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SLEATER-KINNEY

Center Won’t Hold

Bei „No Cities To Love“ von 2015 erlaubten sie sich bereits ein bisschen mehr Elektronik, dank Produzentin St. Vincent gibt’s auf „Center Won’t Hold“ noch mehr Synthies und Keyboards. Für Fans des alten Riot Grrrl-Lärms könnte das gewöhnungsbedürftig sein, die Experimente stehen SLEATER-KINNEY aber ziemlich gut.

„Reach out“ und „The future is here“ bekommen genau die richtige Portion Pop verpasst, so dass Carrie Brownsteins Idee, der feministischen Bewegung einen Soundtrack geschrieben zu haben, auch die Tanzflächen erreichen dürfte.

„Ruins“ und das sehr emotionale „Broken“ hingegen ecken an – und sind wirkliche Brocken. Versöhnlicher ist da „The dog is the body“, das klingt, als hätte jemand bei einer Karaoke-Party auf „Aufnahme“ gedrückt.

SLEATER-KINNEY klingen auf „Center Won’t Hold“ wie starke Verbündete, ohne ihre Dringlichkeit zu verlieren. Denn die Texte sind trotz der teils ausgelassenen Melodien und Rhythmen ernst und bedrückend.

Es geht um Depressionen, Körpergefühl, Traumata und die bevorstehende Apokalypse – und das alles mit einem Schwung, der staunen lässt. Nicht nur wegen der Eingängigkeit, sondern auch wegen des Durchhaltevermögens.

Es ist aber auch verrückt. Bands wie SLEATER-KINNEY singen seit 25 Jahren gegen das Patriarchat an und zwischen allen kleinen Triumphen passiert immer noch so viel Scheiß. In einigen US-Bundesstaaten werden Abtreibungen wieder verboten – in Deutschland gibt’s die Debatte ja auch –, vom Frauenbild des aktuellen Präsidenten fangen wir besser gar nicht erst an und Brownstein war bei der einen oder anderen „Time’s Up“-Veranstaltung aktiv.

Es mag in der öffentlichen Debatte um #MeToo zwar stiller geworden sein, das Problem ist damit aber nicht gelöst. Entsprechend heißt es in „Can I go on“ auch „Everyone I know is tired ...“ Aber so was von.

SLEATER-KINNEY verstehen sehr gut, wie es der Bewegung, deren Galionsfiguren sie ja nun auch ein bisschen sind, gerade geht. Es kann durchaus anstrengend werden, wenn die ewig gleichen Stimmen sich über die ewig gleichen Probleme aufregen.

Oft kribbelt es in einem zu rufen: „Jetzt macht doch mal Platz für die jüngeren Bands!“ Hier ist das nicht nötig. SLEATER-KINNEY haben es geschafft, ihre alten Botschaften in zeitgemäßen Sound zu verpacken.

„Center Won’t Hold“ macht sich breit, es drängelt und ist unbequem und stur. Es ist aber auch ehrlich, direkt und aktuell. Für eine Band, die vor 25 Jahren zusammengefunden hat, ist dieses Talent, noch immer zu überraschen, bemerkenswert.

Den „Bad dance“ müssen wir wohl oder übel noch ein bisschen länger tanzen. Mit „Center Won’t Hold“ gibt es zumindest ein paar neue Songs für die Protestparty-Playlist.