Man reibt sich immer noch etwas verwundert die Augen, wenn man den Namen Walt Disney im Vorspann von David Lynchs „The Straight Story“ liest, die in den USA den Verleih des Films übernahmen. Nach „Blue Velvet“, „Wild At Heart“ und „Lost Highway“ galt Lynch nicht zu Unrecht als Amerikas seltsamster Filmemacher, dessen Gesamtwerk man kaum mit „familienfreundlich“ umschreiben würde.
Deswegen hätte Hauptdarsteller Richard Farnsworth, der bereits als Stuntman für „Die zehn Gebote“ und „Spartacus“ gearbeitet hatte und später immer wieder in markanten Nebenrollen auftauchte, die Rolle des 73-jähriger Rentners Alvin Straight auch fast abgelehnt.
„Eine wahre Geschichte“ (das Wortspiel des Originaltitels geht im Deutschen natürlich verloren) ist Lynchs Film deshalb, weil es besagten Alvin Straight tatsächlich gab, und der dadurch bekannt wurde, als er 1994 390 km mit einem Rasenmähertraktor von Iowa nach Wisconsin fuhr, um seinen kranken Bruder zu besuchen.
1996 starb Straight und erlebte deshalb die Verfilmung seiner Geschichte nicht mehr, für die Mary Sweeney das Drehbuch schrieb, eine langjährige Mitarbeiterin von Lynch (unter anderem als Cutterin) und damals auch mit dem Regisseur liiert.
„The Straight Story“ dürfte eines der langsamsten Roadmovies aller Zeiten sein. Darüber hinaus ist Lynchs komplett entschleunigte Tragikomödie – versehen mit einem schönen countryesken Soundtrack von Angelo Badalamenti – auch eine nachdenkliche Reflexion über das Älterwerden mit zahlreichen absurden, aber auch sentimentalen Momenten.
Farnsworth, der zur Zeit der Dreharbeiten bereits unter einer schweren Krebserkrankung litt, was seine darstellerische Leistung sicherlich noch eindringlicher machte, nahm sich tragischerweise ein Jahr später im Alter von 80 Jahren das Leben.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #137 April/Mai 2018 und Thomas Kerpen