Foto

WATERBOYS

1985

Die Beschäftigung mit diesem Deluxe-Boxset (nahezu in LP-Größe), das durch 95 auf sechs CDs verteilte Aufnahmen (64 davon unveröffentlicht) die Genese des THE WATERBOYS-Albums „This Is The Sea“ von 1985 zu dokumentieren versucht, wird leider von der Tatsache überschattet, dass am 10. März 2024 Karl Wallinger mit 66 Jahren verstarb. Multi-Instrumentalist Wallinger war neben Frontmann Mike Scott von 1983 bis 1985 maßgeblich für die musikalische Ausrichtung der schottischen Band verantwortlich und führte das danach in souligerer Form 1987 mit WORLD PARTY erfolgreich weiter. Mit „Ship of fools“ hatte er auch gleich einen formidablen Hit. Eigenartigerweise werden die WATERBOYS inzwischen meist als Folkrock-Band bezeichnet, was möglicherweise daran liegt, dass Scott nach dem Ausstieg von Wallinger seine Liebe zu irischer Traditionsmusik entdeckte (der Einfluss eines Van Morrison war aber schon vorher spürbar) und mit dem Album „Fisherman’s Blues“ 1988 gnadenlos auslebte. Ich habe seitdem eigentlich das Interesse an den WATERBOYS verloren, die niemals mehr an die Klasse ihrer ersten drei Platten anknüpfen konnten, dem selbstbetitelten Debüt von 1983, „A Pagan Place“ von 1984 und „This Is the Sea“ von 1985. Damals nahm ich die Band mit ihrem speziellen Pathos auch eher im Kontext der massenkompatibleren Nachwehen von Post-Punk und New Wave wahr, in Gestalt von U2, SIMPLE MINDS oder ECHO & THE BUNNYMEN. Sicherlich auch bedingt durch ihren eigenartig jazzigen Hit „A girl called Johnny“ (inspiriert von Patti Smith) vom ersten Album, wie so viele Songs der WATERBOYS geprägt von Piano und Saxophon. Während „A Pagan Place“ in meiner Wahrnehmung etwas verblasst ist, lieferte „This Is the Sea“ dann noch mal echte WATERBOYS-Klassiker für die Ewigkeit wie „Don’t bang the drum“ und vor allem „The whole of the moon“. Das Album ist in der Box auch in kompletter Form remastert enthalten (eine Vinyl-Neuauflage gibt es ebenfalls) und ist wie so viele Platten der Achtziger Jahre trotz toller Songs produktionstechnisch leider nur bedingt gut gealtert, was vor allem am etwas aufdringlichen Saxophon-Sound liegt. Aber aufgrund der hier enthaltenen Unmengen an noch ungeschliffeneren Demos, Live-Aufnahmen und Alternativ-Versionen der Albumtracks kann man sich quasi seine Lieblingsfassung von „This Is The Sea“ selbst zusammenbasteln. Natürlich ist diese hochpreisige Box nur für extrem begeisterte Fans der frühen WATERBOYS gedacht, deren Herzstück ein großformatiges, 220-seitiges Hardcover-Buch ist, in dem Mike Scott in Text und Bild die Entstehung des Albums aufdröselt: „How THE WATERBOYS made ‚This Is The Sea‘ and saw ‚The whole of the moon‘“.