TÖDLICHE ENTSCHEIDUNG - BEFORE THE DEVIL KNOWS YOU'RE DEAD

Altmeister Sidney Lumet hat mit über 80 noch mal die Mühen eines Filmdrehs auf sich genommen, was bei ihm auf jeden Fall zu einem überzeugenden Spätwerk geführt hat. Ich schätze ihn vor allem wegen PRINCE OF THE CITY, NETWORK oder DOG DAY AFTERNOON, aber wie bei so vielen Regisseuren seiner Generation gehörten die 80er und 90er nicht gerade zu seiner kreativsten Phase.

Insofern überrascht die emotionale Wucht, die in BEFORE THE DEVIL KNOWS YOU’RE DEAD steckt, eine Familientragödie Shakespeare’schen Ausmaßes mit vorzüglichen Darstellerleistungen. Philip Seymour Hoffman und Ethan Hawke spielen darin das ungleiche Brüderpaar Andy und Hank, die komischerweise dieselben finanziellen Probleme haben, allerdings aus anderen Gründen.

Während Hank ein verweichlichter Loser ist, der nicht die Alimente für die eigene Tochter aufbringen kann, machen Andy, der in einem Immobilienunternehmen arbeitet, Drogensucht und krumme Geschäfte zu schaffen – dass seine Frau auch noch was mit seinem Bruder hat, erfährt er erst viel später.

Jedenfalls kommen die beiden auf die glorreiche Idee, den Juwelierladen der eigenen Eltern zu überfallen. Eine todsichere Sache, bis Hank einen schießwütigen Kollegen mit ins Boot holt, der sich eine Schießerei mit dessen Mutter (Rosemary Harris, Peter Parkers Tante May) liefert, die an diesem Tag gar nicht im Laden sein sollte.

Das kostet den Dieb das Leben und befördert die Mutter ins Koma. Womit die Talfahrt von Hank und Andy natürlich noch nicht ihr Ende gefunden hat, denn wie so oft ist das vermeintlich perfekte Verbrechen nur eine sich schnell verflüchtigende Illusion.

Eine manchmal schwer zu schluckende Geschichte, die Lumet uns hier auftischt, inklusive sämtlicher sonstiger Verwicklungen, durch die sich Andys und Hank bisheriges Leben in einen Horrortrip ohne Ausweg verwandelt.

Ein moralisches Lehrstück über Schuld und Sühne mit eher bedauernswerten als sympathischen Charakteren, das oft etwas von der Dramaturgie einer Theateraufführung an sich hat. Quasi "König Lear" ohne die nervigen Dialoge Shakespeares und angepasst an die Gegebenheiten der Moderne, ohne allerdings die moralische Komponente des Ganzen großartig zu verändern.

Und auch wenn hier manches arg unglaubwürdig wirkt, fällt es aufgrund der grandiosen darstellerischen Leistungen schwer, nicht innerhalb kürzester Zeit in den Mahlstrom der Geschehnisse hineingesogen zu werden.

Gegen Ende vor allem wegen Albert Finney als Vater von Hank und Andy, der mit Shakespeare und Theaterrollen ja bestens vertraut ist. Und selbst jemand wie Marisa Tomei wirkt hier ernstzunehmender als in vielen ihrer anderen Filme.

Ein an sich vorzüglicher Film, bei dem man höchstens die zeitlich hin und her springende Erzählweise kritisieren könnte, die etwas aufgesetzt wirkt und den Fortgang von BEFORE THE DEVIL KNOWS YOU'RE DEAD eher stört als nützt, worüber man aber hinwegsehen kann.

Anfang Oktober erscheint der Film auf DVD, versehen mit einem Audiokommentar von Regisseur Lumet, Ethan Hawke und Philip Seymour Hoffman, "Making of", Trailer und Darsteller-Interviews.