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DEXYS

The Feminine Divine

Angesichts des massiven Legendenstatus ist es schon erstaunlich, dass „The Feminine Divide“ tatsächlich erst das sechste „richtige“ Album in 44 Jahren DEXYS MIDNIGHT RUNNERS ist. Okay, der Name ist nun zusammengeschrumpft und ebenso ist die Stammbesetzung ausgedünnt, lediglich Sänger Kevin Rowland und Posaunist Jim Paterson sind aus der Frühachtziger-Phase dabei. Nun ist das Album allerdings ein zwiespältiges Ding geworden, von beinahe bipolarer Natur. Zunächst, die ersten vier Songs lang kommt das vertraute DEXYS-Flair, viele Tröten, Northern-Soul-Beat, larmoyanter Pop mit ein wenig Music Hall-Nostalgie, tolle Melodien und knackige, prägnante Nummern. Dann, Vinyl-Konsumenten müssen nun erst die Platte umdrehen, haben wir es mit einer völlig anderen Band, einem komplett anderen Ansatz zu tun. Direkt der erste Song der B-Seite ist komplett anders als alles, was Rowland und Co. jemals produziert haben. Sirupartige Synthie-Flächen, elektronisch produzierte „Riddims“, sleaziger Prince-R&B, elektrischer P-Funk, klimpernde House-Pianos und Slow-Motion Breakbeats definieren die komplette zweite Seite. Hier und da gibt es noch Spoken-Word-Passagen (gab’s allerdings auch schon mal auf früheren Alben). Und erstaunlicherweise funktioniert das neue Soundkonzept ebenso gut wie die „konservativen“ Songs der ersten Seite, die ja eher auf „Nummer sicher“ gehen. Stellt sich nur die Frage, ob es nicht besser gewesen wäre, ein geschlossenes komplettes Album im „alten“ Sound und eins mit dem experimentellen neuen Groove zu veröffentlichen. Hätte sicher beides seine Vorteile, doch Marketing-Gesetze mögen hier den Ausschlag zum „Hybrid“-Album gegeben haben. Unterm Strich bleibt dabei trotzdem ein konsistentes Werk, auf dem Rowland seine ganz eigene , etwas verquere Definition von Feminismus in bisweilen radikal arrangierten Nummern vertont.