ANGRY SAMOANS

Die ANGRY SAMOANS - sie haben, trotz ihrer vier völlig verschiedenen Platten, einen eigen Stil kreiert, der bis heute unzählige Bands beeinflußt hat. STEAKKNIFE etwa haben sich nach einem ihrer Songs benannt, die FOO FIGHTERS und die MIGHTY MIGHTY BOSSTONES haben Lieder von ihnen gecovert. Hier wird die Geschichte dieser einmaligen Band wieder ans Licht gezerrt.

Los ging es mit den ANGRY SAMOANS 1978, als in Los Angeles Punkrock gerade dabei war durchzustarten. Fünf magere weiße Kids aus San Fernando Valley gründeten eine eigene Band, die Garage-Rock machen wollte. Die beiden Gitarristen Mike Saunders und Gregg Turner hatten vorher bereits in einer anderen Band namens VOM gespielt, und das erste Line-Up wurde von Kevin Saunders, Mikes Bruder, an der Gitarre, Todd Homer am Bass und Bill Vockeroth an den Drums komplettiert. Als Bandname waren THE EIGEN VECTORS (ein mathematischer Ausdruck) oder THE EGYPTIANS im Gespräch, man entschied sich aber schließlich für ANGRY SAMOANS.

Das erste Konzert fand an Halloween 1978 statt: Die ANGRY SAMOANS eröffneten für ROKY ERICKSON AND THE ALIENS, aber Roky Erickson tauchte gar nicht erst auf. In einem späteren Interview sagte Mike Saunders, daß die Aliens auch ohne ihn sehr gut gewesen seien. Ein paar absurde Konzerte folgten, darunter welche in der Santa Monica High School und im Camarillo State Mental Hospital. Das Tempo der Musik wurde bei einem Gig bei Rhino Records angezogen, als Kevin Saunders und Bill Vockeroth, beide völlig stoned, entschieden, daß es cool wäre schneller zu spielen, aber vergassen dies den anderen vorher zu sagen. Die anderen waren zuerst überrascht, aber dem Bassisten gefiel dieses schnellere Tempo immer besser, daher wurde es beibehalten.

1980 wurde die erste EP "Inside My Brain" auf dem Samoans-eigenen Label Bad Trip Records veröffentlicht, welche 1987 von PVC Records mit neuem Cover sowie Demo- und Livesongs aufgemotzt wiederveröffentlicht wurde. Die Songtexte waren alle ziemlich sarkastisch und provokativ gehalten, aber ein Lied sollte die ANGRY SAMOANS in eine Richtung drängen, in die sie gar nicht gehen wollten: "Get Off The Air". Der Text sollte eigentlich nur den Abscheu der Band gegenüber der Rockszene von Los Angeles zum Ausdruck bringen, verkörpert durch den DJ Rodney Bingenheimer, der für KROQ-FM arbeitete. Die Band haßte nicht einfach nur Los Angeles, sondern das, wofür es stand. Sie haßten die Leute, die sich mit der Rockszene, der Filmindustrie und so weiter arrangierten. Und dann war da halt dieser Kerl, der eine New Wave-Show im Radio hatte und ständig auf der Suche nach dem nächsten großen Ding war. Als das Lied entstand, war er ein leichtes Ziel, das nur darauf wartete beschossen zu werden. Die ANGRY SAMOANS hatten nichts gegen ihn persönlich, aber er stand für alles, was ihrer Meinung nach in und an L.A. krank war. Eigentlich rechnete die Band damit, daß Rodney Bingenheimer sagen würde "Hey, ein Lied über mich. Sie hassen was ich mache." - und dann würde er es in seiner Show spielen. Aber Rodney fühlte sich angemacht, spielte die beleidigte Leberwurst und die ANGRY SAMOANS wurden zu Aussätzigen erklärt.

Der Band war das eigentlich egal, aber man wunderte sich doch über die Auswirkungen des Liedes. Leute wie Lee Ving von FEAR kamen auf die Band zu und meinten, daß es keine so gute Idee gewesen sei Rodney zu beleidigen, weil er ihnen von nun an das Leben schwer machen würde. Die Samoans konnten sich aber nicht vorstellen, wie er das machen wollte. Sie hatten aber übersehen, daß er eine Art Symbol für viele Leute war. Die Musikszene brauchte Rodney, und Rodney brauchte die Musikszene. Viele Bands kamen auf die Samoans zu und meinten: "Wie konntet ihr Rodney das antun? Er hat soviel für die Szene getan." "Ach ja? Was denn?" war dann ihre Antwort. Die ganze Sache hatte schließlich zur Konsequenz, daß die Band in Los Angeles keine Konzerte mehr, also wich sie in die Vororte aus. In der Provinz gab es dann extrem gewalttätige Konzerte, bei denen sich die Leute richtig auf die Fresse schlugen, aber hier wurden die ANGRY SAMOANS wenigstens noch mit offenen Armen empfangen. Außerdem wollte die Vorortjugend extrem schnell gespielte Musik hören, Toleranz kannten sie nicht. Daher bekamen die Samoans hier eine Art Lehrstunde in musikalischem Darwinismus - schnell spielen oder sterben. Sie spielten schnell, und überlebten.

Die Samoans mußten sich aber entscheiden, ob sie weiter eine 60s-Garagenband oder doch lieber eine Punk- und Hardcoreband sein wollten. Sie entschieden sich das Tempo zu verdoppeln, später zu verdreifachen. Und je mehr sie dies taten, umso mehr wurden sie von den Kids in den Suburbs geliebt: sie wurden zu einer angesagten Band. "Und dann ging es los", erzählt Gregg Turner. "Wir waren nicht darauf vorbereitet, Selbst wenn wir in L.A. spielten, kamen nicht mehr als 40 bis 50 Leute zu unseren Shows. Wir fuhren dann nach Boston, nachdem unsere Punkscheibe rauskam, und da waren dann 2.000 Leute im Club, die jeden Song lauthals mitsangen. Wir konnten es nicht glauben."

1982 wurde dann die "Back From Samoa"-EP (auch 1987 mit Extrasongs von PVC wiederveröffentlicht) rausgebracht. Im gleichen Jahr kam unter dem Pseudonym QUEER PILLS eine 7" raus, auf der ältere Versionen von "Back From Samoa"-Songs drauf waren. Hier schlug sich das schnelle Tempo erstmals auf Platte nieder und Hits wie "Gas Chamber", "Lights Out" und "Steakknife" erblickten das Licht der Welt. Aber die Samoans hatten irgendwie keine Lust mehr vor marodierenden Punks aufzutreten und zogen sich zurück. Eine lange Ruhephase begann. 1984 fand man in Steve Drojensky endlich eine Ersatz für den schon lange ausgestiegenen Kevin Saunders. Vereinzelt wurden ein paar Gigs gespielt. Dann nahm Drummer Bill Vockeroth 1985 eine Auszeit, Mike Saunders zog nach Oakland und für ihn kam Jeff Dahl in die Band. Sein Gesangsstil passte aber irgendwie nicht zu den Samoans, und so war dieses Zwischenspiel bald wieder bendet. Metal Mike kehrte zurück, und mit einem Aushilfsdrummer wurden 1985 noch drei Gigs gespielt.

Erst mit ihrem ersten richtigen Plattenvertrag bei PVC/Jem Records kamen die Samoans wieder zusammen, und 1987 erschien die "Yesterday Started Tomorrow"-EP. Erstmals wurde auch das anfänglich geplante musikalische Konzept auf Platte gebannt, endlich wurden die Regler etwas zurückgedreht und Gregg Turner schaltete sein Fuzz-Gerät ein. Mit dem ersten Plattenvertrag kamen aber auch die ersten miesen Erfahrungen. Das Originalcover wurde gegen den Willen der Band nicht verwendet und sie bekamen die Mastertapes nicht zurück. Die ganzen Auseinandersetzungen zogen sich einige Zeit hin und kosteten die Band einen Haufen Geld. Als Krönung von alledem verstanden sich die einzelnen Bandmitglieder nicht mehr allzu gut. Streitereien gab es eigentlich von Anfang an und Mike und Kevin Saunders zankten sich oft während der Proben, aber während einer Tour quer durchs Land traten die Abneigungen offen zu Tage und die anschließenden Aufnahmen zu "STP Not LSD" waren so unerträglich, daß selbst Drummer Bill Vockeroth, der sanftmütigste und geduldigste von allen, später extrem genervt war. Er erinnert sich nur ungern an die Aufnahmen: "Was mir in Erinnerung kommt, ist das Geschrei während der Aufnahmen. Oder das Ausprobieren von sieben verschiedenen Verstärkern. Zu allem Überfluss haben wir in einem Acht-Spur-Studio aufgenommen. Ein Acht-Spur-Studio ist der Alptraum eines jeden Drummers. Für jede Spur brauchst du ein Mikrofon, ich brauchte vier für Trommeln und zwei für die Becken - blieben also zwei Spuren übrig. Mir wurden dann einfach zwei Drumspuren weggenommen. Da gehst du als Trommler ins Studio um den bestmöglichen Sound abzuliefern, und dann werden einfach zwei Spuren weggeschnitten, der blanke Horror. Aber das Album ist trotzdem gut geworden."

"STP Not LSD" ist in der Tat das vielleicht beste Samoans-Album. Endlich wurde das Konzept einer mutierten Garage-Band konsequent umgesetzt. Aber trotz des endlich erreichten Ziels stieg Gründungsmitglied Todd Homer aus. Für ihn kam der erst zwanzigjährige Scott Greer in die Band. Erstmals seit langem machten den anderen Konzerte wieder richtig Spass., doch Aufnahmen machten die Samoans aber keine mehr. 1991 kam es dann zum Eklat zwischen Mike Saunders und Gregg Turner. Von da an ging man getrennte Weg: Metal Mike brachte ein paar Solo-Sachen raus und Gregg Turner spielte fast nur noch zum Spass. Vor kurzem nun hat Metal Mike die ANGRY SAMOANS wiederbelebt, aber außer ihm ist nur noch Drummer Bill Vockeroth von der Originalbesetzung dabei- was Gregg Turner davon hält, das kann jeder im folgenden Interview nachlesen.

Um die Angry Samoans History abzurunden dachte ich mir, daß es ganz interessant sein könnte zu wissen, was die Leute aus der Band heute so machen. Einen Kontakt zu Metal Mike konnte ich nicht herstellen, dafür aber zu Gregg Turner, der von Anfang an bei den ANGRY SAMOANS spielte. Beim Surfen im Internet habe ich seine Homepage gefunden und er hat meine E-Mail sofort beantwortet (der Mann scheint ständig vor seinem PC zu sitzen). Er scheint ein kluger Kopf zu sein und die Geschichten, die er zu erzählen hat, fand ich ziemlich spannend. Aber lest selber...

Auf deiner Internetseite habe ich gelesen, daß du Professor für Mathematik bist. Wie hast du es geschafft Musik und Studium unter einen Hut zu bringen und wie bist du an den Job gekommen?

Meinen Doktortitel habe ich im Mai 1991 an der Claremont Graduate School erhalten. Meine Dissertation beschäftigte sich mit einem Bereich aus der linearen Algebra und mit Verzögerungsdifferentialgleichungen. Letzteres nennt man auch Kontrolltheorie. Leider ist der Arbeitsmarkt in den USA für Doktoren der Mathematik im akademischen Bereich, also Universitäten und so, nicht gut und seit dem Jahr, in dem ich meinen Doktor gemacht habe, sind offene Stellen im festangestellten Bereich äußerst rar geworden. Ich habe es aber geschafft, ein postdoktorales Forschungsstipendium zu bekommen und habe außerdem für ein paar Jahre an der Uni in Los Angeles unterrichtet. Das war aber nur eine Zweijahresanstellung. Die einzige Anstellung, die ich danach bekommen konnte, war als Hilfsprofessor an diesem Kunst-College von Santa Fe, New Mexico. Dort war ich fünf Jahre. Die Studenten dort waren, gelinde gesagt, kaum eine Stufe höher als Idioten. Wir hatten nur ein paar wissenschaftliche Hauptfächer, von Mathematik ganz zu schweigen, und wir nahmen jeden lebenden, atmenden Körper auf, der $ 13.000 pro Jahr für Privatschulunterricht bezahlen konnte. Das führte dazu, daß ich versuchte Studenten das Wahrscheinlichkeitsrechnen beizubringen, die in der High School Arithmetik und Algebra gehabt haben sollten. Ich habe gewöhnlich Leute bestehen lassen, die an jeder anderen Uni durchgefallen wären. Dies wurde stillschweigend als notwendige Nachsicht gegenüber den Studenten gesehen, damit sich der Fachbereich nicht selbst in den Ruin trieb und plötzlich feststellen mußte, daß die Nullmenge die gleiche Zahl ist wie die der für Wissenschaften eingeschriebenen Studenten. Wie auch immer, ich wollte diese Hintergrundinformationen erwähnen, damit eure deutschen Leser Vergleiche ziehen können. Ich weiß nicht, wie der Zustand der Bildung in Deutschland ist, aber ich bin sicher, daß sie viel höher angesiedelt ist als hier bei uns. Amerikanische Prioritäten sind Michael Jordan und Madonna, das heißt Unterhaltung und Ablenkung. Eine kulturelle Narkose um Gedanken und Gefühle zu unterdrücken. Es ist also das geistige Gleichgewicht, aus dem sich der Laissez-faire-Kapitalismus entwickelt hat.

Aber Entschuldigung, wir reden ja eigentlich über Punkrock! Sorry, eigentlich ist es nicht meine Art so melancholisch und erklärend zu sein. Es gab immer eine Handvoll von Studenten, welche die ANGRY SAMOANS kannten, aber mit der Zeit werden es immer weniger. Normalerweise ist es eher Neugier oder der Versuch, sie zu ködern, um ihr Interesse zu erhalten. Da gab es mal eine Sache, als ich im Sommer einen Förderkurs an einer staatlichen Universität in Südkalifornien unterrichtete: Diese drei Tussen haben mich in den ersten Wochen wahnsinnig gemacht, haben nur geredet, waren unruhig, haben gestört usw. Ich habe dann den passiv-aggressiven Weg gewählt, gewartet, bis sie durch den wöchentlichen Test gefallen waren und bin dann vor der Klasse auf ihren Fall eingegangen: "Monica, warum haben wir denn nur 5 von 50 Punkten erreicht? Vielleicht wäre das nicht passiert, wenn wir im Unterricht etwas aufmerksamer gewesen wären...", und so weiter. Ich mache sowas eigentlich sehr selten, aber die haben es herausgefordert - und dann habe ich das noch mit den anderen gemacht. Wie auch immer, sie alle hatten diesen völlig angepissten Ausdruck à la "Wir kriegen dich noch!", und ich dachte mir nur, "Alles klar!".

Zwei Wochen später kamen sie dann zu meinem Pult, als wir gerade eine Pause machten. Es gab da noch diese vier älteren Frauen in der Klasse, die rumsaßen und wie üblich in der Pause nicht zum Getränkeautomaten gingen, und als diese drei Verrückten zu mir kamen, dachte ich, daß sie das genau geplant hatten. Jetzt hatten diese Weiber ein Publikum und drehten völlig auf - Synergie! Egal, sie schauten mich an, grinsten wie die Affen und verkündeten: "WIR HABEN DEINE NUMMER, DU VERARSCHST NIEMANDEN!!" "Was labert ihr da?", fragte ich, plötzlich gekränkt, obwohl ich nicht wußte warum. "WIR WISSEN ALLES ÜBER DICH!! THEY SAVED HITLER'S COCK - DU VERARSCHST NIEMANDEN!!!" Und dann ging der Sprechchor los: "Hitler's cock, Hitler's cock, Hitler's cock...". Die älteren Frauen, die noch im Raum waren, flippten aus und gingen in den Gang und die Mädels lachten und behinderten schließlich das, was nach der Pause noch von der Stunde übrig war. Ich habe gezittert und war nicht sicher, ob ich Lachen oder Weinen sollte. Ich beschloß die Sache zu vergessen - bis ich eine Nachricht vom Rektorat erhielt, das anscheinend von diesen älteren Frauen in ihren Geschäftsklamotten, die wegen der Sache ziemlich beunruhigt waren, alarmiert und über den Vorfall informiert worden war. Ich glaube, sie waren Buchhalterinnen, die den Kurs prüfen sollten...

Das Rektorat wurde von einer älteren Frau geleitet, die sowieso schon sehr unsicher und nervös war. Als ich in ihr Büro kam, war sie noch hibbeliger und nervöser. Sie stotterte und blickte zu Boden: "Ich weiß nicht... ähm... genau... äh... was für eine bizarre und merkwürdige Sache sie am laufen haben mit ... Studentinnen und ... - sie schaut auf ihren Notizblock - ... NAZIGENITALIEN!!!" Oh Mann, als ich das mit den Nazi-Genitalien hörte, wußte ich, daß es nicht gut werden würde. Sie fuhr fort: "Das kann so nicht weitergehen. Ich kann das nicht akzeptieren, egal was es ist..." Ich unterbrach sie an dieser Stelle um zu "gestehen" und zu erklären, daß "They saved Hitler`s cock" eigentlich ein, tja, "Lied", ein "Pop-Song" einer Punkrockband war, bei der ich mal gespielt hatte blah blah blah, und erst als ich eine Kopie des "Back from Samoa"-Albums mitbrachte, begann sie mir zu glauben. Sie brach in ein hysterisch-wahnsinniges Lachen aus - sollte es Erleichterung gewesen sein? -, fand es "sehr lustig" - Gott sei Dank - und meinte, daß wir die Akte am Schwarzen Brett des Fachbereichs Mathematik als ein Beispiel von "Nebenbeschäftigungen" ausstellen sollten, die Zubehör erforderten. Ich bat sie, dies nicht zu tun, weil es eine permanente Einladung für Unterrichtsunterbrechungen wäre, und sie stimmte mir zu. Aber am nächsten Tag änderte sie ihre Meinung anscheinend: sie stellte die Akte aus, mit meinem eingekreisten Foto plus Ausrufungszeichen auf der Rückseite. Am nächsten Morgen stürmten fünf oder sechs - so wurde mir jedenfalls erzählt - Jugendliche mit Iro ins Mathematikbüro und schütteten alle Büroklammern, Gummibänder, Formulare und Papiere auf dem Tisch aus und sorgten für einigen Wirrwarr. Ich bin mir nicht sicher, ob diese Demonstration die ANGRY SAMOANS unterstützen sollte, oder ob sie von einer Pro-Rodney Bingenheimer-Fraktion - du weisst schon, "Get off the air" - durchgeführt wurde.

Wie auch immer, es dürfte klar sein, daß ich von dieser Schule nie wieder für eine Aushilfstätigkeit eingestellt wurde. So, das ist also meine "Wissenschaft trifft Punkrock"-Geschichte. Ich werde versuchen, nicht mehr so ausschweifend zu sein.

Es hat den Anschein, daß sogar aus dem Punkrock einige Akademiker hervorgehen. Die Sänger von BAD RELIGION und den DESCENDENTS haben beide ihren Doktor gemacht, und Vic Bondi einst bei ARTICLES OF FAITH, ALLOY und JONES VERY ist auch Professor. Sind Punks intelligenter als andere Musiker?

Ich denke, daß Punks eine gewisse Verachtung für Konformität und den Status Quo teilen oder zumindest früher geteilt haben, wenn es überhaupt ein Merkmal gibt, das sie von anderen gesellschaftlichen Gruppen abhebt. Aber das Drumherum der Punk-"Kultur" ist - jedenfalls für mich - heute mehr ein ausgelutschter Anachronismus als irgendwas anderes. Es gab immer schlaue Punks, dumme Punks und sogar Punks mit durchschnittlicher Intelligenz! Das hängt vom Grad deiner Selbstverachtung und Angst ab, die dich am Anfang in das Reich des Punk beförderten.

Sprechen wir über die Band. Wie kam es zum Split der ANGRY SAMOANS im Dezember 1991?

Keiner von uns konnte die anderen mehr ertragen. 13 Jahre waren genug. Das Beschimpfen mitten im Set war ein pathetisches Ritual geworden. Es war nicht mehr lustig und auch nicht spontan. Ironischerweise hatten wir in den letzten vier Jahren von 1988 bis 1991, als wir zu viert waren - ich und Mike Saunders an den Gitarren, Bill Vockeroth am Schlagzeug und Heath Sieffert am Bass -, das beste Songmaterial der Bandgeschichte und haben am besten gespielt, seit wir 1978 angefangen haben. Wir coverten Songs von den DICTATORS, Lieder von den SAINTS und SOCIAL DISTORTION und so, und die Gesamtmischung war näher als je zuvor am 60s/70s Punk/Garage/STOOGES/ELEVATORS-Modell, das Mike Saunders und mich inspiriert hatte und uns eigentlich dazu veranlaßte, die Band zu gründen. Aber gegen Ende gab es einfach zuviel Antipathie. Der Samoans-Teil des Bandnamens war ohne Bedeutung, aber das Angry traf den Nagel auf den Kopf!

Hast du noch Kontakt zu den anderen ANGRY SAMOANS?

Ich versuche es zu vermeiden.

Viele der alten amerikanischen Punkbands wie die DESCENDENTS oder die MISFITS sind erst nach einer Reunion durch Europa getourt und die Reaktionen des Publikums waren durchweg positiv. Die ANGRY SAMOANS sind immer noch ein Begriff bei uns. Habt ihr je darüber nachgedacht auch mal hierher zu kommen?

Wir sind einmal von einem Veranstalter kontaktet worden, ich glaube, daß war 1988 oder vielleicht auch 1987. Saunders hat sich total geweigert das Angebot anzunehmen, wollte uns aber keine Gründe nennen. Wir haben vermutet, daß er eventuell Flugangst oder sowas hätte, aber wer weiß. Das war's dann.

Hast du mit der Musik aufgehört oder bist du noch aktiv, und wie hören sich eventuelle neue Lieder an?

Ich habe immer noch meine Finger drin. Ich habe gerade mit ein paar Freunden ein Demo in Santa Fe aufgenommen. Wir nennen uns THE BLOOD DRAINED COWS und machen vor allem punkigen 60s Garage-Rock. Ein ziemlich abgefahrenes Stück, quasi das "Jerry Curlan" der BLOOD DRAINED COWS wenn man so will, "I'm a caveman", kam im Studio ziemlich wild rüber. Produziert wurde das Ganze von Jeff Dahl, der Mitte der Achtziger mal Interimssänger der Angry Samoans war, als Saunders die Band verlassen hatte. Wir haben eine Kopie davon an Crypt in Deutschland geschickt, aber die bringen anscheinend im Augenblick keine neuen Sachen raus. Daher suchen wir immer noch interessierte Labels, am liebsten aus Europa. Kennst du welche? Neben diesem Projekt habe ich eine Solo-CD namens "The Mistaken" aufgenommen, die im Sommer 1994 auf Triple X Records erschienen ist. Sie ist viel ruhiger und relaxter. Eine Menge von dem Kram, und auch neueres Material, habe ich in Santa Fe in Kaffeehäusern gespielt. Das mache ich jetzt auch hier in Worchester, Massachusetts, wohin ich kürzlich umgezogen bin, weil ich eine Lehrposition an der Clark Universität bekommen habe.

Wie findest du es, daß Mike Saunders und Bill Vockeroth ihre Band jetzt wieder ANGRY SAMOANS nennen? Haben sie dich gefragt, ob du mitmachen willst?

So wie ich das sehe, ist das hauptsächlich Mike Saunders und Bill Vockeroth ist gelegentlich dabei. Ich meine, was soll ich sagen? Wird Metal Mike mit sechzig immer noch "Stupid jerk" vor der nächsten Generation 12-jähriger singen? Von dem, was ich auf Video gesehen habe, ist es das selbe alte Zeug mit befreundeten Musikern nicht allzugut gespielt. Und was am wichtigsten ist, der Witz ist nicht mehr lustig. Du mußt wissen, daß Saunders ein sehr intelligenter, witziger und kenntnisreicher Rock´n´Roll-Archar ist, und ich wäre mehr beeindruckt, wenn er sich bemühen würde das nächste große Ding ins Leben zu rufen, was auch immer das ist, oder eben nicht.

Was war die Idee hinter den ANGRY SAMOANS? Roh, anti-trendy und satirisch zu sein?

Roheit kam immer von alleine, da mußten wir uns nicht anstrengen. Anti-trendy waren wir insofern, als in Los Angeles die Trendgeilheit als eine Art sozialer Krankheit grassierte und es fast schon logisch erschien, das alles anzuprangern - es war einfach zu offensichtlich, ein viel zu fettes Ziel. Satirisch? Die Menschen nehmen sich selbst viel zu ernst. Die Lektion der 70er war, daß das nicht länger toleriert werden durfte. Das resultierte dann in den RAMONES, den DICTATORS und so weiter. Das war immer unser Ding, weniger Sachen wie z.B. X.

Welche Idee steckte dahinter Leute mit Songs wie "Get off the air" oder "Posh Boy's cock" zu provozieren?

Rodney Bingenheimer war ein ziemlich leichtes Ziel. Eigentlich waren es Posh Boy Records auch. Fette Objekte, die etwas Zielschießen vertragen konnten. Es war unglaublich, daß uns noch niemand zuvorgekommen war. Außerdem war es ein Teil des Punkrockethos, daß es nichts besseres gab, als etwas zu verspotten oder mit dem Finger darauf zu zeigen. Deshalb schien das Ganze in einer Linie mit der Ethik dieser Zeit zu stehen! Um so überraschter waren wir, daß der DJ Rodney Bingenheimer völlig ausrastete, als er "Get off the air" hörte. Wir dachten eigentlich, daß er das Lied als sein persönliches Punkrock-Empfehlungsschreiben als Aufhetzer sehen und es überall heraus posaunen würde. Stattdessen spielte er lieber die Opferrolle und der Rest ist Geschichte.

Wie alt warst du, als du die ANGRY SAMOANS gegründet hast?

Ich war 23, wenn man 1978 als den Anfang der Band nimmt. VOM gab es schon 1976, glaube ich. Also muß ich 21 gewesen sein, als wir VOM gründeten.

Bist du überrascht über den Ruf, den die ANGRY SAMOANS heute noch genießen?

Ich bin nicht sicher, wie das heute so aussieht. Es scheint, als ob das Interesse schwindet und hier in den Staaten keiner mehr daran interessiert ist - aber vielleicht ist das bei euch in Deutschland ja anders.

Was für Musik hörst du denn heute gerne?

Ich mag gar nicht mehr soviel. Jonathan Richman zum Beispiel. Vor zwei Jahren habe ich SOCIAL DISTORTION live gesehen und fand sie ziemlich klasse. Ich mag ihre letzte CD "White light, white heat, white trash" wirklich sehr und höre sie ständig in meinem Auto. Ich bin auch ein großer CRACKER-Fan. Ihre zweite CD "Kerosene hat" fand ich sehr gut.

Magst du die FOO FIGHTERS-Version von "Gas Chamber"?

Ja, ihre Version ist besser als wir das Stück je hinbekommen haben!

Findest du es gut, wenn andere Bands ANGRY SAMOANS-Lieder covern?

Es ist immer klasse, wenn etwas von dem, was wir gemacht haben, in die heutige Zeit paßt, etwa die MIGHTY MIGHTY BOSSTONES-Version von "Lights out".

Seid ihr schon mal von einer Plattenfirma abgezogen worden?

PVC Records gingen irgendwann in den 80ern Pleite und schuldeten uns am Ende etwa $60.000, und Faulty Records, ein Unterlabel von IRS, die "Back from Samoa" vertrieben haben, gingen ebenfalls Bankrott und schuldeten uns etwa den gleichen Betrag. Wir waren nicht die einzigen Schuldner, aber das war nur ein schwacher Trost. Wir hatten eigentlich nie eine Plattenfirma, die in der Lage war uns adäquat zu promoten und zu vertreiben. PVC war eigentlich einige Zeit in Ordnung, bis sie sich aus dem Geschäft zurückzogen.

Wieviele Platten habt ihr denn so verkauft?

Ich habe keine Ahnung. Mir wurde gesagt, daß Platten, CDs und Kassetten zusammengenommen etwa eine halbe Million ergeben. Was, wenn es stimmen würde, traumhaft viel wäre für mein Verständnis. Es ist aber natürlich nichts im Vergleich zu irgendwelchen Topacts, die pro Halbjahr eine Millionen Platten verkaufen!

Ich weiß, daß es in Deutschland doch noch den einen oder anderen gibt, der die ANGRY SAMOANS gut findet. Hast du was dagegen, wenn ich deine E-Mail-Adresse angebe, damit man mit dir in Kontakt treten kann?

Nein, hier ist sie: gturner@clarku.edu - ich bin ziemlich gut darin jede E-Mail zu beantworten, die ich bekomme.