Daniel Borgeldts Debüt „Schnulzenroman“ löste zunächst keine Regung aus – aber das Cover! Das ist original das Motiv meiner Kinderzimmertapete aus den Siebzigern. Von leichter Melancholie erfasst, begann ich mit einer bald fesselnden Lektüre. Borgeldt erzählt vor der Folie der post-nationalsozialistischen Konstellation in der frühen BRD die fiktive Autobiografie des heute abgehalfterten Schlagersängers Heinrich Fraunhofer, der sich als linker Mitläufer in den späten Sechziger Jahren zu künstlerischer Avantgarde berufen fühlte, dann aber doch so wurde, wie er es an seinen Eltern immer gehasst hatte. Er sei schließlich Schlagersänger geworden, um die Deutschen für den Holocaust zu bestrafen. Das nenne ich Haltung; die sich allerdings als Teil einer Lebenslüge herausstellen wird. Mit dieser will er im Herbst seines Lebens mit Hilfe der jungen Punkette Jessy aufräumen. Borgeldt schreibt ohne erhobenen Zeigefinder, aber mit ausgestrecktem Mittelfinger. Wenn die Funktion der Kunst darin liegt, Menschen zu unterhalten, ist Daniel Borgeldt dies mit einem ganz eigenen Charme gelungen.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #154 Februar/März 2021 und Salvador Oberhaus