Vince Clarke (DEPECHE MODE, THE ASSEMBLY, ERASURE) hat sich mit seinem ersten Soloalbum mit dem programmatischen Titel „Songs Of Silence“ komplett von jeder Ausprägung seiner musikalischen Vergangenheit gelöst. Es sind fast Kammerpop-artige, düstere und feingliedrige Soundscapes mit Cello und karg akzentuierten Synthies. Ein Track wie „The lamentations of Jeremiah“ gemahnt an die Art von Soundtrack, wie man ihn von Warren Ellis und Nick Cave, beispielsweise für „The Road“ (2009), kennt: skelettiert auf den Grundfesten eines sägenden Cellos von Reed Hays mit fragmentarischen Loops und Drones im Moog-Stil. Ähnlich kathartisch ist „Blackleg“, das auf dem Anti-Schwarzarbeiter-Volkslied „Blackleg miner“ von 1844 basiert und von einer Spoken-Word-Performance getragen wird. „Passage“ ist der dystopische Sound für die Vorboten der Apokalypse, der an John Carpenter erinnert. Das Coverfoto von Vince Clarke harmoniert mit den Songs. Es zeigt einen introvertierten Musiker mit fast schon ausgemergelt wirkenden asketischen Gesichtszügen, den Blick nach unten gerichtet und mit dem Credo: Weniger ist mehr. Im Studio stellte Clarke zwei Regeln auf: Erstens, dass die Stücke ausschließlich mit Eurorack erzeugt werden sollten, einem modularen Synthesizer-Format, das für seine beinahe unbegrenzten Konfigurationen bekannt ist, und zweitens, dass jeder Track auf einer einzigen Note basieren und eine einzige Tonart beibehalten sollte. „Songs Of Silence“ ist ein tiefgründiges Manifest der inneren Einkehr und Abgeschiedenheit geworden.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #172 Februar/März 2024 und Markus Kolodziej