REPORT SUSPICIOUS ACTIVITY

s/t CD

Befragt nach den besten Punk/Hardcore-Sängern, wird meine Antwort wohl bis in alle Ewigkeiten Jello Biafra, Ian MacKaye und Vic Bondi lauten. Leider hatte sich letzterer in der jüngeren Vergangenheit sehr rar gemacht, war es bald zehn Jahre sehr ruhig um den einstigen Frontmann der legendären ARTICLES OF FAITH, der danach mit ALLOY und JONES VERY nicht minder schöne Platten aufnahm (zu Zeiten, als "Emocore" noch bedeutete, dass man sich auf DAG NASTY bezieht ...) und auch solo begeisterte.

Vic Bondi also, ein des Deutschen mächtiger Geisteswissenschaftler, wollte nach Jahren der Untätigkeit doch noch eine Soloplatte machen, und mit der Beteiligung von J Robbins (JAWBOX, BURNING AIRLINES, Produzent diverser Lieblingsplatten) an der (Bass-)Gitarre und Darren Zentek von KEROSENE 454 wurde dann eine "richtige" Band daraus.

Mit REPORT SUSPICIOUS ACTIVITY trägt diese den Namen der Paranoia-Kampagne, die in den USA seit dem 11. September 2001 läuft, und entsprechend sind hier auch das Artwork und die Texte ausgefallen.

Auf dem Cover Stacheldraht, eine Mutter irgendwo im Wüstenstaub, die ihr Kind schützt, darüber ein abgewandeltes US-Wappen mit dem abgewandelten Text "U.S. Department Of Excused Brutality".

Nein, hier wird nichts relativiert, hier hat jemand verdammt viel Wut auf eine verlogene, verbrecherische Regierung, und die sitzt nicht in einem Schurkenstaat irgendwo im Mittleren Osten, sondern in Washington D.C.

Entsprechend die Musik: Bondis Stimme, die auch sehr melodiöse Passagen beherrscht, ist hier fast immer brüllend zu hören, so wie er früher zu AOF-Zeiten gebrüllt hat, und da läuft es mir bei beinahe jeder Zeile kalt den Rücken hinunter, und wenn es dann doch mal melodiöser wird, verstärkt sich das nur noch.

Musikalisch ist an den 15 Songs sowieso nichts auszusetzen: J Robbins und Vic Bondi sind aus der gleichen Szene, wohl ähnlichen Jahrgangs, kennen sich seit einer halben Ewigkeit aus der Eastcoast-Hardcore-Szene, ticken gleich und haben so mit einem exzellenten Drummer eine Platte eingespielt, die an posthardcoriger Eindringlichkeit keine Wünsche offen lässt.

Zeitlose Musik für Menschen mit Geschmack und Herz, ein Album, das vergessen lässt, wie viele absolut unnötige Scheissplatten jeden Tag veröffentlicht werden. (51:20) (10/10)