Mit CUBE (1997) und NOTHING (2003) hatte Regisseur Vincenzo Natali zwei angenehm originelle Filme gedreht, die Genres wie Horror und Science Fiction dazu nutzten, das Publikum immer wieder zu überraschen.
Wenn CUBE nicht sogar das Zeug zum echten Kultfilm hatte, denn nicht wenige Regisseure schienen in den Jahren danach dessen Ideen aufgesogen zu haben. Umso enttäuschender ist Natalis neuer Film SPLICE, dessen deutscher Untertitel „Das Genexperiment“ deutlich macht, worum es geht.
Denn die beiden, auch über den Beruf miteinander verbandelten, im Mittelpunkt stehenden Biochemiker Clive (Adrien Brody) und Elsa (Sarah Polley) – eine Referenz an Colin Clive und Elsa Lanchester, die Darsteller aus FRANKENSTEINS BRAUT (1935) – arbeiten an diversen Experimenten, bei denen sie die DNS verschiedener Tierarten kreuzen, um dadurch Medikamente und Antikörper entwickeln zu können. Aber natürlich sind die von ihrer Arbeit besessenen Wissenschaftler mit so was nicht zufrieden, und so ist der nächste Schritt, die DNS von Menschen und Tieren zu kreuzen, was sie allerdings heimlich tun müssen.
Dabei entsteht ein bizarres, Dren genanntes Wesen, das wie eine Mischung aus Sinéad O’Connor und Känguru aussieht und immer menschenähnlichere Züge annimmt. Sicherlich eine der faszinierendsten Maskenbildner-Kreationen seit Sil aus SPECIES.
Ähnlich wie SPECIES leidet SPLICE aber auch darunter, dass er uns über die üblichen „Mad scientist“- und „Creature feature“-Motive hinaus nichts wirklich Neues zu erzählen hat, vor allem hinsichtlich eines nicht ganz unaktuellen Themas wie Genforschung, mit all seinen ethischen und moralischen Problemen.
Letztendlich geht es auch hier nur darum, dass dem Schöpfer irgendwann die eigene Schöpfung über den Kopf wächst beziehungsweise darum, wie sich die weibliche Wissenschaftlerin hier quasi ihre Wunschtochter bastelt (Clive Nicoli: „Why the fuck did you make her in the first place? Huh? For the betterment of mankind? You never wanted a normal child because you were afraid of losing control.“).
Das beschert uns dann im psychoanalytischen Sinne von Freud einen weiblichen Ödipuskomplex und Vater-Tochter Inzest, was in einer der abnormsten Sexszenen gipfelt, die ich bisher in einem Mainstream-Film gesehen habe und alleine den Eintrittspreis wert ist.
Was uns Natali dabei als Botschaft mit auf den Weg geben will, bleibt recht schwammig und macht vor allem wenig Sinn, denn die hier thematisierten Genexperimente wirken doch insgesamt reichlich unglaubwürdig, vor allem, wenn man SPLICE etwa mit David Cronenbergs DIE FLIEGE vergleicht, der ja außer ekeligem Glibber auch eine echte Message zu bieten hatte.
Unterhaltsam ist SPLICE natürlich dennoch, aber man hätte von Natali wirklich etwas Clevereres erwartet, der einem nach einem vielversprechenden Start gegen Ende nur noch lahme, klischeehafte Genre-Kost liefert, damit der Film auch ja nicht zu unkommerziell wird.
Halt einer der üblichen unbefriedigenden Kompromisse, den man als Regisseur wohl eingehen muss, damit einem nicht der Geldhahn abgedreht wird.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #93 Dezember 2010/Januar 2011 und Thomas Kerpen