Um direkt mal den möglicherweise seltsamen Titel des Dokumentarfilms von Philippe Mora zu klären, „Swastika“ ist nur ein anderer Begriff für Hakenkreuz, das bei den Nazis so allseits beliebte Symbol, das bei uns immer noch als verfassungsfeindlich gilt und dessen Abbildung man tunlichst vermeiden sollte.
SWASTIKA ist Moras erste Regiearbeit und unterschiedet sich doch deutlich von der Genre-Billigware, die er später in seiner Karriere ablieferte, wo MAD DOG - DER REBELL (1976) mit Dennis Hopper und DAS ENGELSGESICHT - DREI NÄCHTE DES GRAUENS (1982) noch zu den Highlights gehören.
Denn bei SWASTIKA handelt es sich um einen Dokumentarfilm über das Dritte Reich, eine Collage aus unkommentiertem NS-Archivmaterial, in das hübsch farbige Home-Movies von Eva Braun montiert wurden.
Bei seiner damaligen Uraufführung 1973 bei den Filmfestspielen in Cannes erregte SWASTIKA dementsprechend die Gemüter, denn offenbar war die Zeit noch nicht reif für eine dermaßen unbedarfte Wiedergabe NS-Propagandamaterials, das einen Hitler zeigte, der mit Haustieren und Kindern rumalberte, während seine Gattin Eva Braun sich als naturverbundene Sportskanone präsentierte – Blondie war natürlich auch nicht weit.
In Israel wurde der Film gleich verboten, aber nach 37 Jahren fragt man sich dann doch, was an SWASTIKA denn so schlimm sein soll, wo sich doch jeder ohne Probleme über die tatsächlichen Geschehnisse im Dritten Reich informieren kann, falls er im Geschichtsunterricht gepennt haben sollte.
Denn SWASTIKA zeigt natürlich vor allem das Deutschland, das den Nazis damals vorschwebte, viele glückliche Menschen, eine Idylle voller Hakenkreuzflaggen und zwischendrin immer wieder der Führer, der sich auf dem Obersalzberg als ganz normaler Mensch mit Familiensinn präsentierte.
Einen Kommentar gibt es wie gesagt nicht, dafür wurden die an sich stummen Filmaufnahmen von Lippenlesern ausgewertet und mit einer deutschen Synchronisation versehen, wobei die banalen Alltagsgespräche oft den Anschein erwecken, als ob sich da jemand nachträglich einen Spaß erlaubt hätte, zumindest wirkt hier vieles fast unfreiwillig komisch. Was zu Beginn noch wie eine etwas beliebige Aneinanderreihung von Bildmaterial wirkt, entpuppt sich dann doch als chronologisch geordnete Inszenierung, die zuletzt auch den Zweiten Weltkrieg und KZ-Bilder nicht ausschließt und wo dann das ansonsten einseitige Propagandamaterial von der Realität eingeholt wird.
Dennoch warf man dem Film vor, Hitler zu vermenschlichen, aber was hatte man auch ansonsten erwartet, einen Typen, der Juden im eigenen Vorgarten über dem Holzkohlengrill garte? Viel erschreckender und ernüchternder ist doch, dass das Monster Hitler eben doch nur ein ganz normaler Mensch mit wirren Ideen war, dem es erst seine Position ermöglichte, diese im großen Stil umzusetzen, woran er ja nicht allein beteiligt war.
Insofern sagt Moras Film immer noch sehr viel über die menschliche Natur aus, bei der eine genaue Trennung zwischen Gut und Böse nicht möglich ist. Und das ist keine kontroverse These, sondern einfach eine Tatsache.
Insofern ist SWASTIKA auch kein Film mit gefährlichem Verführungspotential, denn Moras Puzzle kann eigentlich nur derjenige zusammenfügen, der schon ein bestimmtes Wissen über das Dritte Reich besitzt, sei es positiv oder negativ, für alle anderen bleibt der Film eine langweilige Abfolge von Originalaufnahmen, die zwischen 1933 und 1945 entstanden.
Wobei eine Texttafel zu Beginn bereits klar machen sollte, was das Anliegen der Produzenten war: „If the human features of Hitler are lacking in the image of him that is passed on to posterity, if he is dehumanised and shown only as devil, any future Hitler may not be recognised, simply because he is a human being.“ Sehr schön ist dann auch Noel Cowards Song „Don’t let’s be beastly to the Germans“ am Ende des Films, mit dem sich der Schriftsteller, Schauspieler und Komponist unter anderem während des Zweiten Weltkriegs als Truppenunterhalter betätigte, und mit dem Mora und sein Autor Lutz Becker zeigen, dass SWASTIKA auch eine gewisse Ironie beinhaltet, so weit das bei diesem Thema überhaupt möglich ist.
Ein spannender, unkonventioneller Dokumentarfilm, ergänzt um interessantes Bonusmaterial mit diversen Interviews mit den Filmemachern und Historikern, das dann die historische Einordnung ermöglicht, die der Film selbst nicht liefert.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #92 Oktober/November 2010 und Thomas Kerpen