Robert Vendittis und Brett Weldeles zwischen 2005 und 2006 entstandene Heftserie THE SURROGATES ist mal wieder ein schönes Beispiel dafür, wie man eine interessante Vorlage mit einem Hollywood-Film fürs Massenpublikum in den Sand setzen kann.
Was am Comic „thought provoking“ war, ist zwar auch noch im Film spürbar, letztendlich katapultieren die ganzen Verschlimmbesserungen die Verfilmung aber in ein Niemandsland zwischen „Blade Runner“, „Minority Report“, „Total Recall“ und „Strange Days“.
Im Comic schreiben wir das Jahr 2054, also keine allzu weit entfernte Zukunft, in der ein Großteil der Menschheit nicht mehr die eigenen vier Wände verlassen muss und das echte Leben von menschenähnlichen Robotern absolvieren lässt, die aus sicherer Entfernung gesteuert werden.
Eine faszinierende Zukunftsperspektive, dumm nur, wenn sich auch Ehepartner nur noch in Gestalt der Surrogaten begegnen, denn wer will schon noch mit Krankheit und Alter konfrontiert werden, und so ist auch diese vermeintlich perfekte Welt nur eine hübsche Illusion.
Das sehen wohl auch einige andere Leute so, denn es beginnt eine Anschlagsserie auf die Surrogaten, die in Folge zwei Polizeibeamten aufklären sollen. Die aus diesen Ermittlungen gezogenen Erkenntnisse führen aber vor allem dazu, dass bei einem der beiden Beamten das bisherige Verhältnis zu seiner Lebensrealität ins Wanken gerät und er schließlich sogar in Fleisch und Blut dem Täter auf der Spur ist, als sein Surrogat zerstört wird und er das Leben wieder von einer ungewohnten, in Vergessenheit geratenen Perspektive betrachten muss.
Ein Happy End gibt es dabei allerdings nicht, denn Venditti und Weldele lassen am Schluss offen, wie es mit der Gesellschaft an diesem Punkt weitergehen soll. Philip K. Dick und William Gibson sind in dieser kritischen Auseinandersetzung mit blinder Technologiehörigkeit allgegenwärtig – vor allem Dick und sein fast schon paranoides Infragestellen der uns umgebenden Vorstellung von Realität.
Dieser inhaltliche Anspruch spiegelt sich auch in der betont künstlerischen Umsetzung von THE SURROGATES wider, denn Vendittis und Weldeles arbeiten hier mit hohem Abstraktionsgrad bei Figuren und Hintergründen, Photorealismus darf man hier nicht erwarten, was manchmal an eine digitale Form von Aquarellmalerei beziehungsweise an die manierierten Panels eines David MacKean erinnert.
Ein gelungener, lesenswerter Science Fiction Graphic Novel, auch wenn das Ganze vielleicht dann doch nicht so tiefgründig ist, wie es die Macher gerne gehabt hätten, zumindest im Vergleich mit der Literatur von Dick oder den Robotergeschichten eines Isaac Asimov.
Mit THE SURROGATES: FLESH AND BONE entstand 2009 noch ein passables Prequel, das 15 Jahre früher spielt, hierzulande aber bisher noch nicht erschienen ist. In den Staaten gibt es allerdings eine THE SURROGATES-Komplettausgabe.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #89 April/Mai 2010 und Thomas Kerpen