Es gibt Bands/Musiker/Künstler, da ist die Story besser als die Musik. So ein Fall ist eindeutig der 1954 geborene Belgier Plastic Bertrand alias Roger Allen François Jouret, den alle Welt wegen seines unfassbar eingängigen Pseudo-Punk-Trashpop-Songs „Ça plane pour moi“ kennt.
Den Song hatte Plastic Bertrand weder selbst geschrieben noch gesungen, er war aber der Kerl, der statt des Produzenten und Sängers Lou Deprijck sein Gesicht in die Kamera hielt – und immerhin hatte Bertrand unter anderem mit seiner Punkband HUBBLE BUBBLE sowie einer klassischen Musikerausbildung sowie diversen späteren Aktivitäten bewiesen, dass er nicht nur eine Marionette war.
Was nun den von Yvan Lacomblez geschriebenen Song betrifft, so hat der ein höchst spannendes Eigenleben entwickelt (der lange, englische Wikipedia-Eintrag dazu ist sehr lesenswert), wurde er doch parallel auch von ELTON MOTELLO, der Band/dem Pseudonym des britischen Musiker Alan Ward unter dem Namen „Jet boy jet girl“ veröffentlicht (und unter anderem von THE DAMNED gecovert, mit deren Brian James Ward zusammen in BASTARD gespielt hatte).
In jener englischen Version (welche die gleichen Studiotracks verwendet) war der Text wenig jugendfrei, thematisierte die sexuelle Beziehung eines Fünfzehnjährigen zu einem älteren Mann und wurde so zu einer Gay-Punk-Hymne.
Doch zurück zu Plastic Bertrand: Als Punk damals von den Massenmedien als „lustiges“ Modephänomen wahrgenommen wurde, kam das sich punkig gebärdende „Ça plane pour moi“ gerade recht, und wie man auf dieser Neuauflage des ersten Albums von 1978 hören kann, wurde versucht, das Schema gleich noch mehrfach auszubeuten: „Pognon pognon“, „Dance dance“, „Pogo pogo“ und „Wha! Wha!“ versuchen mit Uffta-uffta-Rhythmus den Überhit zu wiederholen, kann man im Kontext gesehen lustig finden oder auch einfach lächerlich.
Retorten-„Punk“ eben, dem mit „Le petit tortillard“, „Bambino“ oder „Naif song“ schreckliche Schlager-Smasher zur Seite stehen, und auch die Version des SMALL FACES-Klassiker „Sha-la-la-la-lee“ ist grenzwertig.
Im Vergleich zu den Verbrechen, die im Zuge der Neuen Deutschen Welle (in ihrer Kommerzvariante) hierzulande wenig später am Punk begangen wurden, ist „AN 1“ allerdings harmlos – und Bertrand selbst erzählte später, er habe das Lied als zynische Parodie angesichts der Kommerzialisierung von Punk angesehen.
Dieser Rerelease kommt mit zwei sinnlosen Bonustracks sowie einem vorbildlichen, dicken Booklet mit umfangreichen Linernotes.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #102 Juni/Juli 2012 und Joachim Hiller