Mülheim an der Ruhr? Kennt kaum einer, liegt zwischen Essen und Duisburg und ist, was man beim Durchfahren auf der A40 oder mit dem Zug kaum erkennt, eigentlich eine schöne Stadt mit viel Grün. „Mülheim, Mülheim, alles ist vorbei und schon kommt der Tod herbei“, sangen hingegen 1980 PISSRINNE, die der Schönheit ihrer Heimatstadt angesichts der monströsen Hochhäuser am Bahnhof und des in Beton gegossenen Konsumwahnsinns RheinRuhrZentrum – 1973 eine der ersten Shopping Malls in Deutschland – nicht viel abgewinnen konnten.
Fabrikruinen, mühsam der Obrigkeit abgetrotzte selbstverwaltete Kultur-Autonomie, Anti-AKW- und Anti-Aufrüstungs-Demos und natürlich Punk waren die Realität der jungen Formation, die Punk endlich auch im Ruhrgebiet und nicht mehr nur ein paar Kilometer weiter südlich in Düsseldorf stattfinden ließ.
15 Songs nahm die Band 1980 als Demo auf, acht davon finden sich auf dieser einseitig bespielten Picture-Disk in 300er Auflage wieder, der Rest beziehungsweise alle werden mittels Download-Code zugänglich gemacht.
Ganz schon langhaarig, bärtig und ökig sehen die Bandmitglieder auf den Fotos teilweise aus, aber die Punk-Regeln, wie jemand auszusehen hatte, kamen erst später. PISSRINNE, die letztlich ziemlich kurzlebig waren und ein frühes und ein spätes Line-up hatten, waren die Keimzelle von zwei der anderen wichtigen Bands aus Mülheim, LOKALMATADORE und BLUTTAT: JOR (Git, Voc), Hans-Uwe (Bass, Voc) und Ralph (Drums) gründeten Ende 1981 BLUTTAT, die statt PISSRINNE-Michel (Git, Voc) einen gewissen Atti als Sänger hatten.
Und Michel wiederum spielte ab 1982 mit Ralph zusammen, wie es in den Linernotes (aus der Feder von JOR) heißt, bei einer neuen Band, aus der später die LOKALMATADORE wurden. Kommt mit Faltcover mit Fotos, Texten und Bandhistory.
Siehe auch pissrinne.de
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #123 Dezember 2015/Januar 2016 und Joachim Hiller