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BOHREN & DER CLUB OF GORE

Patchouli Blue

Fünf Jahre ist es her, dass das letzte BOHREN & DER CLUB OF GORE-Album erschien. Gar nicht so lange, wenn man bedenkt, dass der gleiche Zeitraum gefühlt zwischen zwei Snare-Schlägen bei ihnen liegt. Wobei das Wort „Schlag“ wenig zutreffend ist.

Die Snare rasselt eher, touchiert von einem kriechenden Besen. Fast ist noch mehr das Vibrieren des Snareteppichs am Fell zu vernehmen, erzeugt durch die Klangwellen der anderen Instrumente, Saxophon, Vibraphon, Mellotron, Fender Rhodes und Kontrabass.

Die Hälfte der Instrumente musste ich zugegebenermaßen googlen. Auf Gesang, in welcher Form auch immer, wird nach wie vor konsequent verzichtet, dementsprechend gibts auch keine Texte, die die Zuhörer*innen vom Klang ablenken könnten.

Anstatt die Stücke allerdings konsequent lediglich „1“, „2“ oder „3“ zu nennen, heißen sie „Verwirrung am Strand“, „Zwei Herzen aus Gold“ oder „Deine Kusine“. Zwinkersmiley, würde ich mal sagen.

Insgesamt wirkt die Produktion von „Patchouli Blue“, dem achten Studioalbum der zum Trio geschrumpften Band, sehr organisch und analog. Es klappert und kratzt, man fühlt förmlich das Holz und die Pappe von abgenommenen Lautsprecherboxen und das Atmen beim Spielen des Saxophons.

Trotzdem steigen SciFi-artige Bilder vom Weltall und dem Flug ins Unendliche, durch den Asteroidengürtel hin zum Saturn, in mir auf. Wir befinden uns in einer irrealen Welt von kriechendem Doom-Jazz, Filmmusik zu einem Film, der in deinem Kopf oder den Untiefen deiner eigenen Seele abläuft.

BOHREN & DER CLUB OF GORE machen einerseits einen extrem dichten und starken Sound, der auf der anderen Seite total reduziert ist und dem Zuhörer eine riesige Projektionsfläche bietet, was ungeduldige Zeitgenossen etwas nervös werden lässt.

Dabei wirkt das alles nicht gewollt musikakademisch, sondern klar und auf den Punkt gedacht und gespielt. In diesem Umstand ist vielleicht noch die Verwurzelung im Punk und Hardcore zu erkennen.

Ende der Neunziger Jahre begann man als Knüppel-Hardcore-Combo, wandte sich aber nach und nach von den vorgestanzten Formen ab, um in der Reduzierung, der Langsamkeit und Schwere, die musikalischen Grenzen auszuloten.

In Getränken gesprochen sind BOHREN & DER CLUB OF GORE keine Fanta und kein Kölsch, sondern ein ganz schwerer Rotwein. Ein feierlicher Tropfen für besondere Gäste, oder noch passender, für völlig einsame Momente.

Auf „Patchouli Blue“ geht man konsequent den eingeschlagenen Weg weiter, wobei die Stimmung durchaus nicht immer im Düsteren und Beängstigenden verharrt, sondern auch ansatzweise in fröhliche und verspielte Gefilde wandert.

Wer sich darauf einlässt, wird mit einem ergreifenden Album belohnt, das dir ein Universum hinter der Tür hinter der Tür eröffnet.