Okay, vielleicht nicht die beste Wahl, um sich nach einem anstrengen Tag auf der Baustelle oder im Büro mit ein paar Bier und dieser CD den Abend gemütlich zu gestalten. Aber hey, was soll's, wir sind ja noch jung (oder wir tun zumindest so), da geht was Anspruchsvolles mindestens so flüssig weg wie "Schuld und Sühne" oder "Der Idiot" vom alten Fjodor Dostojewski, der auch keine Feierabendlektüre geschrieben hat, und die muss schließlich auch jemand gelesen haben, sonst würde den ja niemand mehr kennen.
Nun, THE MASS (die dritte oder vierte Band mit demselben Namen?) sind vergleichbar mit einem der alten Russen, die übrigens vorzugsweise Bart trugen, und deren literarischem Output. Jede Menge Namen, dicke schwere Bücher und nichts für den Bauern vom Lande, es sei denn, er wurde vom alten Stalin frisch von der Universität aufs Land verfrachtet.
THE MASS ist schwere Musik, dick, voller Namen und definitiv auch nichts für einfache Gemüter. Bei dieser Band schmeißen Musiker(!) alles, was sie haben, in einen Topf, quirlen kurz oder lang, je nach Geschmack, mit dem Ultimate Chopper (der zerkleinert auch Beton für den Babybrei) und fertig ist das Wechselbad zwischen Grind, Barmusik, Black Metal, Doom, Jazz, Punk, Post-Alles-Mögliche, Pop, noch mehr Metal und einhundert anderen Dingen, die den Herren gerade eingefallen sind.
In einem Song hauen die Jungs mehr Ideen und Versatzstücke durch das Sieb, als so manche Band mit einer ganzen Platte. Trotz der Stilvielfalt und aller Anstrengung, die diese Platte abverlangt, ist der Grundtenor schwer drückend und vor allem krank.
Wenn auf einem Grindpart das Tempo abrupt in den ersten Gang geht und ein leises Saxophon das Mondlicht antüdelt, um danach wieder von einer brutalen tonnenschweren Gitarrenwand weggeblasen zu werden, über die ein wirklich fieser Sänger sich die Seele aus dem Leib kotzt, dann reden wir von derselben Band.
Keine leichte Kost, aber definitiv hörenswert und vor allem keinen Moment langweilig. Wer sich bei NEUROSIS oder DYSTOPIA unterfordert fühlt, der hat hier eine echte neue Herausforderung.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #46 März/April/Mai 2002 und Thomas Kerpen
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #53 Dezember 2003/Januar/Februar 2004 und Thomas Kerpen
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #77 April/Mai 2008 und Joachim Hiller
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #62 Oktober/November 2005 und Kalle Stille
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #63 Dezember 2005/Januar 2006 und Uwe Kubassa
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #159 Dezember 2021 /Januar 2022 2021 und Joachim Hiller