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A CERTAIN RATIO

The Graveyard And The Ballroom / To Each ... / Force

A CERTAIN RATIO wurden wie JOY DIVISION Ende der Siebziger in Manchester gegründet und veröffentlichten ebenfalls ihr erstes Album „The Graveyard And The Ballroom“ bei Factory, dem einflussreichen Label ihrer Heimatstadt.

Allerdings waren ACR in beiden Fällen ein Jahr später dran. Und auch der Produzent war derselbe, nämlich Martin Hannett. Parallelen sind auch musikalisch genug vorhanden, zumal der damalige ACR-Sänger Simon Topping stimmlich stark Ian Curtis ähnelte.

Aber auch wenn beides im weitesten Sinne kantiger, düsterer Post-Punk war, präsentierten sich ACR bereits auf „The Graveyard And The Ballroom“ von 1980 als eine Art „funky alternative“ zu JOY DIVISION und steuerten mit ihren starken Funk-, Jazz- und Latin-Einflüssen und einer fiebrigen, nervösen Rhythmik lange vor NEW ORDER bereits die Tanzfläche des aber erst 1982 eröffneten legendären Haçienda-Clubs in Manchester an.

War das JOY DIVISION-Debüt „Unknown Pleasures“ ein monolithisches Gesamtkunstwerk, wirkt „The Graveyard ...“ schon dadurch zerrissner und uneinheitlicher, weil die Platte in eine Studio- und eine soundmäßig schlechtere Live-Seite unterteilt ist.

Insgesamt klingen ACR sowieso viel roher und unvirtuoser als JOY DIVISION und ähneln damit mehr den von Reggae- und Dub beeinflussten THE POP GROUP. Auf „To Each ...“, dem Nachfolger von 1981 und streng genommen dem ersten richtigen Album, wieder produziert von Factory-Hausproduzent Martin Hannett, klingen ACR im Kontext von Post-Punk, mit ihren extrem funkigen Basslinien und den disharmonischen Trompeten-Parts, noch mehr wie exotische Außenseiter, trotz ihrer aus dem Punk gespeisten Aggressivität.

Ein kantiges Art-Jazz-Rock-Funk-Album und quasi ein undergroundiger Gegenentwurf zu Disco, allerdings eine in sich geschlossenere Angelegenheit als „The Graveyard ...“. Beide Platten wurden jetzt von Mute auf CD und Vinyl wiederveröffentlicht, als erster Teil der Neuauflage des Gesamtwerks von ACR, das für Fans von ungewöhnlichem Post-Punk sicher eine Wiederentdeckung wert ist.

Seltsamerweise ist die dritte Veröffentlichung im Bunde aber nicht die nächste Platte „Sextet“ von 1982, sondern „Force“ von 1986, für die Bassist Jeremy Kerr den Gesang übernahm. Für alte Fans muss „Force“ ein ziemlicher Schock gewesen sein muss, denn ACR klingen hier wie eine extrem poppige und soundtechnisch geglättete Mischung aus LEVEL 42 und SECTION 25.

Hat man sich daran erst mal gewöhnt, wirkt dieser vermeintlich kommerzielle Pop-Jazz-Funk eigentlich gar nicht mehr so mainstreamig, und offenbart auch seine Widerhaken. Songwriterisch ist „Force“ auf jeden Fall eine der besten ACR-Platten und klingt im Gegensatz zu den Frühwerken wesentlich zeitloser.