendliche so antun, quasi die ?neue? Mutprobe, blabla". Da kommen dann immer vermehrt Bestellungen. Man darf aber auch nicht vergessen, dass Scharfesser oft nichts von Hot Sauces wissen und einfach interessiert sind. Tabasco, Dönergewürz und Chilipulver, dann kommt oft nix mehr. Ich meine, mit wenigen, manchmal einem einzigen Tropfen sein Essen würzen, das hat schon etwas.


Hast du mal in einer Sauce deinen Meister gefunden?

Puh, ich muss jetzt mal zugeben, dass ich privat mittlerweile einige Flaschen rumstehen habe. Ich will ja schließlich wissen, was ich verkaufe, aber vor hochprozentigen Scoville-Einheiten mache ich durchaus Halt. Warum soll ich mir am Abend meine Pizza versauen, wenn ich eh weiß, was es heißt, 200.000 Scoville und mehr zu sich zu nehmen? Hin und wieder erwischt man zuviel oder unterschätzt eine Sauce. Dann muss halt mit Milch, Tzaziki, Mayo oder Oliven neutralisiert werden. Ich hab mir mal ein Sandwich mit zwei Tropfen "Da Bomb" versaut. 20 Minuten später hörten Schweißausbruch und Schluckauf auf. Ich wollte es halt nicht glauben und musste eines Besseren belehrt werden. Hier geht es wirklich um Tropfen. Kürzlich hat ein Kumpel mal wieder den Ungläubigen raushängen lassen. Er wollte nicht glauben, dass es in so einem Fläschchen heiß hergeht, und hat einfach mal mit dem Finger reingetunkt und direkt daran geleckt - aua! Es ist aber definitiv super praktisch, einen Riesenpot Chili mit diesen besagten zwei Tropfen - oder auch drei - richtig hot zu machen! Also, ich bin definitiv nicht der blinde Typ, der sich alles in den Mund steckt wo "scharf" draufsteht. Das sind wir nicht, dass wollen wir nicht sein und das soll auch Scovilla nicht vermitteln.


Was ist denn in den Saucen in der Regel drin?

Überraschenderweise sehr wenig künstliche Zusatzstoffe. Da war ich echt etwas verwundert. Da hätte ich den Amis, und die mixen nun mal am fleißigsten, mehr Schabernack zugetraut. Meistens Essig, "vinegar", darüber wird die Schärfe oft transportiert. Der Oberfreak Brother Bru Bru hat zum Beispiel eine Sauce ohne Salz kreiert, weil er es selber nicht verträgt. Über Salz geht auch viel Schärfe. Zitronensaft, Verdickungsmittel, manchmal ein Schuss Tequila, Gewürze, Tamarinde und so weiter. Für den hiesigen Markt musst du ohnehin alles übersetzen, dass haben wir mit Hilfe eines Labors getan. Alle Zutaten stehen auf dem Etikett und natürlich bei jedem Sößchen auf der Website.


Was sind die Dos und Don'ts?

Vielfältig einsetzen. Durchaus auch mal aufs Käsebrot. Unglaubliche Geschmäcker werden da freigesetzt. Überrascht euren Gaumen, es lohnt sich. Und: Keine Scherze mit Ungeübten. Beim Grillen mal schnell ein paar Tropfen dem Nachbarn unters Steak mogeln, das ist unschön! Manche Menschen können mit Schärfe nicht und das ist auch gut so. Also bitte niemanden etwas unterschieben, schon gar keine Extrakte, das kann ins Auge gehen. Apropos ins Auge: Niemals weiche Körperteile mit Hot Sauces in Berührung bringen. Einfach respektvoll mit der "heißen Ware" umgehen.


Was war die heftigste körperliche Reaktion bei dir oder bei Bekannten?

Erbrechen, Schwindel, eingeschlafene Füße und Gliedmaßen, Herzrasen, roter Kopf - bis auf eingeschlafene Füße eigentlich sämtliche Kiffer-Symptome, die es gibt!


Sehr viele der Saucen kommen aus den USA, warum?

Tja, vielleicht weil die Asiaten mit ihren Chilis und sonstigen Gewürzen zufrieden sind und nix erfinden müssen und die Amis überall was drauf tun müssen? Weil Tabasco auf Dauer nicht befriedigt hat? Weil Amis immer meinen, Trends setzen zu müssen? Weil alles, was über den großen Teich kommt, cooler und hipper ist als heimische Produkte? Ist das nicht beim Punkrock/HC auch so? Bei jeder noch so unbekannten Punkrock/HC-Band kommen gleich mal 30 Leute mehr, nur weil USA mit auf dem Plakat steht! Du siehst, so richtig weiß ich es nicht. Es würde mich freuen, wenn sich das bald mal ändert. Die Versandkosten sind leider extrem hoch!


Gibt es auch schon deutsche Hersteller?

Ja klar, wir stehen in Kontakt. Demnächst bei scovilla.com zu bestellen. Hier passiert ohnehin viel. Wir bauen unser Angebot stetig aus, sind immer auf der Suche nach heißen Sauces. Auch wollen wir vermehrt Hintergrundinformationen bieten.


Mir scheint, die Branche ist in der Hand von "Indielabels", also keine Massenhersteller.

Durchaus. Die Firma Blair's ist schon ziemlich groß, aber definitiv autark. Ebenso wie Daves und all die anderen. Dave steht selbst an seinem Messestand. Große Namen wie Masterfoods, Knorr und so weiter fehlen - zum Glück. Selbst die "Jack Daniels Tennessee"-Saucen sind "nur" in Lizenz hergestellt. Wobei ich nicht genau einschätzen kann, wie groß die eine oder andere Firma in den Staaten wirklich ist. Klar von Heinz gibt es einen scharfen Ketschup. Da können wir aber nur müde drüber lächeln. Alles massentauglich. Beim Recherchieren fällt zumindest auf, dass es oftmals Familienbetriebe sind. Das finde ich gut, dass spricht mich an.


Wo siehst du bei der ganzen Sache eine Rock'n'Roll-Verbindung? Es gibt da ja diverse "Band-Editionen".

Dexter Holland von THE OFFSPRING hat seine eigene Sauce mit Namen "Gringo Bandito" herstellen lassen. Diese führen wir mittlerweile als einziger Vertrieb in Europa. Und die MAD CADDIES bieten eine Hot Sauce in ihrem Online-Shop an. Es gibt eine "Elvis-BBQ Sauce". Die "Death Sauces" von Blair stehen im Design von Rock'n'Roll, so mit Totenkopf und sonstigem Anhänger. Ich sag mal, Rock'n'Roll hat Tattoos in die Szene integriert, warum nicht scharfe Gewürze? Ich würde schon sagen, dass es da Zusammenhänge gibt. Jeder, der Schärfe mag, ist willkommen, außer BBQ-Nazis!


Mir scheint, scharfe Saucen und Paprika sind in den letzten Jahren zu einer eigenen seltsamen Szene geworden. Kannst du dazu was erzählen?

Es liegt zumindest viel Augenmerk auf dem Ganzen. Es gibt ein deutschsprachiges Forum und international ohnehin verschiedene Communities, in denen sich Scharfesser austauschen, zum Beispiel "The Ring Of Fire"! Wie bereits erwähnt, wird das Thema mittlerweile oft von privaten Boulevardfernsehsendern aufgegriffen - "schärfste Currywurstbude Deutschlands" und so. Wie bereits gesagt, in den USA hat wohl jeder Hillbilly die Möglichkeit, sich im noch so kleinsten Restaurant ordentlich Zugaben auf den Teller zu klatschen. Hier ist das unüblich. Wenn ich beim Mexikaner nach was Scharfem frage, bekomme ich zwei Saucen angeboten - einmal Tabasco, na klar, und einmal irgendwas Seichtes mit Mango ... Um am Ball zu bleiben, muss sich der Freak einfach austauschen.


Ist das Ganze denn nur was für Fleischfresser oder wie sieht das mit dem Verhältnis zu Veganern und Vegetariern aus?

Meine Freundin isst kein Fleisch. Somit esse auch ich weniger davon, aber verzichte keinesfalls auf kleine Beigaben in Form von Schärfe oder BBQ-Sauce. Es gibt herrliche vegetarische Grillpfannen und ein Tofu-Chili ist auf jeden Fall mehr als genussreich. Wie gesagt, wir schreiben genau, was in den Saucen drin ist. Ei und Milch schon mal nicht. Somit sollte das für Veganer ebenfalls in Ordnung gehen.