In den letzten Jahren wurde nach und nach der SONIC YOUTH-Backkatalog einer überarbeiteten Neuauflage unterzogen, und mit diesem Dreierpack sind jetzt neben dem titellosen Mini-Album auch zwei eher obskure Releases im Paket.
Die 5-Song-EP erschien im März 1982, ein Jahr nach der Gründung der Band, auf Neutral Records, dem Label des Avantgarde-Musikers Glenn Branca - das legendäre Debütalbum "Confusion Is Sex" kam dann erst ein weiteres Jahr später.
Zu ihrem typischen Sound hatte die Band, die hier noch mit Richard Edson als Drummer zu hören ist, da noch nicht so ganz gefunden, arbeitet noch mehr mit Percussion-Elementen und latent dubbigen Rhythmen, doch Songs wie "I don't want to push it" oder "The good and the bad" zeigen die Richtung an, in die man sich entwickeln würde.
Ergänzt werden die fünf originalen Songs um acht Livetracks von September und Oktober 1981, also kurz nach der Bandgründung. Der Fan hat die EP sowieso schon als 12"-Vinyl im Schrank stehen, als Späteinsteiger sollte man auf jeden Fall zugreifen.
Lesens- und sehenswert ist auch das Booklet, mit reichlich alten Fotos und Linernotes von Glenn Branca sowie Richard Edson und Byron Coley, nebst Anmerkungen von Thurston Moore. Schlaumeiereien für die SY-Ultras ...
Aus dem Jahre 1988 stammt "The Whitey Album" des nicht gerade schwer dekodierbaren Nebenprojektes CICCONE YOUTH, gedacht als popkultureller Kommentar zu Frollein Ciccone alias Madonna. Damals schon waren die Pop-Intellektuellen fasziniert vom Phänomen Madonna, beziehungsweise hielten es Leute, die die Pop-Queen mit dem Arsch nicht angeschaut hätten, plötzlich für schick, Madonna cool zu finden, nachdem ihnen ihre Helden SONIC YOUTH dazu die Erlaubnis gegeben hatten.
Logisch, dass in Deutschland das Klugscheißerblatt Spex diese Position freudig übernahm. Dem Album vorangegangen war eine Single mit dem Titel "Into The Groovey", wobei es sich logischerweise um eine Verballhornung von und doch euch Verbeugung vor der italoamerikanischen Chart-Stürmerin handelt, die gerüchteweise so geschmeichelt war, dass sie ihr Label von rechtlichen Schritten abhielt.
Die B-Seite der Single enthielt mit "Burnin' up" (beide Songs sind auf der CD enthalten) eine Nummer, bei der der ebenfalls zum Madonna-Fanclub gehörende Mike Watt sowie SST-Boss Greg Ginn zu hören sind.
Der Albumtitel wiederum ist eine Hommage an die BEATLES, die SY wohl auch immer mal mit einem Coveralbum ehren wollten, doch weder BEATLES noch Madonna wurden auf dem Album (über "Into the groovey" hinaus) mit Coversongs geehrt, stattdessen gibt's eine seltsame Interpretation des damals allgegenwärtigen Robert Palmer-Hits "Addicted to love" mit Kim Gordons sexy Gesang.
Alles in allem eine sperrige, eigenwillige Angelegenheit und eher was für den Hardcore-SY-Anhänger. Thurston Moore nahm 1994 mit "Psychic Hearts" sein erstes Soloalbum auf, während seine Gattin Kim Gordon schwanger war - was immer uns das sagen will.
Tim Foljahn von HALF JAPANESE und SY-Drummer Steve Shelley waren seine Mitmusiker, und so ist angesichts der identischen Elemente Schlagzeug, Gitarre und Gesang klar, dass der Apfel nicht weit vom Stamm fällt, wobei "Psychic Hearts" doch eher an die melodiöse, sanfte Seite von SONIC YOUTH erinnert.
Ein wunderschönes, atmosphärisches Album, dem man Unrecht tut, wenn man es im Schatten des SY-Kataloges stehen lässt, und das sich auch zwölf Jahre nach seinem Entstehen noch zu entdecken lohnt.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #66 Juni/Juli 2006 und Joachim Hiller