THE MIGHTY MIGHTY BOSSTONES, so könnte man ketzerisch sagen, sind aus genau zwei Gründen eine bemerkenswerte Band. Erstens: Sie haben es geschafft, sich in einem Genre über Wasser zu halten, das viele Hörerinnen und Hörer allzu oft nur noch belächeln, weil es gefühlt so inflationär daherkommt. Die Rede ist natürlich vom Skacore, Ska-Punk oder wie man diese Spielart auch immer nennen mag. Es zählt das klischeehafte Motto: E-Gitarren, Offbeat, ein paar Trompeten – fertig ist die Sauce des schon tausendmal Gehörten. Zweitens: THE MIGHTY MIGHTY BOSSTONES gelten noch immer als absolute Szenegröße, obwohl sie streng genommen ein One-Hit-Wonder sind. „The impression that I get“ von 1998 ist und bleibt eben ihr Klassiker. Wohlgemerkt, ihr einziger. Zumindest für den Großteil der Zuhörer:innen. Wenn niemand sonst etwas von ihnen kennt, diesen Song kennen sie alle. Dennoch ist es natürlich Blödsinn, THE MIGHTY MIGHTY BOSSTONES nur nach diesen beiden Gesichtspunkten zu bewerten. Es ist sogar sträflich ignorant. Denn was – „Stop“ gedrückt, zurückgespult, noch mal von vorne – unabhängig von der Wahrnehmung der Majorität dort draußen vor allem eine Rolle spielt, ist die Tatsache, dass diese Band aus Boston das Genre quasi erfunden hat und insofern erhaben ist über alles Gemoser und Gezeter. Und dass sie nicht weniger als ein Ausbund musikalischer Erstklassigkeit in Ton und Wort ist – was auch ihr neues Album beweist. „When God Was Great“ klingt nicht so hart wie die Alben zuvor. Weniger Punk im „Ska-Punk“. Aber es ist dafür unfassbar facettenreich und verspielt. Verspielt, ohne es zu übertreiben. „Certain things“ etwa hat diese Country-Steel-Guitar und viel Soul – ebenso wie „Lonely boy“. „Bruised“ klingt – abgesehen von den E-Gitarren im Refrain – oldschoolig und könnte so auch von THE SPECIALS stammen. Eine Verneigung vor der ersten Generation der Bosstones-Vorbilder. „What it takes“ ist ein kleiner Shuffle. „Long as I can see the light“ ist astreiner Ur-Reggae. „The truth hurts“ ist Rock. Und auch wenn mit „Decide“ oder dem fast achtminütigem Monster „The final parade“ amtliche Ohrwürmer auf der Platte existieren, fällt nicht ein Stück gegenüber dem anderen ab. Textlich sind THE MIGHTY MIGHTY BOSSTONES mit dem George Floyd gewidmeten, an Rod Stewarts (!) „The killing of Georgie (Part I & II)“ angelehnten „The killing of Georgie (Part III)“, mehreren die menschliche Abgründe oder Dramen ausleuchtenden Stücken („Decide“, „Certain things“, „The truth hurts“) oder Storytelling-Songs („Lonely boy“) ohnehin kreativ voll auf der Höhe. Spätestens hier haben Ska und Skacore nichts mehr mit der banalen Spaßmacherattitüde zu tun, die diesem Genre und seinen Akteur:innen gerne zugeschrieben wird. Es ist sehr schön, dass es diese Band gibt. Und Ska-Punk ist großartig.
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