H2O

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California Hardcore

Sieben Jahre haben sich H2O mit ihrem neuen Album „Raise Your Voice“ Zeit gelassen, waren in dieser Zeit aber nie weg vom Fenster, sondern tourten gefühlt alle paar Monate in Europa, wo die Band bei allen Shows frenetisch gefeiert wird. Was 1994 noch „new“ war, ist heute schon ziemlich oldschoolig, die Band einfach eine sichere Bank, wenn man seinen Hardcore gerne melodiös, hymnisch und mitreißend hat. Bassist Adam Blake beantwortet meine Fragen.

Adam, in unserem Interview 2002 haben wir dich gefragt, was du machen würdest, falls die Band irgendwann nicht mehr existiert. Du hast geantwortet: „Ich will ein Filmstar werden. Fuck music!“ Also bis heute hattest du es noch nicht nötig, eine Zweitkarriere als Schauspieler zu starten. Bereust du das?


Bereuen? Ich bereue, das überhaupt jemals gesagt zu haben! Vermutlich war ich betrunken. Ja, das klingt nach etwas, das möglicherweise mal aus mir rausgeplatzt ist. Aber ich habe trotzdem eine sehr angesehene Schauspielschule besucht zwischen 2008 und 2010. Es dürfte künstlerisch das Härteste gewesen sein, was ich jemals gemacht habe. Und ich habe definitiv großen Respekt vor der Schauspielkunst bekommen. Nur habe ich dann mitten in meinem letzten Semester aufgehört, um nach Kalifornien zu ziehen. Ich erinnere mich an ein Gespräch mit dem Direktor der Akademie, ein Gentleman namens William Esper und ein ausgezeichneter Schauspiellehrer. Er hörte nicht auf zu fragen, wieso ich gehen und was ich tun wollte, aber nichts, was ich sagte, stellte ihn zufrieden und er grub weiter und weiter, bis ich ausrastete und rief: „Ich will Musik machen, die Menschen zum Lachen und Tanzen bringt!“ Er wurde leise, lächelte und sagte: „Das ist es. Dann ist es genau das, was du machen solltest.“ Er hat mich gezwungen, in mich zu gehen, um zu begreifen, dass das, was ich wirklich tun wollte, die ganze Zeit vor meiner Nase war. Es war definitiv eines dieser Gespräche, von denen ich sagen würde, dass sie mich wirklich geprägt haben.

Und was ist passiert, dass H2O immer noch so gut im Geschäft sind?

Dass wir weiterhin tun, was wir tun, kommt daher, dass wir es immer noch lieben, es fühlen und wir uns glücklich schätzen, den Menschen Freude bereiten zu können.

H2O gibt es jetzt seit 20 Jahren, du bist bereits 18 Jahre in der Band, was in etwa die Hälfte deines Lebens ausmachen muss. Kannst du irgendwie in Worte fassen, was das für ein Gefühl ist?

Es ist schwer für mich, das mit irgendwas zu vergleichen, da H2O und davor SHELTER mein gesamtes Erwachsenenleben ausfüllen. Ich weiß, da könnte man jetzt sagen, das ist verdammt wenig, um dabei wirklich erwachsen zu werden, aber trotzdem würde ich rückblickend daran nichts ändern wollen. Es war eine wundervolle Reise, die mich durch die ganze Welt geführt hat und mir Gelegenheit gab, Teil von etwas zu sein, das auf andere Menschen eine positive Wirkung hat.

Kannst du dir vorstellen, was aus dir geworden wäre, wenn Toby dich nicht überzeugt hätte, bei H2O Bass zu spielen?

Ich bin nicht sicher, ob ich überhaupt noch leben würde ... Ich bin ein Typ, der zu Suchtverhalten neigt, und kann mir vorstellen, dass ich ohne die Musik und die Band wahrscheinlich ziemlich abgerutscht wäre.

Als ihr Mitte der Neunziger angefangen habt, war das inmitten eines gigantischen Punk-Booms, kurz darauf haben H2O sogar bei einem Majorlabel unterschrieben. Heutzutage ist es schwer vorstellbar, dass ein Major eine Hardcore-Band unter Vertrag nimmt. Wie hast du das alles wahrgenommen?

Es scheint definitiv so, als hätte New York Hardcore Mitte der Neunziger sozusagen seinen großen Moment gehabt. Majorlabels schnappten sich die Bands rechts und links von uns und auch wir haben unsere Angebote bekommen, aber es fühlte sich einfach nicht richtig an. Also trafen wir uns mit Brett Gurewitz von Epitaph Records und das passte gleich viel besser. Er verstand uns und wir verstanden ihn, und wir machten dann zwei fröhliche Platten mit denen. Aber Hans Haedelt von MCA Records war immer ein guter Freund von uns und Unterstützer der Band, und er hatte das Interesse an einem Vertrag mit uns nicht verloren. Nach den zwei Veröffentlichungen auf Epitaph wollten wir einfach wissen, was für Möglichkeiten uns ein Majorlabel würde bieten können. Wir hatten nichts gegen Epitaph, wir waren nur eben nie bei einem Majorlabel gewesen und uns war klar, dass wir diese Chance als Band nur einmal bekommen würden und wir jede sich bietende Gelegenheit wahrnehmen sollten, um möglichst viele verschiedene Sachen auszuprobieren. Als wir bei MCA unterschieben, war es irgendwie lustig ... Sie hatten riesige Büros und spezielle Abteilungen für so ziemlich alles. Uns kam das zugleich albern und seriös vor. Wir gingen ins Studio und nahmen „Go“ auf und das Ergebnis war einfach nur flach. Im Nachhinein denke ich, es war so etwas wie eine Beziehung, die sich schlicht irgendwann totgelaufen hat. Es lag nicht an ihnen, nicht an uns ... es sollte einfach nicht sein. Hans stand die ganze Zeit auf unserer Seite und ist immer noch jemand, vor dem wir alle großen Respekt haben. Also endete es damit, dass wir das Label verließen und uns ein paar Jahre einfach nur treiben ließen. Als wir soweit waren, ein neues Album aufzunehmen, fragten wir herum, an wen wir uns wenden sollten, und immer wieder fiel der Name Bridge 9. Also trafen wir uns mit Chris und Karl, dem damaligen Labelmanager, und wir wussten sofort, hier sind wir richtig. Wir hatten einen ähnlichen Background, ähnliche Visionen für die Zukunft der Band, und danach haben wir tatsächlich mit niemand anderem mehr gesprochen. Wir sind echt froh, wie das alles gelaufen ist. All die Jahre hatten wir wirklich fähige Manager und Bookingagenten, waren bei einem Majorlabel, doch letztendlich fühlen wir uns bei ein paar Hardcore-Kids aus Boston viel mehr zu Hause.

H2O, so ist mein Eindruck, waren nie eine dieser Bands, die sich bei ihrem Sound danach gerichtet hat, was gerade angesagt ist – ihr seid so oldschool wie eh und je. Aber ich gehe davon aus, aus der Sicht des Musikers gibt es dennoch Unterschiede.

Es macht viel aus, wenn man sich sieben Jahre Zeit lässt zwischen zwei Alben. So ist es nichts Alltägliches, ins Studio zu gehen, es fühlt sich nicht nach Arbeit an, es ist aufregend, so als ob ein Kind auf den Spielplatz geht. Wir müssen beinahe erst wieder herausfinden, wie man überhaupt Songs schreibt, und ich denke, aus diesem Grund klingt unsere Musik auch niemals langweilig, weil einfach aufrichtige Begeisterung da ist, wenn sie entsteht. Bei jedem Album ist es so, als würden wir sowas zum ersten Mal machen.

Mittlerweile findet NYHC anscheinend mehr auf europäischen Bühnen statt als in New York City selbst. Was ist heute noch übrig von der legendären New Yorker Hardcore-Szene?

Da fragst du den Falschen ... Ich wohne, wie fast alle in der Band, in Kalifornien. Ich weiß, dass die Musikszene dort insgesamt Schwierigkeiten hatte, da viele der herausragenden Clubs geschlossen haben und es für junge Bands viel weniger Möglichkeiten zum Spielen gibt, aber die Kids finden immer einen Weg und werden sich ihre eigene Szene schaffen. Was die etablierteren älteren Bands angeht, sind Shows in New York immer noch das Beste! Aber es scheint, als würden die meisten von uns damit enden, mehr Shows auf anderen Kontinenten zu spielen.

Sieben Jahre sind vergangen seit dem letzten Album, vom 2011er Coveralbum „Don’t Forget Your Roots“ mal abgesehen. Was war los – Schreibblockade?

Es war weniger eine Schreibblockade als die Frage, ob wir jetzt überhaupt ein neues Album aufnehmen wollten. Ich habe mit unserem Drummer 2012 ein paar Demos für Songs aufgenommen, die auf dem Album sind, und 2013 ist in Südkalifornien mit der ganzen Band noch ein Schwung dazugekommen. Aber es fühlte sich trotzdem nicht so an, als wäre die Zeit reif dafür. Es war außerdem sehr wichtig für uns, Chad dabei zu haben. Toby traf sich mit ihm, spielte ihm die Demos vor, Chad gefiel, was er hörte, und er war an Bord. Danach hieß es volle Kraft voraus und los ging’s! Es ist ein weit verbreitetes Missverständnis, H2O würde sieben Jahre für ein ganzes Album brauchen. Das ist nicht wahr, wir brauchen etwa einen Monat, es dauerte nur sechs Jahre und elf Monate, bis wir uns entschlossen haben, überhaupt eins zu machen.

Und was sind deine drei Lieblingssongs von „Use Your Voice“?

Okay, unter dem Vorbehalt, dass das nur für den Moment gilt und sich mit der Zeit sicher ändern wird ... Ich liebe „True romance“, weil er musikalisch eine ganz einzigartige Atmosphäre hat. Dann ist da „Father figure“: Die Musik ist von Rusty und hat richtig Pep. Und als Drittes „LYD“. Ich mag die Energie des Songs!