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THE RAW STUFF – Vol. III

Der große Jammer in Sachen Digitalisierung ist die Entkörperlichung von Musik: Um ein Album zu hören, muss niemand mehr zwangsweise ein Cover in der Hand gehabt oder überhaupt gesehen haben. Die 413 Artworks von 32 Künstler:innen für 215 Bands, die Tom Gasperlmaier in Teil 3 seiner Anthologie versammelt, findet man zum Teil auf Plattencovern, aber auch auf Shirts und Konzertpostern, wobei letztere freilich kaum mal den Weg in Öffentlichkeit finden als Siebdruck-Sammlerstücke. Der visuelle Eindruck einer Band gerät meines Erachtens trotz immer kreativeren Illustrator:innen ins Hintertreffen – welche Band lässt denn noch A1-große Tourplakate drucken? Wer hängt sie auf? Dabei blüht diese Subkultur gefühlt auf in den letzten Jahren, einerseits beflügelt durch digitale Werkzeuge, andererseits neuerdings bedroht durch nachahmende KI. In diesem Sammelband im handlingfreundlichen A5-Format gibt es eine jenseits von Instagram (wo alle Artists hier vertreten sind) zu viel mehr Fokussierung anregende Bestandsaufnahme von interessanten und wichtigen europäischen Gig Poster Artists. Mag sein, dass es in anderen Genres (Techno, Rap, R&B ...) auch eine rege Szene gibt, gefühlt konzentriert sich die Kreativität (zumindest hier) auf Musik zwischen Metal und Punk. Manche Namen wie Apes of Doom/Marcel Hass, Simone Strige/STRXArt oder Jöchen Mönig und Torsten Jahnke/Spiegelsaal kennt man eher, andere hatte ich bislang nur über ihre Artworks wahrgenommen. The Raw Stuff ist eine buchgewordene Ausstellung, auf Deutsch und Englisch betextet, und längst die wichtigste Klammer für diese unsere Szene so prägende Kunstform. Als Gesamteindruck bleibt: Was für ein Jammer, dass die Wohnung so wenig (freie) Wände hat.