Als die Wut noch jung war, wurde sie hinausgeschrien und -geprügelt und rief auch mal zur Gewalt auf – heute scheint die Wut um einiges gealtert. Alte Heroen machen Solo-Akustik-Scheiben – junge Heroen drosseln das Tempo, kehren in sich und werden in Post-Schubladen gesteckt.
Sind sie ein Zeichen der Resignation oder der Anbruch der Entschleunigung, weil das Leben da draußen immer lauter, schneller und härter wird? Oder banaler: beherrschen die jungen Wütenden einfach ihre Instrumente besser? Wut und Unzufriedenheit mit dem menschlichen Dasein drücken die Karlsruher um einige Ex-STORM THE SHORE-Leute in sechs Kompositionen aus. Weniger Hardcore-lastig als die Vorgängerband, dafür sehr atmosphärisch.
Nicht nur wegen des deutschen Gesangs erinnert „Schattenspiel“ an KOYAANISQATSI, wobei JUVENALIS das Tempo eben meist eher gedrosselt halten. Beide Bands prangern die nicht-denkende, alles-konsumierende Gesellschaft in ihren Texten an und wollen zum Selberdenken anregen.
Der (Post-)Hardcore-Sound wird um elektronische Soundscapes (per Kaoss Pad) angereichert, wodurch zur allgemeinen Trostlosigkeit der menschlichen Existenz noch zusätzlich elektronische Verfremdung und Kälte hinzukommen.
Fällt den jungen Wütenden jetzt nur noch ein, über den „Stillstand“ zu jammern, oder kommt dann irgendwann doch noch der Wutausbruch? Der römische Dichter Juvenal kritisierte mit seinen Satiren die verkommene römische Gesellschaft mit beißend scharfem Humor.
Die neue Wut hat andere, kluge Kanäle gefunden, um die Zustände „In einem Land zu unserer Zeit“ anzuprangern. Zuhören müssen jetzt wir. Intelligente Texte, handgezeichnetes Booklet, Musik, die weit aus der Masse ähnlicher Bands herausragt.
Relevant. Anspieltips: „Gipfelpanorama“ und „Pinocchio ist Gepetto gleich“.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #91 August/September 2010 und Matilda Gould