HÜSKER DÜ

The Living End

Die Neunziger waren schlimm. Reihenweise erschienen damals Platten nur auf CD, Vinyl war tot, erst nach und nach werden wichtige Platten erstmals analog aufgelegt. Dazu gehört auch dieses geniale Live-Album von HÜSKER DÜ, die für mich eine der wichtigsten und besten Hardcore-Bands aller Zeiten sind.

1994 war die Band schon lange tot, hatte sich im Januar 1988 aufgelöst: es passte nicht mehr zwischen den großen Egos von Bob Mould und Grant Hart, das Label wollte der Band für ein anstehendes Album einen externen Produzenten aufzwingen, und so zogen Mould, Hart und Greg Norton die Notbremse.

Was genau Warner dazu brachte, 1994 eine Live-CD zu veröffentlichen, ist unklar. Vielleicht waren noch Rechnungen offen, vielleicht hoffte man, angesichts des HÜSKER DÜ-Namedroppings im Zuge des Grunge-Hypes noch etwas Umsatz machen zu können.

Das Coverartwork ist von ausgesuchter Scheußlichkeit, kein Wunder, dass sich der Übeltäter hinter dem Pseudonym „Fake Name Graphx“ verschanzte – schlimmer sahen damals auch die ganzen quasi-legalen Live-Bootlegs, die aufgrund einer Rechtslücke den Markt überschwemmten, nicht aus.

Aber man sollte ein Buch eben nie nach seinem Umschlag beurteilen, und Platten auch nicht, und so stellt man – die CD stand seit zwei Jahrzehnten unangerührt im Regal – beim Auflegen fest, dass „The Living End“ ein veritabler Schatz ist.

Zwar war die Band im Oktober 1987 schon angezählt – ihr langjähriger Manager und Wegbegleiter hatte sich kurz zuvor umgebracht, die Stimmung war angespannt, kreativ hatte man sich scheinbar verausgabt –, aber live wollten sich Mould und Hart gegenseitig übertreffen, und so peitschten sie sich durch ein Programm aus fast der gesamten Bandgeschichte.

Warum auch immer Lou Giordano, später ein gefeierter Produzent, damals Soundmann der Band, die Shows mitschnitt, diese Aufnahmen aber erst sieben Jahre später veröffentlicht wurden, es ist unklar – David Fricke vom US-Rolling Stone, der die ausführlichen Linernotes der CD-Version schrieb (hier auf einem Beileger abgedruckt), geht darauf nicht ein, rekapituliert aber die Endphase der Band sehr anschaulich.

Grundsätzlich stellt sich bei Live-Platten immer die Frage, ob die jemand braucht, und ausnahmsweise halte ich fest, dass man als HÜSKER DÜ-Fan diese Doppel-LP zwingend besitzen muss, wovon einen weder das hässliche Cover noch die schrecklich seifig-grüne Vinylfarbe abhalten sollte.

Unglaublich, wie mitreißend die Bands etwa „Girl who lives on heaven hill“, „Standing in the rain“, „Ice cold ice“ (Gänsehaut!), „It’s not funny anymore“, „Terms of psychic warfare“, „Books about UFO’s“, „Keep hanging on“ oder „Data control“ spielte.

Und: mit „Now that you know me“ und „Ain’t no water in the well“ sind zwei damals neue Songs enthalten, die nie im Studio aufgenommen wurden. Ebenfalls gelungen: das RAMONES-Cover „Sheena is a punk rocker“.