Jeder, der in Deutschland zur Schule ging und geht, kennt die dünnen, gelben Büchlein des Reclam-Verlags, der in der günstigen Edition „Universal-Bibliothek“ unzählige Klassiker der Literatur veröffentlicht hat.
Farbe (klassisch gelb, aber auch orange, rot, grün und blau) wie Typo sind seit 1970 Designklassiker, schnörkellos und unverkennbar, und an diese Tradition versucht nun Sony mit einer Best-Of-Serie unter dem Titel „All Time Best“ anzuknüpfen, die nicht nur in Plattenläden (es soll ja noch welche geben), sondern auch in Buchläden verkauft wird.
Das Prinzip: Auf einer CD einen möglichst umfassenden Überblick über das gesamte Schaffen einer Band/eines Musikers/Sängers zu geben. Alle paar Monate soll ein neuer Schwung Releases erscheinen, und zum Start gibt es jetzt (einzeln verkaufte) Zusammenstellungen von Bob Dylan, Johnny Cash, Miles Davis, Elvis Presley, Carlos Santana und Paul Simon & Art Garfunkel.
Natürlich gibt es von all denen bereits zig andere Best-Of-Kopplungen, so dass sich die Frage stellt, was Sony & Reclam anders gemacht haben – und ob. Johnny Cash ist ein gutes Beispiel: Hier werden die ersten 20 Jahre ordentlich abgedeckt, die Spätphase mit den „American Recordings“ fehlt jedoch völlig, man merkt, dass hier wohl Lizenzprobleme einer echten „All Time Best“-Zusammenstellung im Wege standen.
Anders ist das bei SIMON & GARFUNKEL, Elvis Presley oder Bob Dylan, hier – Ultra-Fans mögen im Einzelfall widersprechen – konzentriert man sich auf die Höhepunkte des kreativen Schaffens, ist die Erstversorgung mittels der Reclam-CD sichergestellt.
Echte Fans des vom Protestsänger zum Papstverehrer degenerierten Dylan beispielsweise sind sicher der Meinung, man müsse zwingend all seine Platten besitzen – ich behaupte, diese Best-Of-CD sowie zwei, drei Klassiker-Alben reichen aus.
Im Booklet findet sich jeweils ein kurzer Artikel zu Band/Musiker/Sänger, dazu eine kommentierte Diskografie nebst historischer Zeitleiste – solides Beiwerk. Eine Compilation-Reihe zwischen echter Ambition und Marketing-Gag.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #96 Juni/Juli 2011 und Joachim Hiller