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TRANSSIBERIAN

Mit THE MACHINIST hatte Brad Anderson 2004 einen recht beachtlichen und originellen Film abgeliefert, der schon alleine aufgrund von Christian Bales Transformation in ein abgemagertes Skelett Eindruck hinterließ.

Zwischenzeitlich drehte er auch noch Episoden für die Serien „Masters of Horror“ oder „The Wire“ und im letzten Jahr einen neuen Spielfilm namens TRANSSIBERIAN. Man kann es ja inzwischen nicht mehr sehen, Backpacker in osteuropäischen Ländern, die in die Fänge von perversen Irren geraten, wie etwa in dem schmerzhaft unterbelichteten TRAIN aus dem selben Jahr.

Glücklicherweise ist Anderson kein dummer Filmemacher und orientiert seinen „cultural clash“ eher an klassischen Thrillern, auch wenn sein etwas naives westliches Pärchen (Woody Harrelson und die Britin Emily Mortimer) irgendwann doch in den Folterkeller der slawischen Barbaren hinabsteigen muss.

Bis dahin zeigt sich Sir Ben Kingsley als russischer Drogenfahnder noch von seiner herzlichen, kumpelhaften Seite („In Russia now we say there are only two kinds people, those who leave in private jet, and those who leave in coffin.“), der einem plötzlich verschwundenen Drogenkurier auf der Spur ist, über dessen Verbleib Harrelson und Mortimer anscheinend einiges wissen.

Ein zu Beginn noch psychologisches Katz-und-Maus-Spiel in der klaustrophobischen Umgebung des Transsib-Schnellzuges, bei dem es einige dunkle Geheimnisse aufzudecken gibt, und zwar auf beiden Seiten („In Russia, we have expression.

‚With lies, you may go ahead in the world, but you may never go back.‘ Do you understand this, Jessie?“). Und das gegen Ende eine immer physischere Dimension annimmt, wenn Anderson vom Thriller- in den Action-Modus schaltet und dabei in gewisser Weise Andrei Konchalovskys großartigen RUNAWAY TRAIN zitiert.

Ein vollkommen plausibler Film ist TRANSSIBERIAN nicht geworden. Wie andere aktuelle Thriller wirkt er etwas überkonstruiert, um sein Publikum noch irgendwie verblüffen zu können. Spannend ist er auf jeden Fall, und wie so viele Filme, die im Schnee spielen, kann auch TRANSSIBERIAN in atmosphärischer Sicht Kapital aus der unwirtlichen frostigen russischen Landschaft schlagen, in der die Transsibirische Eisenbahn wie ein störender Fremdkörper wirkt und in der Mensch und Natur gleichermaßen zu Gegnern werden.

Anderson kann man mit TRANSSIBERIAN auf jeden Fall sein bisheriges Niveau halten, auch wenn es dazu eine lange Liste mit Filmfehlern gibt, aber wen kümmert’s, wenn der Film als solcher noch bestens funktioniert.

In Nebenrollen tauchen hier noch Eduardo Noriega und Thomas Kretschmann auf. Klar, dass Kretschmann prädestiniert ist, einen grobschlächtigen, russischen Killer zu spielen. Knapp eine Stunde Bonusmaterial gibt es auch noch dazu, aber das interessiert mich bei einem rein funktionalen Unterhaltungsfilm wie TRANSSIBERIAN eher weniger.