Wer „Our Band Could Be Your Life“ gelesen hat, Michael Azerrads Grundlagenbuch zur Entstehung der US-Hardcore- und Underground-Szene der Achtziger, in dem es unter anderem um BLACK FLAG, MINOR THREAT/FUGAZI, SONIC YOUTH und MUDHONEY geht, aber eben auch um THE REPLACEMENTS und HÜSKER DÜ, ist grundsätzlich im Bilde über die Geschichte der 1979 in Minneapolis, Minnesota von Gitarrist und Sänger Paul Westerberg, Gitarrist Bob Stinson, Bassist Tommy Stinson und Drummer Chris Mars gegründeten Band.
Hilfreich ist auch Andrew Earles Buch über HÜSKER DÜ aus dem Jahre 2010, in dem er zwangsläufig auch über die REPLACEMENTS schreibt, waren die beiden Bands aus der Doppelmetropole Saint Paul-Minneapolis doch nicht nur Zeitgenossen, sondern auch Konkurrenten im unausgesprochenen Wettbewerb darum, wer die „größere“ Punk/Hardcore-Band in der Stadt ist.
Lange hatten die REPLACEMENTS die Nase vorn, hatten schneller (und mehr) Erfolg, doch – und an der Stelle muss ich persönlich werden – ihr Pulver aber auch schon früher verschossen, waren schon bald raus dem Punk und drin im Alternative Rock-Mainstream, bevor dieser so hieß.
„Sorry Ma, Forgot To Take Out The Trash“ (1981) und die EP „Stink“ (1982) sind, wenn man so will, die einzigen Punk-Alben der Band, die sich Westerberg zufolge nie als Hardcore-Band sah, obwohl sie zusammen mit HÜSKER DÜ in diese Ecke gesteckt wurde.
Schon mit „Hootenanny“ (1983) hatte sich der Sound der Band gewandelt, war weniger wild und rockorientierter geworden, was sich mit den Alben „Let It Be“ (1984), „Tim“ (1985), „Pleased To Meet Me“ (1987), „Don’t Tell A Soul“ (1989) und „All Shook Down“ (1990) verfestigte.
Bald schon waren die REPLACEMENTS raus aus dem Underground, dem HÜSKER DÜ Zeit ihrer Existenz und trotz eines Majordeals verpflichtet blieben, ihre einstigen Kollegen hingegen bewegten sich immer weiter gen Mainstream.
Aus Punk-Sicht sind also maximal „Sorry Ma ...“ und „Stink“ überlebensnotwendige Platten, musikhistorisch ist freilich das gesamte Schaffen der Band eine (auch nachträglich noch) genauere Betrachtung wert, auch „Hootenanny“ begeistert durch seine Roughness, „Let It Be“ ist reizvoll, ebenso das von Tommy Ramone produzierte „Tim“ und „Pleased To Meet Me“, das zu einem Zeitpunkt erschien, als man schon ahnen konnte, dass mit Bands wie SOUL ASYLUM (auch aus Minneapolis, auch auf Twin Tone) und R.E.M.
sich die Zeiten geändert hatten in den USA, „neue“ Rockmusik auf dem Vormarsch war. 1991 lösten sich die REPLACEMENTS auf, Westerberg war und ist seitdem solo aktiv, erst 2012 fanden er und Tommy Stinson wieder zusammen, sind seitdem wieder unter dem Namen REPLACEMENTS aktiv.
Rhino hat in dieser 8CD-Box die sieben Studioalben und die „Stink“-EP in simpler Pappschuber-Aufmachung zusammengefasst. Billig ist das, schöner und angemessener wäre freilich eine ansprechendere Box mit Bonusmaterial und einem umfangreichen Booklet gewesen.
Abgesehen davon ist es eine essentielle Dokumentation einer wichtigen Band. Wer es klassischer will, besorgt sich die frühen Platten auf Vinyl.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #29 IV 1997 und Joachim Hiller
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #120 Juni/Juli 2015 und Joachim Hiller