Die 60-jährige Amerikanerin Jennifer Fox ist vor allem als Regisseurin von Dokumentationen bekannt, die sie seit 1987 dreht. Fox’ Thema sind oft Traumata und wie diese das Leben und die eigenen Erinnerungen prägen, was sie vor allem aus einer weiblichen Perspektive betrachtetet.
2018 entstand mit „The Tale“ ihr erster fiktiver Spielfilm, der allerdings auf eigenen Erfahrungen beruht, denn Fox wurde als Kind das Opfer sexuellen Missbrauchs, dessen Verarbeitung bei ihr aber erst spät stattfand.
Dass es sich hier um eine sehr persönliche Geschichte handelt, wird schon dadurch deutlich, dass die 48-jährige, von Laura Dern gespielte Hauptfigur Jennifer Fox heißt und ebenfalls Dokumentarfilmerin ist.
Auslöser für die Verarbeitung dieses frühkindlichen Traumas ist eine Geschichte, die Fox im Alter von 13 Jahren schrieb und von ihrer Mutter irgendwann beim Aufräumen gefunden wird. Darin schildert das Mädchen die spezielle Beziehung zu dem Lauftrainer Bill und dessen verheirateter Geliebten Mrs.
G, die ihren Anfang während der Sommerferien auf einer Pferdefarm nimmt. Eine Beziehung, die die Beteiligten zwar als einvernehmliche Liebesbeziehung zu verharmlosen versuchen, aber letztendlich von Missbrauch und Manipulation geprägt ist.
Auch wenn Fox’ Film, der zuerst im Mai 2018 auf HBO ausgestrahlt wurde, um einen sensiblen und subtilen Umgang mit dieser Thematik bemüht ist, erspart einem die Regisseurin nicht die unangenehmen Details dieses Missbrauchs, wenn ihre Protagonistin erneut die damit verknüpften Orte und Personen aufsucht.
Wie so oft in solchen Fällen lautet die große Frage: Warum hat sie so lange geschwiegen? Weil Schweigen nachvollziehbarer Selbstschutz vor den Folgen solch einer Traumatisierung ist, sei es nur aus Scham oder weil sich die Opfer vielleicht sogar eine Mitschuld dafür geben.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #144 Juni/Juli 2019 und Thomas Kerpen