Im Windschatten von Bands wie KVELERTAK oder TURBONEGRO ploppen immer wieder andere Bands aus Norwegen auf den Bildschirm. BLOOD COMMAND aus Bergen zum Beispiel, die für ihr Debütalbum „Ghostclocks“ zu Hause einen Grammy abgeräumt und für ihr letztes Album „Funeral Beach“ Bestnoten abgesahnt haben. Mit dem dritten Album „Cult Drugs“ wollen die Norweger einen großen Schritt nach vorne machen. Raus aus der Nische, rüber nach Europa. Her mit dem Erfolg. Bandboss Yngwe Andersen kommt gerade aus dem Fitnessstudio vom gemeinsamen Workout mit Drummer Sigurd, als das Telefon zum Interview klingelt.
Yngwe, „Cult Drugs“ hört sich für mich so an, als würden zwei Bands gleichzeitig in einem Raum proben: THE SOUNDS und REFUSED ...
Das ist ein schönes Kompliment, danke! Ich liebe beide Bands. „The Shape Of Punk To Come“ ist einer meiner All-Time-Favourites. Und THE SOUNDS haben auch ein paar sehr coole Songs.
Fünf Jahre sind seit dem letzten Album „Funeral Beach“ vergangen. Bedeutet „Cult Drugs“ für euch einen größeren Schritt nach vorne als die letzten beiden Alben?
Ich denke schon. Damit wollen wir ein viel größeres Publikum erreichen. Die Songs sind besser, der Sound ist besser, es hat sich alles weiterentwickelt. Für uns ist das neue Album ein großer Schritt nach vorne. Und die Radiostationen in Norwegen haben auch schon Blut geleckt, die beiden Singletracks „Quitters don’t smoke“ und „Cult drugs“ sind hier in der Rotation. Das ist ziemlich cool.
Wie hat sich der Sound von BLOOD COMMAND verändert?
Unser Sound hat sich ehrlich gesagt nicht großartig verändert. Es ist immer noch dieselbe Mischung wie bei „Funeral Beach“, eine Kombination aus San Diego-Hardcore und Pop. Das ist einfach unser Erfolgsrezept. Never change a winning team!
Du hast wieder die komplette Musik und fast alle Texte alleine geschrieben. Was ist denn der Anteil der anderen Bandmitglieder?
Sie waren bei den Aufnahmen dabei und haben auch ihre Meinung eingebracht. Vor allem bei den Texten. Unsere Sängerin Karina zum Beispiel hat ein Jahr lang in Amerika gelebt, deshalb beherrscht sie die englische Sprache sehr gut und war sehr genau, was Aussprache und Grammatik betrifft. Sie hat also eine Menge dazu beigetragen. Simon und Sigurd haben natürlich auch ihre Standpunkte eingebracht, aber die Songs schreibe ich immer ganz alleine.
Du kommst also mit fertigen Songs ins Studio und dann müssen die anderen nur noch ihre Parts einstudieren?
Ich probe viel mit unserem Drummer Sigurd, nur wir zwei. Und wenn es an die Studioaufnahmen geht, nehme ich alle Gitarren, alle Synthesizer und alle Bassspuren auf. Dann spielt Sigurd das Schlagzeug ein und am Schluss kommen die Vocals von Karina.
In den Credits heißt es, ihr habt das Album zu Hause in Bergen in „bits and pieces“ aufgenommen. Was heißt das?
Das heißt, „Cult Drugs“ ist etappenweise entstanden. Wir waren eine Woche im Studio, dann hatten wir drei Wochen Zeit zum Nachdenken, dann ging es wieder ins Studio, und so weiter Wir waren also nie besonders lange im Studio. Wir hatten dazwischen immer lange Pausen, in denen die Songs reifen konnten. Wir haben eine Menge Zeit in das Album investiert. Angefangen haben wir mit dem Songwriting schon im Sommer 2015 und der letzte Mix war im Januar 2017 abgeschlossen.
Ich habe gelesen, anfangs waren BLOOD COMMAND ein reines Studioprojekt und ihr wolltet nicht mal auf Tour gehen. Stimmt das?
Am Anfang war es ein reines Spaßprojekt von Sigurd und mir. Wir wollten eine Hardcore-Band gründen, die wirklich poppig klingt. Nicht wie BRING ME THE HORIZON oder solche kommerziellen Bands. Wir wollten der Hardcore- und der Pop-Szene ans Bein pinkeln. Wir wollten nur ein paar Songs aufnehmen und ahnten nicht, dass die irgendwann mal auch ein Publikum haben könnten. Konzerte waren gar nicht vorgesehen.
Ist das Bergen Lydstudio auch das, in dem du als Produzent arbeitest?
Ich arbeite oft in diesem Studio an meiner eigenen Musik, ich bin aber viel als Freelancer in anderen Studios unterwegs. Zum Beispiel habe ich das Album der norwegischen Hardcore-Band ONDT BLOD produziert. Ich habe auch ein paar Radio-Sachen, HipHop- oder R&B-Zeug produziert. Ich habe schon eine Menge unterschiedliche Sachen gemacht.
Wie bist du darauf gekommen, als Produzent zu arbeiten?
Als ich mit der ersten Platte von BLOOD COMMAND beschäftigt war, habe ich gemerkt, wie viel ich mit meinen Ideen bewirken kann. Mit Tipps, Ratschlägen, aber auch Anweisungen. Da habe ich gelernt, eine Band zu steuern und den Sound in eine bestimmte Richtung zu lenken. In dieser Zeit habe ich eine Strategie entwickelt, die für viele verschiedene Stilrichtungen funktioniert.
Glaubst du, dass ihr als Band auch vom Erfolg von norwegischen Bands wie TURBONEGRO oder KVELERTAK profitiert?
Natürlich. Wenn die Leute die Musik einer Band aus einem bestimmten Land lieben, dann schauen sie sich dort auch nach anderen Bands um. TURBONEGRO und KVELERTAK haben diesen charakteristischen norwegischen Sound geschaffen. Wir haben zwar nicht den gleichen Sound, wir kommen aber aus derselben Szene. Und natürlich haben wir mit diesen Jungs eine Menge Konzerte gespielt, das hat uns sehr geholfen. Vidar und Marvin von KVELERTAK sind mit ihrer neuen Band BEACHHEADS außerdem auf dem gleichen Label wie wir: Fysisk Format.
Wie ist die Musikszene in Bergen im Vergleich zu Oslo?
Bergen hat ähnlich wie Stavanger eine Menge Metal-Bands. In Bergen gibt es jede Menge Black Metal. Zum Beispiel IMMORTAL, GORGOROTH oder ENSLAVED. Rockbands findet man eher in Oslo. Bergen ist mit knapp 250.000 Einwohnern viel kleiner. Das bedeutet, die Bands arbeiten auch unabhängig vom Genre enger zusammen. Es gibt keine Grenzen zwischen Punk-, HipHop- und Indie-Leuten. Die Musiker sind immer bunt zusammengemischt. Und bis auf ein paar Bands wie AMULET oder JR EWING, die sich schon wieder aufgelöst haben, existiert so gut wie keine Hardcore-Szene in Norwegen.
Was steckt hinter dem Albumtitel „Cult Drugs“?
Ich habe mich mit verschiedenen religiösen Kulten beschäftigt, die ihren Mitgliedern Gift ins Getränk geschüttet und gemeinsam Selbstmord begangen haben. Das hat mich schon immer fasziniert. Das ist völliger Wahnsinn. Heaven’s Gate ist so ein Kult gewesen. 1997 haben sich in San Diego 39 Menschen umgebracht, weil sie dachten, hinter dem Kometen Hale-Bopp käme ein UFO, das sie retten und an einen besseren Ort bringen würde. Offensichtlich waren diese Leute total verrückt. Es hat mich sehr beschäftigt, wie man Menschen so manipulieren kann. Und natürlich, wie wir in unserer eigenen Welt beeinflusst und gesteuert werden.
Und was fasziniert dich so an diesen religiösen Kulten?
Ich möchte wissen, was sie dazu gebracht hat, sich umzubringen und zu glauben, es wird dann besser. Die Tragik dieser Existenzen beschäftigt mich einfach. Wir sollten nicht denken, dass wir schlauer sind als diese Menschen oder dass unsere Art zu leben besser wäre. Wir wissen gar nichts, das ist alles, was wir wissen.
Liegt es vielleicht auch daran, dass du persönliche Erfahrung mit einer religiösen Gruppe hast?
Ich weiß, wie es ist, für seinen Glauben diskriminiert zu werden. Als kleiner Junge bin ich in einer strenggläubigen christlichen Familie aufgewachsen. Ich erinnere mich, wie mich Leute wegen meiner Familie ausgeschlossen haben. Deshalb ist es mir vielleicht auch wichtig, solche Menschen nicht zu verurteilen. Ich habe selbst erlebt, wie man in so einem Kult lebt und wie man dort miteinander umgeht. Ich habe vielen negative Seiten kennen gelernt, aber natürlich auch einige gute Aspekte.
Wie geht es dieses Jahr weiter mit BLOOD COMMAND?
Wir werden im Sommer auf ein paar Festivals spielen, unter anderem beim Roskilde Festival in Dänemark. Und ich denke, im Herbst werden wir auf Tour gehen. Wahrscheinlich als Support für eine größere Band. Wir waren in der Vergangenheit schon mit Bands wie REFUSED, BIFFY CLYRO oder COMEBACK KID unterwegs. Wir wollen aber auch eine eigene Headliner-Tour spielen, dann eben in kleineren Clubs.
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