PEOPLE LIKE YOU RECORDS

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Typen wie du und ich

Seit vier Jahren ist das Dortmunder Label People Like You Records schon am Start, hat seitdem eine ordentliche Bandbreite von Releases an den Start gebracht, die gemeinsam haben, dass sie sich mit den vier Lettern R, O, C und K beschreiben lassen. Mal ist es Punk-Rock wie bei GENERATORS, REVOLVERS, THE SPOOK und HEARTACHES, mal Stoner-Rock, mal Greaser-Rock wie bei den BONES oder Psychobilly wie bei MAD SIN oder METEORS. Im Ox waren die Releases von People Like You von Anfang an präsent, und das hat schon allein damit was zu tun, dass Andre und Tobbe (der ja auch bei den REVOLVERS trommelt) schon lange vor der Labelgründung gute Bekannte waren: Andre durch seinen Plattenladen Outcast, der die Neunziger hindurch DIE Anlaufstelle für Dortmunds Punk- und Hardcore-Szene war, und Tobbe seit seiner Zeit bei der Bochumer Punkband INHUMAN CONDITIONS und mit dem ich Anfang der Neunziger dann beim Fire Engine-Plattengroßhandel im Keller Kisten packte. Ein Interview mit den beiden war also längst überfällig – und hier isses.

Tobbe, unsere erste Begegnung war 1989 in Schorndorf ...

Tobbe:
Ja, da spielten wir mit INHUMAN CONDITIONS und DROOGIES und PUNGENT STENCH auf dem Nuclear Blast-Festival, denn das war damals unser Label. Und ich erinnere mich, dass wir im Backstageraum so laut waren, dass ihr das Interview mit PUNGENT STENCH dann lieber draußen gemacht habt, hehe.

Andre, wir lernten uns über deinen Plattenladen Outcast Records kennen.

Andre:
Outcast gibt es jetzt seit elf Jahren, wobei das heute nur noch ein Klamottenladen und kein Plattenladen mehr ist. 1992 hatten wir den ersten Laden in der Saarbrücker Straße, neben einer Punk-Kneipe. Davor hatte ich beinahe von Anfang an bei Idiots Records, dem Plattenladen von Hannes von den IDIOTS und später PHANTOMS OF FUTURE, den Einkauf gemacht. Danach und vor Outcast arbeitete ich dann bei Saturn als Einkäufer im Alternative-Bereich

Gebt mir doch noch ein paar biographische Daten.

Tobbe:
Ich bin Jahrgang 1972 und fing schon relativ früh mit Punkrock an, mit 12 oder so, also ab 1984/85 war ich dabei und hatte dann mit 16 die erste Band.
Andre: Ich bin Jahrgang 1963 und komme aus der Ecke Düsseldorf/Wuppertal, arbeitete im Ratinger Hof, machte in der Börse in Wuppertal Konzerte und so weiter. Der Weg zum Outcast war also ein langer, ich hatte davor schon jahrelang Konzerte veranstaltet, als Tourfahrer für Psychobilly- und Rockabilly-Bands gearbeitet, aber später auch für G.B.H., BAD MANNERS, TOXIC REASONS und so weiter. Aber das strengt unglaublich an, und so habe ich mich dann irgendwann zur Ruhe gesetzt und den Laden aufgemacht.

Für einige Jahre, quasi die ganzen Neunziger hindurch, war Outcast der Treffpunkt für Punks in Dortmund. Warum hast du den Laden dann Ende 2001 doch als Plattenladen aufgegeben und dich auf das Label konzentriert?

Andre:
Das hat was mit der Entstehung von People Like You zu tun. Wir haben von Anfang an versucht, die Platten immer direkt von den Labels und Bands zu bekommen, und dadurch hatte man so viele Kontakte, dass irgendwann automatisch die Idee kam, aus diesen Kontakten auch was zu machen. Zuerst machte ich dann unter dem Namen Outcast Records Vinylversionen von aktuellen CDs, etwa von den GENERATORS oder 3 COLOURS RED.

Und auch AGNOSTIC FRONT und SICK OF IT ALL.

Andre:
Ja, aber das war dann schon People Like You, als ich zu den CD-Rereleases auf Century Media die Vinylversionen machte. Das machte mir damals viel mehr Spaß als der Plattenladen, es war einfach eine neue Herausforderung.

Tobbe, du hattest ja schon eine ganze Weile nebenher bei Outcast im Laden gearbeitet.

Tobbe:
Ja, fünf Jahre lang immer am Samstag. Ich kannte Andre, weil er früher immer bei Fire Engine Platten gekauft hatte.

Aber warum wurde dann Outcast als zentrale Anlaufstelle der Szene in Dortmund, als der Laden, wo man immer Leute traf und auch von weiter her viele zum Platten kaufen, zugemacht?

Andre:
Das hatte viel damit zu, dass schon immer ich der Hauptansprechpartner im Laden war. Ich bin eben so ein Fachidiot, der genau weiß, wann wo welche Platte erschienen ist, wer da mitgespielt hat, was noch lieferbar ist und so weiter. So jemand wollen die Leute im Laden haben, und als ich mich dann immer mehr auf das Label konzentrierte und immer seltener im Laden stand, merkten das die Leute auch. Dadurch flaute das Geschäft natürlich etwas ab, ganz klar, und parallel wurde das Label dann erst für mich und dann für Tobbe zum Fulltime-Job, so dass ich mich zwischen Laden und Label entscheiden musste. Und so wurde dann der Plattenladen geschlossen, wobei es Outcast als Klamottenladen weiterhin gibt, und wir können uns schon vorstellen, dass es in Zukunft einen People Like You-Plattenladen in Dortmund geben wird.

Wie kommt man eigentlich auf einen Namen wie I Used To Fuck People Like You In Prison Records? People Like You ist ja nur eine Abkürzung.

Tobbe:
Das muss Andre beantworten, der hat sich den ja ausgedacht.
Andre: Wenn man ein neues Label gründet, ist man ja auch nur eines unter hunderten von Labels und muss deshalb – gerade als Punk-Label – von Anfang an so offensiv wie möglich durchstarten, damit man überhaupt eine Resonanz bekommt. Ich hatte verschiedenen Namen im Kopf, und I Used To Fuck People Like You In Prison entstand dadurch, dass ich in Los Angeles war, nicht gerade im besten Viertel, und dort nach ein paar Bier jemand in etwas aggressiver Stimmung den Spruch abließ ‚I used to fuck people like you in prison!’. Na ja, und wenn dir jemand so einen Spruch reindrückt, dann klatscht man dem Typen entweder sofort einen oder geht lieber, denn sonst bekommt man selbst aufs Maul. Ich ließ mir dann später erklären, was es mit diesem Spruch auf sich hat, und fand, das ist genau der Satz, der zu uns passt.

Im Alltagsbetrieb ist People Like You dann aber manchmal besser, oder?

Andre:
Na ja, Gewerbeamt und Finanzamt fanden die lange Version nicht wirklich toll, da mussten wir dann auch mal People Like You daraus machen. Der gewünschte Effekt ist dann auch eingetreten, jeder reagiert irgendwie auf den Namen.

Andre, du bist selbst begeisterter Plattensammler, kaufst auch nach Labels und nicht nur nach Bands. Was ist für dich die Grundidee hinter People Like You, was macht das Label aus?

Andre:
Ganz zu Anfang war Frank Koziks Label Man’s Ruin Records ein großes Vorbild, da hatte ich die Idee, so was wie die europäische Version davon zu machen, denn wir haben genauso gute Bands. Und das Artwork sollte auf keinen Fall hinter der Musik zurückstehen. Die Leute sollten in der Lage sein, eine Platte auch blind zu kaufen, eben weil das PLY-Logo drauf ist und sie dann wissen, was sie bekommen. Man‘s Ruin fing an mit Stoner-Rock und Punk-Rock, bei uns war das genauso, und damals war Stoner eben noch nicht so ein Hype wie dann später. Ich fand das ‚neu’ und interessant, hielt das für Musik, die, wenn sie heftig genug war, Punk sehr ähnlich war.

Was viele Leute aber durchaus anders sehen.

Andre:
Mittlerweile ja, und mir geht es da genauso.
Tobbe: In der Hinsicht hat sich bei PLY sicher was geändert, das stimmt.
Andre: Zum Glück gibt es auch Stoner-Rock-Bands – wobei wir das Wort ‚Stoner’ eigentlich aus unserem Wortschatz verbannen wollen –, die cool sind und verdammt nah am Punkrock.

Das ist ja oft so. Solche enge Genrebezeichnungen sind meist nur dann relevant, wenn die Sache gerade so richtig hochkocht, und mit ein paar Jahren Abstand merkt man dann, dass es doch auch wieder nur irgendwie Punkrock war.

Tobbe:
Uns gefiel das damals auch wirklich, das war kein Hype oder so. Mittlerweile hat sich das eben anders entwickelt, sehen das Stoner-Genre genauso kritisch an wie die Leute da draußen und trennen uns wieder von den ganzen Sachen. Das stagniert alles, da werden bei uns nur ganz, ganz wenige Bands überleben.

Anfangs war der Output enorm bei People Like You, ja es kam für meinen Geschmack auch wirklich zu viel raus. Mittlerweile hat sich das geändert, ihr macht weniger, aber dafür ist jetzt auch fast jede Platte wichtig. Und ich finde, erst jetzt hat das Label mit Bands wie den REVOLVERS, MAD SIN oder den BONES ein richtiges Profil.

Andre:
Die Anfangszeit war geprägt davon, dass wir als neues Label einfach erst mal irgendwie Fuß fassen mussten. Und wir wollten von Anfang an kein kleines Label sein, das nur vier Releases im Jahr macht, sondern richtig durchstarten. So kam es dann eben zu dieser, na ja, Flut an Releases, und erst später kristallisierte sich dann heraus, wer wirklich zur Familie gehört. Jetzt, da viele Bands mit uns gewachsen sind bzw. wir mit denen und jetzt auch größere Bands zu uns kommen, können wir uns um die Bands auch besser kümmern, was für uns und die Bands wichtig und gut ist. Und so bringen wir eben jetzt nicht jede Platte raus, nur weil ich persönlich die Band gut finde, denn das macht einfach keinen Sinn.
Tobbe: Wir mussten da einfach die Notbremse ziehen, um uns auf die Sachen konzentrieren zu können, die wir wirklich mögen und machen
wollen. Denn wir wollen uns auch 100% um jede Band kümmern können.

Gutes Thema: Ihr seid ja eben ein „richtiges“ Label, das sich komplett um seine Bands kümmert und eben nicht nur die Platte rausbringt und das war‘s dann.

Andre:
Haha, das geht bei uns soweit, dass mich die Bands als ‚Papa’ ansehen, der alles für sie macht. Was immer passiert, ich werde angerufen und muss das regeln, aber das ist auch okay so. Wer zu uns kommt, der bekommt dann eben das ganze Paket und nicht nur eine CD und das war’s dann.

Welches sind denn die derzeit aktiven PLY-Bands?

Andre:
THE BONES, MAD SIN, REVOLVERS, THE SPOOK, THE HEARTACHES, ADAM WEST, VENEREA, METEORS, GENERATORS, DAMNATION und THE SPITTS – und einiges mehr ist in Planung.

Was hat denn People Like You mit Century Media zu tun? Ihr teilt euch ja Büroräume und Vertrieb.

Andre:
Ich brauchte zu Anfang einen Partner, der mich finanziell unterstützt, aber Tobbe und ich machen das Label komplett alleine. Er im Büro bei Century Media, ich im Büro zu Hause. Praktischerweise teilen wir uns das Lager mit Century Media und können deren Infrastruktur nutzen. Weitere Verbindungen gibt es da aber nicht, wir sind eine unabhängige und eigenständige Firma.

Und welche Rolle spielt Brigitte?

Andre:
Das ist meine Freundin, wir sind seit einer halben Ewigkeit zusammen, aber ihr Job ist ihr Laden – also Outcast als Boutique – und mit dem Alltagsgeschäft von PLY hat sie gar nichts zu tun.

Abschließende Frage: Wie definiert ihr für euch Punk?

Tobbe:
Punk ist für mich die Freiheit, das zu sagen, was ich will, und so zu leben, wie ich will. Und es gehört auch dazu, Freunde und Bekannte zu haben, die ganz ähnliche Vorstellungen haben, die sich auch ihre Freiräume im Leben geschaffen haben und die dafür auch Einsatz bringen, sei es jetzt durch Clubs, Fanzines, Labels, politische Aktivitäten und so weiter. Das gehört alles zusammen, das kann man nicht trennen. Und gerade was Musik und Politik anbelangt, bin ich vehement der Meinung, dass man das nicht trennen kann. Und wichtig ist mir auch, nicht nur konsumieren, sondern auch zu produzieren, und das auf unabhängiger Basis.
Andre: Für mich bedeutet Punkrock heute, dass jeder seine Definition von Punk so leben soll, wie er will. Und das hat mit dem Aussehen nichts mehr zu tun für mich – Hauptsache man macht sein Ding, und für Punkrock sollte es keine Grenzen geben.

Andre und Tobbe, ich danke euch.