Es muss etwa 1986/87 gewesen sein, als Steve Albini in mein Leben trat. Und zwar in Form des BIG BLACK-Albums „Atomizer“ und des Sampler „The Wailing Ultimate! The Homestead Records Compilation“. „Jordan, Minnesota!“ von „Atomizer“ erzeugt bei mir bis heute Gänsehaut, ebenso „Il Duce“ von der Comp, auf der unter anderem auch NAKED RAYGUN, LIVE SKULL und DINOSAUR JR. (hier nur DINOSAUR) dazu einluden, sich auf die Suche nach ihren Platten zu machen. Die „He’s A Whore/The Model“-7“ musste ich haben, und was diese seltsame Band jenseits von Punk da musikalisch anstellte, das ließ unseren Puls nach oben gehen. Und dann das „Songs About Fucking“-Album von 1987, ein Wort prüde überklebt – das packte man gerne nach der Abholung im örtlichen Plattenladen auf der Schulbank aus. BIG BLACK forderten uns heraus, holten einen raus aus der gemütlichen Wohlfühlmusikecke. Was ein Disktinktionsgewinn ist, wussten wir damals nicht, aber das Gefühl, es hier mit etwas Extremem, Gefährlichem, Bedrohlichem zu tun zu haben, das fühlte sich gut an. Dass einer der Beteiligten Steve Albini hieß, registrierten wir. Dass der Name im Kleingedruckten anderer Platten, die uns damals gefielen, in der Folge verstärkt auffiel, nahmen wir zur Kenntnis. Es war die Zeit vor der Googlebarkeit von allem und jedem, bevor sich in Sekundenschnelle auf Fingerdruck Netzwerke und Verbindungen aufblätterten. Dass es mit BIG BLACK 1987 schon längst wieder vorbei war nach sechs Jahren – wie hätten wir in der schwäbischen Kleinstadt das mitbekommen sollen? Dass dann eine Band namens RAPEMAN auftauchte und 1988 „Two Nuns And A Pack Mule“ veröffentlichte? Wir entdeckten das im Neuerscheinungsfach, das Touch and Go-Label half bei der Identifizierung wesentlicher Platten. Und dann kam Grunge. Und NIRVANA. Und unsere kleinen Bands und die daran Beteiligten waren plötzlich in aller Munde, siehe auch Jack Endino. Und eine Band namens SHELLAC veröffentlichte 1994 „At Action Park“. Verweigerte sich allen Promo-Aktivitäten. Und versammelte fortan eine sie kultisch verehrende Anhängerschaft hinter sich. Was nicht zuletzt damit zu tun hatte, dass Steve Albini als ihr „Anführer“ angesehen wurde und sich ohne Eitelkeit zu einem Fürsprecher des Independent-Spirits entwickelte. Gegen die Musikindustrie wetterte. Sich weigerte, sich für seine Tätigkeit hinter dem Mischpult im Electrical Audio-Studio als Produzent bezeichnen zu lassen. Für bekannte wie unbekannte Bands zugänglich blieb. Sich zum erfolgreichen Pokerspieler entwickelte und das Geld ins Studio steckte. Und alle paar Jahre mit Todd Trainer und Bob Weston als SHELLAC ein Album aufnahm. „To All Trains“ erschien wenige Tage nach dem Tod von Steve Albini, der am 7. Mai 2024 im Alter von 61 Jahren in Chicago an einem Herzinfarkt starb. „To All Trains“ ist sein Vermächtnis.
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