DEAR BOY

Tony Fletcher

Nach ICD-10 ist sie unter dem Kürzel „F90“ klassifiziert: ADHS, die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung, vulgo „Zappelphilippsyndrom“. Einer der bekanntesten Träger dieses Krankheitsbildes war wohl Keith Moon, seines Zeichens Schlagzeuger der destruktivsten Rockband aller Zeiten, THE WHO.

Eine umfangreiche, detailgenaue, akribisch recherchierte Biographie dieses Zappelphilipps hat der britische Autor Tony Fletcher im Jahre 1999 veröffentlicht. Dabei ging er zum Teil respektvoll mit den gelegentlich grenzwertigen Eskapaden des Trommeltiers um, jedoch nahm er auch kein Blatt vor den Mund, etwa Keiths Verhalten gegenüber seiner Frau Kim und seiner Tochter Mandy betreffend.

Das Buch ist reich an Anekdoten, welche die anarchistischen und selbstdestruktiven Tendenzen eines Ausnahmemusikers beleuchten, es ist ungemein gründlich, präsentiert ungeschminkt und pur das komplette Werk und Leben des Musikers, und es kann sogar die eine oder andere Lebenslüge Keith Moons aufzeigen.

Etwa die Tatsache, dass er sich einfach so (was bislang nahezu keinem Biographen auffiel!) mal eben um ein Jahr jünger gemacht hatte, als sein Pass verriet. Leider ist die mit neunjähriger Verzögerung erschienene Übertragung dieses vorzüglichen Werkes in die deutsche Sprache ziemlich in die Hose gegangen.

Die Übersetzung ist voller sprachlicher Ungenauigkeiten, umständlicher Bandwurmsätze, falsch interpretierter Wortspiele, kurzum in einem völlig verkrampften Stil gehalten, und wäre die Lebensgeschichte Keith Moons nicht so extrem unterhaltsam und kurzweilig, hätte ich das Buch bestimmt nach den ersten paar Kapiteln enttäuscht in die Ecke gepfeffert.

Fazit: Klasse Buch, 1a recherchierte Fakten, bisweilen saulustige Episoden aus einem Leben auf der Überholspur. Aber leider eine miserable Übersetzung und ein stümperhaftes Lektorat.