Die orientalische Musik unterscheidet sich in einigen Dingen ganz grundlegend von der westeuropäischen beziehungsweise abendländischen. Während hierzulande eine Oktave (von C zu c) ausschließlich in 12 Halbtonschritte unterteilt wird, kann sie in der orientalischen Musik 17, 19 oder sogar 24 Intervalle beziehungsweise Vierteltonschritte umfassen.
Es werden demnach Töne und Nuancen abgedeckt, die man mit einem normalen abendländischen Instrument wie dem Klavier überhaupt nicht spielen kann. Mit diesem Problem hat sich die Hauptperson dieses Buches über Jahre hinweg herumgeplagt, bis er schließlich aus einem Zufall heraus mit der Umfunktionierung eines der Fußpedale eine eigentlich simple, aber äußerst effektive Methode zur Umsetzung orientalischer Musik an einem normalen Klavier erfand.
Das „Piano Oriental“, das nach dem Eingang von mindestens einhundert Bestellungen bei der Wiener Klaviermanufaktur Hofmann in Serie gehen sollte – aber nie ging. Wie schon in Abiracheds beiden bisher ins Deutsche übersetzten Graphic Novels, „Ich erinnere mich – Beirut“ und „Spiel der Schwalben“, erzählt auch „Piano Oriental“ eine autobiografisch eingefärbte Geschichte: Der hier porträtierte geniale libanesische Musiker und Tüftler Abdallah Chahine ist niemand Geringeres als ihr Großvater.
Außerdem arbeitet sie in immer wieder eingeschobenen Zeitsprüngen ihr eigenes Leben vor und nach ihrer Flucht aus dem Libanon nach Frankreich ein. Die eigentlichen Stars des Buchs bleiben aber nach wie vor Abiracheds holzschnittartige, von Ornamenten und Wiederholungen durchsetzte konsequent schwarzweiße Zeichnungen.
Eine weitere sehenswerte Liebeserklärung an ein Land, das Abirached auch nach etlichen Jahren im französischen Exil noch immer ein Stück weit als Heimat betrachtet.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #130 Februar/März 2017 und Anke Kalau