THE TALL MAN

Wer in letzter Zeit formelhafte Horrorware wie „Sinister“, „The Possession“ oder „Mama“ erduldet hat, wird bei „The Tall Man“ wahrscheinlich etwas ähnliches erwarten. Zum einen wegen des Covermotivs, auf dem sich hinter einer reichlich entgeistert dreinblickenden Jessica Biel eine Art Boogeyman aufbaut.

Zum anderen wegen Regisseur Pascal Laugier, der zuvor den in Frankreich entstandenen, umstrittenen Brutalo-Streifen „Martyrs“ gedreht hatte, bei Horrorfans heiß begeht, mir letztendlich dann doch etwas zu stumpf.

Auf jeden Fall schön, wenn ein Film bestimmte Erwartungshaltungen enttäuscht und sogar richtig originell ist. Denn bei „The Tall Man“ handelt es sich um keinen gängigen Horrorstreifen mit billigen CGI-Geistern, wie sie gerade am Fließband produziert werden.

Auch wenn zu Beginn gewisse Szenen noch so etwas vermuten lassen, wenn der vermeintliche „Schwarze Mann“ in Aktion tritt. Stattdessen entwickelt sich „The Tall Man“ zu einem Thriller, der das Attribut „thought provoking“ durchaus verdient hat und um die Frage kreist, wohin denn all die vermissten Kinder und Jugendliche in den Staaten verschwunden sind, rund 51.000 nach aktuellen Zahlen des FBI.

Die meisten vermutet man wohl in der Gefangenschaft irgendwelcher Sexualstraftäter oder anderer Irrer. „The Tall Man“ hat darauf andere Antworten, die mit der von Jessica Biel-Timberlake gespielten graumausigen Krankenschwester Julia zusammenhängen.

Denn die hat in einer heruntergekommenen Provinzstadt offensichtlich etwas mit dem Verschwinden der Kinder zu tun gehabt, aber eben nicht so, wie uns der Film lange weismachen will. Laugier liefert in „The Tall Man“ ausreichend anspruchsloses Thriller-Entertainment, stellt aber auch unbequeme moralische Fragen und entzaubert dabei in gewisser Weise den Gute-Mutter-Mythos.