Bandbiografien gibt es mittlerweile wie Sand am Meer. Manche sind spannend, andere eher unfreiwillig komisch oder wichtigtuerisch, und oft ist nicht klar erkennbar, ob der Künstler selbst geschrieben hat oder ein Ghostwriter geholfen hat. Bei Sonny Vincent muss man sich in all diesen Aspekten keine Gedanken machen, denn wer den ewigen Underdog des Punkrock, der im New York City der Siebziger, als „Punk“ noch eine Beleidigung und kein Genre war mit den TESTORS seine ersten musikalischen Duftmarken hinterließ, je getroffen hat, weiß: dieser Mann ist ein begnadeter Geschichtenerzähler. Mit ein klein bisschen Ego und auch etwas Namedropping hat er Erlebnisse und Anekodeten aus fünf Jahrzehnten Punkrock zu bieten, bei denen man unweigerlich zuhören will. Sein humorvoller, persönlicher, bisweilen sicher auch etwas ausgeschmückter Vortrag ist höchst unterhaltsam, und auch schriftlich funktioniert das – vor Jahren hatten wir mal seine Tour-Stories rund um Moe Tucker von VELVET UNDERGROUND im Ox und die waren beste Unterhaltung. „I’ve always written short stories, poems and songs“ ist der erste Satz in diesem, nun, Büchlein im Reclam-Format, er weiß also, was er kann und dass das Schriftstellerische nicht vom Musikalischen zu trennen ist. Diese Buch ist keine Autobiografie, sondern eine Sammlung von Kurzgeschichten, die aber als „bits & pieces“ sich durchaus zu einem Bild der Persönlichkeit von Sonny Vincent zusammensetzen (lassen), und von straighter Punkgeschichte („Reform School Alumni“) bis zur wilden Alien-Reptilien-Geschichte (keine Angst, Sonny ist nicht „so“ durchgeknallt) ist alles dabei. Nächster Schritt: Das ganze als Hörbuch einlesen?
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #158 Oktober/November 2021 und Joachim Hiller