Als Ende der 90er Satoshi Kons Spielfilmdebüt PERFECT BLUE erschien, vorher hatte er als Comiczeichner gearbeitet und dann eine Episode von MEMORIES gedreht, gab es natürlich schon länger aufwändige japanische Animationsfilme für ein erwachsenes Kinopublikum, wie Katsuhiro Otomos AKIRA, dennoch war der Realismus seiner Story äußerst ungewöhnlich.
Keine Spur von Science Fiction oder Fantasy, stattdessen eine Geschichte über einen verrückten Stalker, der seinem Idol auflauert, quasi Hitchcock, Brian De Palma und Dario Argento in eine bunte Trickfilmwelt katapultiert.
Gleichzeitig nahm Kon darin auch die oberflächliche Welt der J-Pop-Idole aufs Korn, denn seine Hauptfigur Mima Kirigoe ist Mitglied des erfolgreichen Girl-Pop-Trios Cham, will die Band aber verlassen, um Schauspielerin zu werden.
Das verärgert natürlich ihre Fans, vor allem einen, der fortan versucht, Mimas Bemühungen zu sabotieren und ihr Leben zu zerstören. Mal abgesehen davon, dass es mit der neuen Karriere nicht so recht klappen will, wird auch Mimas Geisteszustand immer stärker in Mitleidenschaft gezogen, als eine mysteriöse Doppelgängerin auftaucht, Morde in ihrem direkten Umfeld geschehen und jemand auf einer Internetseite intimste Details aus ihrem Leben preisgibt.
Aber handelt es sich jetzt dabei um eine multiple Persönlichkeitsstörung oder will da wirklich jemand Mima in den Wahnsinn treiben? Man könnte sich PERFECT BLUE auch gut als Realfilm vorstellen, denn seine vertraut klingende, leicht pulpige Psychothriller-Handlung nutzt eigentlich nicht wirklich die Möglichkeiten von animierten Welten aus, sieht man von dem Umstand ab, dass Kons Blick auf die japanische Gesellschaft dadurch vielleicht etwas bunter und surrealer wirkt.
Hinzu kommt ein hoher Anteil von Sex und Gewalt, der zwar für japanische Zeichentrickfilme nichts ungewöhnliches ist, aber hier um einiges verstörender und brutaler wirkt. Mit PERFECT BLUE konnte sich Kon auf jeden Fall als frisches Talent im japanischen Zeichentricksektor empfehlen, was er dann mit Filmen wie MILLENNIUM ACTRESS (2001), TOKYO GODFATHERS (2003) und PAPRIKA (2006) untermauerte.
REM hat den Film jetzt noch mal mit einem wirklich wunderschönen Cover (bei dem man sich allerdings im Vergleich zur japanischen Version eine kleine Zensurmaßnahme erlaubt hat) als Digipack mit zusätzlichem Bonusmaterial über die Entstehung des Films neu aufgelegt.
Für Freunde von anspruchsvollen Animationsfilmen auf jeden Fall eine lohnende Anschaffung.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #84 Juni/Juli 2009 und Thomas Kerpen