Nach „Katharsis“ befasst sich der ehemalige Charlie Hebdo-Karikaturist Luz nun zum zweiten Mal mit den traumatischen Erlebnissen vom 7. Januar 2015. Während „Katharsis“ sich hauptsächlich mit den Geschehnissen nach dem Anschlag beschäftigt, geht „Wir waren Charlie“ in einer Art kombinierter Luz-Biografie und Charlie Hebdo-Porträt auf die Ereignisse davor ein. Durchbrochen werden Luz’ in seinem typisch karikaturistischen Stil festgehaltene Erinnerungen zu seinem eigenen Werdegang als Zeichner, Freundschaften mit und Eigenheiten von Charlie-Kollegen immer wieder von Überblenden in Luz’ Gegenwart in mit dickem Pinselstrich schnell aquarellierten Bildern ohne klare schwarze Linien. An mehreren Stellen verkehrt er seine Zeichnungen auch komplett ins Negative, also weißer Strich auf schwarzem Grund, hier liegen die Ereignisse aber in Gegenwart und Vergangenheit. Diese visuelle Zerrissenheit spiegelt Luz’ täglichen inneren Kampf nur recht unterschwellig wider, was dem Leser das unangenehme Gaffergefühl erspart, das mich zumindest recht häufig bei der Lektüre von Büchern beschleicht, die sich mit der Verarbeitung von Traumata befassen. Mit der letzten Traumsequenz des Bandes, als einzige in einem blau-grauen Ton koloriert, verabschiedet sich Luz dann endgültig von seinen bei dem Anschlag umgekommenen Kollegen, indem er alle noch einmal ausgiebig feiern lässt. „Mach dir keinen Kopf, Luz! Wir sind bei ,Charlie‘, wir machen, was wir wollen! Die Welt kann uns mal!“, verabschiedet sich Charb, bevor der mit rotem Stift zeichnende Luz auf der letzten Seite seine tintenschwarzen Finger betrachtet und den Band mit „Unauslöschlich ...“ beendet. Ein melancholischer und sehr liebevoller Blick zurück.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #150 Juni/Juli 2020 und Anke Kalau